Olympia-Attentat: Ort des Erinnerns eröffnet in München

München - Es ist ein krasser Kontrast zur friedlich gewellten Landschaft, der sich am westlichen Lindenhügel im Olympiapark gebildet hat: Während sich auf der Oberfläche saftig grünes Gras breitmacht, liegt darunter ein davon überdachter Platz. Graue, moderne Architektur, die sich nicht einfügen will in die weiche Umgebung, sondern einen harten Einschnitt bildet. Genau darum geht es.
Denn bei dem kantigen Bau im Kolehmainenweg handelt es sich um eine Erinnerungsstätte für jenes Ereignis, das für München einen der größten Einschnitte überhaupt bedeutete: das Olympia-Attentat von 1972, bei dem am Dienstag vor 45 Jahren elf israelische Sportler und ein bayerischer Polizist von einer palästinensischen Terrororganisation ermordet wurden. Am Mittwoch, den 6. September, wird es offiziell eröffnet – doch bereits gestern gab Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) einen ersten Einblick.
An drei Seiten ist der Ort offen – und das hat einen besonderen Grund
"Einschnitt", so auch der Name des Erinnerungsorts, ist vom Architekturbüro Brückner & Brückner aus Tirschenreuth entworfen worden. 2014 setzten sie sich bei einem Wettbewerb mit ihrem Entwurf durch. Laut Architekt Peter Brückner soll die Form wie ein Gefäß sein, "das Menschen und Erinnerungen aufnehmen kann".
Zwei wesentliche Träger stützen das Erinnern: Das erste Element ist ein Keil in der Mitte der Anlage. Dieser besteht aus zwölf Stelen. Auf jeder einzelnen ist die Biografie eines Attentat-Opfers zu lesen, dazu persönliche Fotos, die von den Angehörigen zur Verfügung gestellt wurden. "Wir wollten den Opfern wieder ein Gesicht und eine Persönlichkeit geben", so Spaenle.
Das zweite Element ist eine elf mal zwei Meter große LED-Leinwand, die das Denkmal an der östlichen Seite einfasst – alle drei anderen Seiten sind offen. Das hat einen besonderen Grund: Es sollen möglichst viele Sichtachsen zu Orten entstehen, die unmittelbar mit dem Attentat und Olympia 1972 in Zusammenhang stehen. Etwa zur Wohnung in der Conollystraße 31, wo die Opfer von der palästinensischen Terrorgruppe "Schwarzer September" als Geiseln gehalten wurden. Oder, wenn auch nur gedanklich, zum Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, wo der Befreiungsversuch der Regierung fehlschlug.
Auf der LED-Leinwand läuft in Dauerschleife ein 30-minütiger Dokumentarfilm über den Ablauf des Attentats, die Opfer, aber auch die besonders heitere Stimmung, in der die Spiele in der damals jungen Bundesrepublik ausgetragen wurden.
Diese war damals ganz besonders bemüht, die NS-Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich als weltoffenes, freies und demokratisches Land zu präsentieren. Besonders groß also auch hier der Einschnitt, den das Attentat auf politischer Ebene hinterließ.
Geldgeber für das gut 2,35 Millionen Euro teure Projekt waren der Freistaat Bayern, der Bund, die Stadt, das Internationale Olympische Komitee, der Deutsche Olympische Sportbund und die Foundation for Global Sports
Development. Zur morgigen Eröffnung durch Ministerpräsident Horst Seehofer werden auch Angehörige der getöteten israelischen Sportler und des bayerischen Polizisten erwartet, außerdem OB Dieter Reiter und Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern.
Vor dem Festakt gibt es eine persönliche Gedenkstunde mit den Angehörigen, bei dem der Erinnerungsort zuerst symbolisch an sie und dann an die Öffentlichkeit übergeben wird.
Dann wird er 24 Stunden täglich an 365 Tagen im Jahr zugänglich sein und für den Moment stehen, an dem der Terrorismus München völlig unvorbereitet traf. Zwölf Menschen wurden von den Attentätern getötet – ihre Geschichten aber sollen mit der neuen Gedenkstätte weiterleben.
Auf der Videoleinwand läuft ein Film zum Attentat. Foto: Felix Hörhager/dpa
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