Zehn AZ-Redakteure verraten ihre liebste Wiesn-Anekdote

München - Gschichten, die nur das Oktoberfest schreiben kann, kennen wir Münchner alle: Von dem Liebespaar, das sich zu "Ein Stern, der deinen Namen trägt" auf der Bierbank kennengelernt hat; von Anwohnern, die in der Früh auf dem Weg zur Arbeit über selig schlafende Bierleichen steigen – und von diesem einen Freund, der mit dem einen Geheimtrick einen Tisch ergattert hat.
Auch wir in der Abendzeitung kennen diese Geschichten, weil wir sie selbst erlebt haben. Voller Vorfreude – und manchmal auch mit a bisserl Augenrollen, weil die Wiesn im Alltag schon sehr nerven kann – erzählen Redakteure ihre liebsten Wiesn-Anekdoten.
Die Wiesn schreibt die besten Geschichten
Auch heuer wird die AZ-Redaktion wieder Geschichten auf der Festwiese sammeln: Jeden Tag sind wir mit mehreren Kollegen vor Ort, sprechen mit Schaustellern, Wirten, Besuchern, testen Fahrgeschäfte und Hendl und schimpfen wie jeder Münchner, wenn die Maß Bier nicht ganz voll ist.
Das Wetter für das erste Wochenende verspricht viele Wiesnbesucher: Wetter.net sagt vorher, dass der Auftakt am Samstag supersonnig wird. Die Höchsttemperaturen betragen 18 Grad, die Tiefstwerte der kommenden Nacht 7 Grad. Der Wind weht nur schwach aus Ost.
Super-Wetter zum Wiesn-Start
Am Sonntag wird’s noch besser: Wenige Wolken in warmer Luft. Am Vormittag scheint fast überall ungehindert die Sonne. Am Nachmittag sind nur wenige dünne Wolken am Himmel, und die Temperaturen klettern auf 22 Grad. Nachts sinken die Werte dann auf 11 Grad. Der Wind säuselt nur leicht aus östlichen Richtungen. Dafür wird der Montag leider ein nasser Herbsttag mit Höchsttemperaturen von 15 Grad.
Am Dienstag aber, wenn Wirte und Schausteller mit speziellen Angeboten für Kinder und Familien locken, scheint die Sonne immer wieder durch harmlose Wolken. Die Höchstwerte betragen 20 Grad. Am zweiten Wiesnwochenende soll es am Samstag regnen und sonntags die Sonne scheinen. Ein gutes Wetter, um typische Wiesn-Gschichten selbst zu erleben.
Zehn AZ-Redakteure erzählen ihre Lieblings-Wiesn-Anekdote

"Auf den Geschmack gekommen"
Manchmal dauert es ein wenig länger, bis einen der Zauber der Wiesn ergreift.
Gefühlt zwei Jahrzehnte habe ich (inzwischen gelernter Münchner) versucht, meinen Eltern (sturmfeste Niedersachsen) das Oktoberfest schmackhaft zu machen – und hatte im Vorjahr endlich Erfolg. Einen ganzen blitzeblauen Sonnenvormittag strawanzten wir von einem großen Bierzelt ins nächste, um Blumenschmuck und Girlanden zu vergleichen, bestaunten abgefieselte Ochsen und standhafte Brauereipferde – ehe wir auf der Oidn Wiesn das Bier aus dem Stoa fließen ließen.
Am Tag drauf musste ich wieder arbeiten. Und die Eltern? Gingen gleich nochmal auf die Wiesn. Ein Kompliment, oder?
Michael Schilling
"Halbstarke Piloten"
Meine erste Wiesn war 2005. Wir, fünf Halbstarke vom Land, stiegen nach einem Schul-Wandertag in München unbemerkt nicht mit der Klasse in den Zug. Rein ins Abenteuer, ab ins Zelt! Auf die jugendliche Euphorie folgte der Dämpfer. Der einzige freie Tisch: von der Lufthansa reserviert.
Mein Kumpel, Meister der glaubwürdigen Lüge, wollte seinen ersten Wiesn-Rausch nicht aufgeben. Er kramte ein altes Flugticket aus dem Geldbeutel, marschierte zum Büro und hielt es der erstbesten Mitarbeiterin unter die Nase. Das Unglaubliche geschah: der "Mitarbeiter-Ausweis" zog – für zwei Maß.
Dann flogen wir hochkant raus. Gerade rechtzeitig. Ein Schluck mehr, und ich hätte die Standpauke meines Lebens daheim nicht mehr miterlebt.
Markus Giese

