Olympia 1972: Mythos, Kunst & Kitsch

Eine recht feine Ausstellung in der Münzsammlung spannt den Bogen von der Antike zu den Spielen 1972.
von  Thomas Müller
Eine echte Rarität ist dieses Olympia-Modell von 1972 (Leihgabe des Münchner Architekten David Reichert), das im Foyer zur Bibliothek der Münzsammlung zu besichtigen ist: Es zeigt den Olympiapark noch in seinem Urzustand - ohne nachträgliche Um- und Anbauten oder Abrisse in den nacholympischen Folgejahren. Besonders auffällig ist das ursprüngliche Areal rechts mit Fernsehturm (seit 1972 Olympiaturm), daneben liegendem Restaurant und Eissporthalle, in der bei den Spielen 1972 die Box-Wettkämpfe ausgetragen werden sollten. Auch die Olympiaschwimmhalle am See verdient einen genaueren Blick: An der Seite zur Liegewiese befindet sich eine große Tribüne. Im Modell noch nicht überdacht, wurde sie dann aber in die Halle einbezogen und nach den Spielen abgerissen. Nicht im Bild zu sehen ist das Radstadion hinterm Olympiastadion neben der Parkharfe - auch das ist längst Geschichte.
Eine echte Rarität ist dieses Olympia-Modell von 1972 (Leihgabe des Münchner Architekten David Reichert), das im Foyer zur Bibliothek der Münzsammlung zu besichtigen ist: Es zeigt den Olympiapark noch in seinem Urzustand - ohne nachträgliche Um- und Anbauten oder Abrisse in den nacholympischen Folgejahren. Besonders auffällig ist das ursprüngliche Areal rechts mit Fernsehturm (seit 1972 Olympiaturm), daneben liegendem Restaurant und Eissporthalle, in der bei den Spielen 1972 die Box-Wettkämpfe ausgetragen werden sollten. Auch die Olympiaschwimmhalle am See verdient einen genaueren Blick: An der Seite zur Liegewiese befindet sich eine große Tribüne. Im Modell noch nicht überdacht, wurde sie dann aber in die Halle einbezogen und nach den Spielen abgerissen. Nicht im Bild zu sehen ist das Radstadion hinterm Olympiastadion neben der Parkharfe - auch das ist längst Geschichte.

München - Ein Geheimtipp ist sie zweifellos, die Staatliche Münzsammlung in der Residenz. Man muss sie nur finden. Ein bisserl versteckt gelegen, hinten links im Kapellenhof, kurz vorm Durchgang zum Brunnenhof und dem Cuvilliéstheater - da geht's rein. Und der Blick nach drinnen lohnt sich derzeit ganz besonders.

Ausstellung "Mythos München '72": Zeitreise in die 70er 

Die Ausstellung "Mythos München '72" geht schon im Foyer der großartigen Bibliothek des Hauses los, im Erdgeschoss, das sich - zum Jubiläumsjahr 50 Jahre Olympische Spiele in München - ganz im 72er-Look präsentiert. Mit vielen Original-Plakaten an der Wand, Fotos, Zeittafeln, Medaillenentwürfen und natürlich dem 72er-Prunkstück: ein originales Modell der Bauten im Olympiapark. "Eine Leihgabe vom Münchner Architekten David Reichert", sagt Oberkonservator Kay Ehling. Und man merkt, dass er ein bisserl stolz ist, in seiner Ausstellung diese sehr gut erhaltene und absolute Rarität zeigen zu dürfen. So viele gibt's davon gar nicht mehr.

Oberkonservator Kay Ehling mit den 72er Medaillenentwürfen.
Oberkonservator Kay Ehling mit den 72er Medaillenentwürfen.

Nach dieser Einstimmung geht's die Treppen hoch ins eigentliche Museum der Münzsammlung. Und auch hier: Olympia, wohin man auch schaut, und nicht nur die 72er Spiele. Was hier in liebevoller Detailarbeit zusammengetragen wurde, ist schon phänomenal: Ein Diskus von 1972 neben einem antiken Diskus, sämtliche 10-Mark-Sammlermünzen von 1972 neben römischen Kupfermünzen mit Kaiser Nero, der wohl berühmteste Olympionike der Antike. 

