OLG München entscheidet: Grundsatzurteil erwartet - Wie legal ist Kirchenasyl?
Das Oberlandesgericht München entscheidet, ob sich ein Flüchtling (31), der mittels Kirchenasyl der drohenden Abschiebung entging, strafbar gemacht hat.
München - Der Mann, um den es geht, sagt während der ganzen Verhandlung kein Wort. Der Nigerianer Evans I. (31) hat auf der Anklagebank nicht einmal einen Dolmetscher an der Seite, um dem Prozess zu folgen. Da es sich aber um eine Revision und rein juristische Feinheiten handelt, sei dies durchaus möglich, erklärt der Vorsitzende Richter des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts (OLG) den Zuhörern im Gerichtssaal.
Es ist die Stunde der Juristen. Auch wenn der Senat betont, dass es in der Verhandlung nur um den Fall Evans I. geht. Von dem Urteil – es soll am 3. Mai gesprochen werden – kann eine große Signalwirkung ausgehen.
Es geht um nichts weniger als die Legalität des Kirchenasyls. Dieses Instrument, um Flüchtlinge vor der drohenden Abschiebung zu schützen, beruht aktuell auf einer Vereinbarung aus dem Februar 2015 zwischen den beiden großen christlichen Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Über 800 Menschen wird Kirchenasyl gewährt
Das BAMF versprach Abschiebungen im Fall eines Kirchenasyls nicht mit Gewalt durchzusetzen. Die Kirchen sagten zu, nur Härtefälle aufzunehmen und die Behörden über Kirchenasylfälle umgehend zu informieren. Laut der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche wird derzeit 674 Menschen Kirchenasyl gewährt, 125 der betroffenen Flüchtlinge sind Kinder.
Im Fall von Evans I. geht es darum, dass der Nigerianer, als ihm die Abschiebung nach Italien drohte, in der Freisinger Pfarrgemeinde St. Jakob von Mitte Juli bis Mitte Oktober 2016 Unterschlupf fand. Wegen unerlaubten Aufenthalts wurde er in Freising vor Gericht gestellt. Doch das Amtsgericht sprach ihn frei. Begründung: Das Kirchenasyl sei zwar kein eigenes Rechtsinstitut, aber es stelle ein faktisches Hindernis für eine Abschiebung dar. Evans I. hätte demnach ein Recht auf Duldung.
Worauf die Generalstaatsanwaltschaft in Revision ging. Ihr Argument: Kirchenasyl habe weder für die Behörden noch für den Mann aus Nigeria eine rechtliche Bedeutung. Damit habe sich der Angeklagte illegal in Deutschland aufgehalten, weil er eigentlich ausreisepflichtig gewesen war.
Das ist unstrittig. Richter und Verteidiger fragen sich aber, wieso im Freisinger Fall keine Behörde tätig geworden war und den ausreisepflichtigen Mann aus der Pfarrei geholt und abgeschoben habe. Vielmehr hätten Mitarbeiter der Ausländerbehörde die Anweisung bekommen, nichts dagegen zu unternehmen. Genau das stelle einen Duldungsanspruch dar, so Anwalt Franz Bethäuser.
"Es ist gelungen, zu zeigen, dass der Fall schwierig ist", sagte der Vorsitzende Richter am Ende der Verhandlung. Bisher habe es keine vergleichbare obergerichtliche Entscheidungen zu Kirchenasyl gegeben.
Als er Evans I. dann fragt, ob dieser das letzte Wort haben möchte, schüttelt der 31-Jährige nur den Kopf.
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