Olympia '72: Warum eine junge Frau Waldi sammelt und auf Reisen schickt

München - Alles hat angefangen, als ich 2009 ins Olympische Dorf gezogen bin. Da hat mich sofort die Begeisterung gepackt. Als die Olympischen Spiele in München stattgefunden haben, war ich gerade erst geboren worden, aber im Olympischen Dorf sind sie so präsent, dass ich das Gefühl habe, ich wäre dabei gewesen. Und es sind nicht nur die Spiele: Die ganze Nachkriegsgeschichte wird dort sichtbar.
Allein die Farben, in denen alles gestaltet worden ist: Da gibt es kein Rot, kein Schwarz und kein Braun. Stattdessen ist alles hellblau, grün und orange.

Das ist bewusst so gemacht worden, in Abgrenzung zu den Spielen 1936 in Berlin. Otl Aicher, der visuelle Gestalter, war ja mit Inge Scholl verheiratet, der Schwester von Sophie Scholl. Und er wollte sich mit der Farbgebung abgrenzen vom Nationalismus und auch von den Olympischen Spielen der Nazi-Zeit.
"Ich wollte eigentlich nur eines von den Hostessen-Dirndln haben"
Oder die kleinen, verschlungenen Wege durch den Olympiapark: Zu denen hat der Landschaftsarchitekt Grzimek damals gesagt, er habe sie so gestaltet, weil er findet, dass Straßen nie wieder so breit und gerade sein sollen, dass man darauf marschieren kann.

Aus dieser Begeisterung für die Olympischen Stätten heraus habe ich angefangen, Dinge, die mit den Spielen 1972 in Verbindung stehen, zu sammeln. Wobei ich gar nicht vorhatte, eine Sammlung zu erstellen. Ich wollte eigentlich nur eines von den Hostessen-Dirndln haben, die damals zu den Olympischen Spielen getragen worden sind. Und einen Waldi, der ja das offizielle Maskottchen damals war.
Das war aber gar nicht so einfach zu bekommen. Schließlich habe ich mich an Zeitungen und das Radio gewandt, die meine Suche öffentlich gemacht haben. So kam ich an mein erstes Hostessen-Dirndl. Und das Zweite. Inzwischen besitze ich fünf Dirndl und sechs Waldis. Ich habe einfach das Gefühl, ich muss diese Dinge vor dem Aussterben retten.
"Inzwischen war Waldi viel unterwegs"
Seit 2015 fotografiere ich den Waldi in jedem Land, das ich bereise. Die Idee ist mir vor meiner Reise nach Nordkorea gekommen. Ich wollte da ein Foto von mir mit Olympiadirndl und Waldi haben.

Auf dem Rückflug habe ich den Waldi dann auch gleich an einen anderen Ort gesetzt, und da kam mir der Gedanke, dass man daraus eine Fotoreihe machen könnte. Inzwischen war Waldi viel unterwegs!
Seit einiger Zeit gebe ich Führungen durch das Olympische Dorf. Weil es mir wichtig ist, ein Bewusstsein zu schaffen, für Stadtgeschichte und diesen besonderen historischen Moment. Und auch dafür, wie weit man damals schon war. Wenn man sich anschaut, dass das Olympische Dorf, in dem 8.000 Menschen wohnen, komplett verkehrsfrei ist, dann muss man sagen: So etwas zu schaffen, das ist der Politik bis heute nicht gelungen.
Meine Führungen haben mir gezeigt: Wenn man wirklich begeistert von etwas ist, wenn man für etwas brennt, so wie ich für das Olympische Dorf, dann springt der Funke schnell auf andere Menschen über. Vielleicht gelingt mir das mit dem Fotoprojekt ja auch?