Beeindruckende Originalstücke von 1972 

Dazu auch ein originaler Medaillensatz von 1972. Interessant dabei zu erfahren, dass die Goldmedaille gerade einmal 6 Gramm enthielt und immer noch enthält (nebst 143 Gramm Silber und 12 Gramm Bronze). Und dass der Medaillensatz erst seit 1904 überreicht wird. Damals noch in Massiv-Gold, -Silber und -Bronze ...

Dazu antike Vasen mit Darstellungen olympischer Disziplinen wie Ringen, Waffenlauf oder Pferderennen (Leihgaben aus der Antikensammlung), weiteren 72er-Plakaten, antiken Sieger-Gemmen (geschnittene und gestaltete Edelsteine) und Sportler-Preziosen aus Alabaster. Klingt edel - und war es auch. "Sport war damals eben eher etwas für die reiche Oberschicht", sagt Kay Ehling lakonisch.

Tja, und dann wäre noch das, was der Oberkonservator scherzhaft als "72er-Trash" bezeichnet: ein wahrer Fundus aus Olympia-Souvenirs und -Gimmicks. Ebenfalls zumeist Leihgaben, aus Privatbeständen der Mitarbeiter oder eigens erworben auf Ebay. Selbst die "Bravo" war 1972 im Olympiafieber. Auf dem Titel im Sommer '72: Uschi Glas.

Der Blick in den Ausstellungsraum im Obergeschoss.
Der Blick in den Ausstellungsraum im Obergeschoss.

Geld und Spiele: Der große Erfolg der Münchner 10-Mark-Münzen

Als vor 50 Jahren, am 26. August 1972, Bundespräsident Gustav Heinemann die Olympischen Spiele eröffnete, blickten die Spiele auf eine Jahrtausende alte Tradition zurück. Klar ist: Vieles hat sich geändert, nur eines ist gleich geblieben: So ein Spektakel kostet Geld. Verdammt viel Geld. Was also tun? Man prägte Münzen. In antiker Zeit wurden zur Finanzierung der Tempelanlagen in Olympia eigens Münzen geschlagen. In sehr hoher Stückzahl, was noch heute an der schludrigen, handwerklich eher groben Machart abzulesen ist. Gefunden hat man die ab 1875, als Olympia ausgegraben und von einer das Terrain bedeckenden vier Meter dicken Schlammschicht befreit wurde. Auch in München griff man auf den Münz-Trick zurück, um die explodierenden Kosten zu refinanzieren. Rechnete man 1965 noch mit 495 Millionen Mark, lagen die Gesamtkosten am Ende bei 1,92 Milliarden Mark. Eine Vervierfachung der Baukosten. Allein das heute weltberühmte Zeltdach sollte ursprünglich bloß 17 Millionen kosten - um am Ende dann für 115 Millionen fertiggestellt zu werden. Also prägte man Münzen. 10-Mark-Münzen, weshalb erst einmal das Gesetz geändert werden musste - da der Nennwert von 10 Mark bislang den Scheinen vorbehalten war. Am Ende verkaufte man 100 Millionen 10-Mark-Münzen - und abzüglich aller Kosten blieb ein Nettogewinn von 731 Millionen. Ein Coup! In der Ausstellung zu sehen, sind sämtliche Entwürfe zu allen Münzen, original Ausschreibungsunterlagen sowie die vier künstlerischen Schritte vom Entwurf zur fertigen Münze: Zeichnung, Foto, Gips-Guss und Prägung. Besonders interessant: Die erste von insgesamt fünf 10-Mark-Sonderprägungen (Fotos). Der Entwurf stammt von Greta Lippl-Heinsen. Auf den ursprünglichen Stücken ist der Schriftzug "SPIELE DER XX. OLYMPIADE 1972 IN DEUTSCHLAND" zu lesen. Allerdings nicht lange. Die Regierung der DDR protestierte dagegen beim Internationalen Olympischen Komitee, weil Spiele an Städte und nicht an Länder vergeben würden. Der Protest hatte Erfolg: Die später geprägten Münzen tragen folgerichtig die Inschrift: "SPIELE DER XX. OLYMPIADE 1972 IN MÜNCHEN". Was bleibt also als Fazit? Unpolitische Spiele gibt es nicht, gab es noch nie. Und die Spiele kosten Geld. Viel Geld. Oberkonservator Kay Ehling: "Ohne Geld gab's und gibt's keinen Sport - und auch keine Kunst."

Olympiamünze.
Olympiamünze.

Noch ein Prachtstück: Die große Bibliothek der Münzsammlung

So richtig reich an schönen, alten Bibliotheken oder Lesesälen ist München nun nicht gerade - der Krieg hat die meisten vernichtet. Vielleicht eine fällt einem spontan noch ein: die Juristische Bibliothek im Neuen Rathaus im zehn Meter hohen Saal mit den vergoldeten, schmiedeeisernen Wendeltreppen und umlaufenden Balustraden im feinsten Jugendstil.

Dass es seit 1960, als die Münzsammlung ihre Räume in der Residenz am heutigen Standort bezogen hat, noch einen weiteren, sehr, sehr sehenswerten Bibliothekssaal gibt, dürfte sich dagegen bislang kaum herumgesprochen haben.

In der Form erinnert er an den Einsäulensaal an der Residenzstraße von 1600. Auch dieser stimmig wirkende Bibliothekssaal besitzt nämlich eine Säule in der Mitte, auf dem das schöne Gewölbe zu ruhen scheint. "Das stimmt aber nicht", weiß Oberkonservator Kay Ehling, "dabei handelt es sich nur um eine Ziersäule."

Klar ist, was sich in den Regalen befindet: "Es handelt sich um die größte numismatische Bibliothek weltweit", sagt Ehling. Und verweist auf die mehr als 35 000 Titel in den Räumlichkeiten.

Darunter auch numismatische, also sich mit der Münzkunde befassende, Zeitschriften aus aller Welt - sogar aus Indien.

Das Schöne: Die Bibliothek ist eine öffentliche Präsenzbibliothek - und rein darf hier jeder. (Mo - Do 9 -16, Fr 9 -14 Uhr)

Ein herrlicher Ort zum Schmökern oder einfach bloß mal Reinschauen.
Ein herrlicher Ort zum Schmökern oder einfach bloß mal Reinschauen.

Olympia-Modell von 1972: Echte Rarität

Eine echte Rarität ist dieses Olympia-Modell von 1972 (Leihgabe des Münchner Architekten David Reichert), das im Foyer zur Bibliothek der Münzsammlung zu besichtigen ist: Es zeigt den Olympiapark noch in seinem Urzustand - ohne nachträgliche Um- und Anbauten oder Abrisse in den nacholympischen Folgejahren. Besonders auffällig ist das ursprüngliche Areal rechts mit Fernsehturm (seit 1972 Olympiaturm), daneben liegendem Restaurant und Eissporthalle, in der bei den Spielen 1972 die Box-Wettkämpfe ausgetragen werden sollten. Auch die Olympiaschwimmhalle am See verdient einen genaueren Blick: An der Seite zur Liegewiese befindet sich eine große Tribüne. Im Modell noch nicht überdacht, wurde sie dann aber in die Halle einbezogen und nach den Spielen abgerissen. Nicht im Bild zu sehen ist das Radstadion hinterm Olympiastadion neben der Parkharfe - auch das ist längst Geschichte.

Kaiser Nero - vielleicht der berühmteste antike Olympionike

Denkt man an Nero, denkt man automatisch an Peter Ustinov, der 1951 im Film "Quo vadis" den römischen Kaiser in seiner Mischung aus Hybris und Wahnsinn so brillant verkörpert hat. Besonders die Szenen, in denen er völlig entrückt auf seiner Kithára spielt, sind Legende. Und ganz nahe dran an der historischen Realität. Was das mit Olympia zu tun hat? Auch das zeigt die Ausstellung in der Münzsammlung. Nachdem im Jahr 64 n. Chr. Rom gebrannt und anschließend eine Christenverfolgung stattgefunden hatte, brach Nero im Herbst 66 n. Chr. nach Griechenland auf. Auf seiner Reise besuchte er auch Olympia. Dort führte der Kaiser - gegen alle Tradition - einen musikalischen Wettkampf ein. Auch wenn nicht ausdrücklich überliefert, so kann doch als sicher gelten, dass Nero dabei mit seinem Lieblingsinstrument, der Kithára (ein Saiteninstrument), aufgetreten ist. Münzen, auf denen Nero damit abgebildet ist, sind in der Olympia-Schau zu sehen. So etwa eine Kupfer-Münze, 10,62 Gramm schwer, die auf der einen Seite Neros Kopf mit Lorbeerkranz, auf der anderen Seite Nero im langen Gewand mit Kithára zeigt. Bei den sportlichen Wettkämpfen trat er auch mit einem Zehngespann an - mit mäßigem Erfolg. Der römische Schriftsteller Sueton schreibt dazu in seinen Kaiserviten: "Als Rennfahrer trat er an verschiedenen Orten auf, zu Olympia sogar mit einem Zehngespann, obwohl er ebendies dem König Mithridates in einem von ihm verfassten Gedicht zum Vorwurf gemacht hatte. Indessen wurde er dabei aus dem Wagen geschleudert; man hob ihn zwar wieder hinein, er konnte aber das Rennen doch nicht durchhalten, sondern zog sich vor dessen Ende zurück, wurde jedoch nichtsdestoweniger gekrönt." Kein Zweifel, auch deshalb ist Nero wohl der berühmteste Olympionike der Antike.

Legendär: Peter Ustinov als Kaiser Nero 1951 im Film Quo vadis an seiner Kithára.
Legendär: Peter Ustinov als Kaiser Nero 1951 im Film Quo vadis an seiner Kithára. © imago images/Everett Collection

Mark Spitz: Sein Original-Meldebogen

Auch diese Leihgabe ist eine echte Rarität: der originale Meldebogen, mit dem sich der damals noch unbekannte US-Student (und spätere siebenfache Olympiasieger) Mark Spitz für die Olympischen Spiele in München angemeldet hat - ausgedruckt mit einem 9-Nadel-Drucker auf Endlos-Papier im Olympia-Design. Als Hobby gab er an: "Swimming". Witzig.

Mark Spitz ...
Mark Spitz ...

Eine rund ein Kilo schwere Scheibe

Wer diese Diskus-Scheibe wohl mal geworfen hat? Das lässt sich heute nicht mehr eruieren. Fakt aber ist: Es handelt sich um eine rund ein Kilo schwere Frauen-Diskus-Scheibe von 1972. Rund deshalb, weil die Scheibe auch aus Holz gefertigt ist und in den Jahrzehnten ein paar Gramm verloren hat. Zum Vergleich zeigt die Schau auch einen Zinnabguss einer antiken Diskusscheibe. So ein antiker Diskoi wog damals sagenhafte 5,7 Kilogramm im Original. Ganz schön schwer.

Schwere Diskusscheibe
Schwere Diskusscheibe

Früher wie heute: Der Sport muss sauber sein!

Wie sich die Zeiten doch ändern: 1972 bekam jeder Sportler ein Handtuch und eine Auswahl von Nivea-Produkten geschenkt - die Firma Beiersdorf hatte sich 1972 nämlich werbewirksam in Szene setzen können. In der Antike war das noch anders - und sehr viel edler. In teuren Aryballos aus Keramik, oft kunstvoll bemalt, wurden kostbare Öle mit sich geführt - oder auch in grazilen Gefäßen aus Alabaster, dem sogenannten Alabastron. Zu sehen ist all das im Original in der Ausstellung.

Original: Startnummer, rosa Oly-Handtuch und Nivea-Produkte, die jeder Sportler bekam.
Original: Startnummer, rosa Oly-Handtuch und Nivea-Produkte, die jeder Sportler bekam.

Stoff-Waldi und andere Preziosen

Dank privater Stücke der Mitarbeiter und Leihgaben zeigt die Schau auch eine sehr bunte Mischung aus 72er-Devotionalien: Tickets, Plüschtiere, Bücher, Bierfuizl, Gläser, Olympiatürme aus Metall, Flaschenöffner, Streichholzbriefchen, Geldbeutel (eigens für 20 Euro bei Ebay gekauft) und so weiter. Skurrile Fundstücke: ein "Allzwecktuch aus waschechter Chemiefaser". Oder eine elektrisch leuchtende Plastikfackel von Philips ...

Der Plüsch-Waldi mit alten Eintrittskarten.
Der Plüsch-Waldi mit alten Eintrittskarten.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.