"Das Rätsel um das verschwundene Radl"
Die Wege zur, aber vor allem von der Wiesn nach Haus sind zuweilen unergründlich. Vor einigen Jahren war ein guter Freund überzeugt, er sei mit dem Radl auf die Theresienwiese gefahren. Als er den Heimweg antreten wollte, war es weg. Der Freund suchte sich in Rage. Müde und verzweifelt trat er den Fußweg nach Schwabing an. Ohnehin war er plötzlich nicht mehr sicher, ob er überhaupt mit dem Radl zur Wiesn gestartet war, geschweige denn eins besaß.
Über das verlorene Radl wurde im Freundeskreis viel debattiert. Der Glaube, es habe nie existiert, hielt sich wacker. Bis zu einem Sommertag, zwei Jahre später. Der Freund war umgezogen. Im neuen Viertel, zwei Häuser nebenan, entdeckt er sein Radl auf dem Gehsteig. Kurzerhand hat er sich‘s zurückgeklaut. Ob‘s wirklich sein Radl war? Er ist überzeugt! Der Freundeskreis wartet auf die nächste Eskalation.
Lea Kramer
"Hinter den Kulissen"
Die anderen Zelte waren schon dicht und wir waren bester Laune, weil wir es noch geschafft hatten ins Weinzelt – wir von der AZ. Ein paar von uns tanzten neben den Tischen auf der Galerie. Irgendwann fiel mir auf, dass uns ein Mann freundlich lächelnd zusah.
Er war schon ein paar Mal an unseren Tischen vorbeigegangen. Ich weiß nicht mehr, wer wen ansprach, aber etwa zwei Stunden später brachte mich dieser überhaupt nicht betrunkene Mann zum Taxi, damit ich gut nach Hause komme. In den restlichen Tagen, die die Wiesn noch hatte, zeigte er mir sein ganz persönliches Oktoberfest – das hinter den Kulissen. Wir saßen auf einer Holzbank hinter der Schänke und sahen den Schankkellnern zu, wir plauderten mit der alten Souvenirverkäuferin – er kannte alle. Und wir stiegen in einen Turm, um uns den Trubel von oben anzusehen. Das war meine schönste Wiesn.
Nina Job
"Ein fröhliches Video für die Kollegen"
Wenn Kollegen in der Redaktion eilig Fotos von Wiesn-Reportern anfordern, dann ist Folgendes natürlich tabu: Videos schicken, angetrunken im Selfie-Modus fotografieren und zusätzlich die WhatsApp-Gruppe mit ALLEN Redakteuren und Chefs zumüllen.
Ich habe aber 2018 genau das getan, als Sturmtief Fabienne abends kurz vor dem Druck der Zeitung über die Wiesn fegte. Mitten im Regen stand ich mit lustigen und lallenden Amis auf der Theresienwiese: "Alles für die Zeitung", nuschelte ich und fuhr mir durch die nassen Haare. Launige Reaktionen auf meine verstörenden Videos (zur Erinnerung: verlangt waren Fotos) kamen prompt und en masse. Gelesen habe ich diese erst am nächsten Morgen – glaube ich.
Steffen Trunk

"Die Liebe fürs Leben gibt's auf der Wiesn"
An alle Singles und hoffnungslosen Romantiker: Ja, es gibt sie wirklich – diese Abende auf der Wiesn, die das Leben für immer verändern können.
Bei mir war es der Almauftrieb am ersten Wiesn-Sonntag vor zehn Jahren. Ich war, wie heute, für die AZ im Klatsch-Einsatz. In Käfers Wiesn-Schänke sprach ich erst länger mit Jenny Elvers (damals sehr im Party-Modus) und Olivia Jones (wie immer im Party-Modus). Danach wollte ich kurz pausieren, ein Glaserl Weißwein trinken. Ich setzte mich an einen Tisch mit Journalistenkollegen, die ich alle kannte. Bis auf den Mann (als einziger in Nicht-Tracht mit gestreiftem Hemd) mir gegenüber. "Ich bin Clemens Hagen", schrie er fröhlich über den Tisch rüber. "Ich mag, was du schreibst."
Tja, was soll ich sagen? Ich wusste in wenigen Sekunden, dass ich alles an ihm mögen würde. Sehr sogar. Und das für immer.
Kimberly Hagen
"Nie nüchtern spät ins Zelt gehen!"
Es gibt ungeschriebene Wiesn-Regeln. Für jeden individuell. Eine meiner Faustregeln: Meide nüchtern zu später Stunde die angeheiterte Wiesn-Runde.
Vor etwa fünf Jahren war ich eingeladen, an einem Samstag. Lars, ein Bekannter aus NRW, hatte einen Tisch reserviert. Die Gruppe war schon seit 19 Uhr im Zelt – und tanzte angetrunken auf den Bänken. Als ich nüchtern um 21.30 Uhr ins Zelt trat, fühlte ich mich wie ein Fremdkörper. Am Tisch änderte sich das nicht. Auch wenn ich versuchte, schnell Bier zu trinken, wurde ich einfach nicht lockerer.
Kurz vor 22 Uhr ging ich wieder. Lars war etwas enttäuscht. Aber ich musste weg, als zum x-ten Mal "Siera Madre" lief.
Hüseyin Ince

"In Dirndlbluse und Jogginghose"
Wegen eines nassen Holzbodens durfte ich einen letzten Wiesnsamstag im Krankenhaus verbringen. Der Arm war gebrochen, aber als ich – mit eventuell einem Getränk zu viel im Kopf – auf den Dielen vorm Zelt lag, wimmerte ich: "Ich will nach Hause." Netterweise überließ mir ein Pärchen sein Taxi (Tausend Dank!), aber daheim musste ich feststellen, dass der Arm so hinüber war, dass ich es nicht mal aus der (sehr teuren) Dirndlbluse schaffte. Ich rief einen Krankenwagen. Ich konnte den Arm nur minimal bewegen, also vervollständigte ich meinen Look mit einer Jogginghose, Strandschuhen und einem XXL-Hausmantel meiner Oma, der sich nicht schließen lässt.
Der Arzt sprach mich dann freundlich auf Englisch an. Mein Servus irritierte ihn. Wie er mir während der Behandlung erklärte, dachte er wegen meines Outfits, ich sei Australierin.
Jasmin Menrad
"Boxkampf – reine Formsache"
Unvergessen? Der Samstag, kurz nach 12, die erste frische Wiesn-Maß: goldgelb das Bier, zart beschlagen der Krug – und dann der erste Schluck. Eine wahre Wonne! Nur nebenbei: Was ich am ersten Samstag ganz bestimmt nicht tun werde: mich am Augustiner vergreifen – auf das garantierte wie berüchtigte Schädelweh in der Früh, wenn es dem Morgen graut, kann ich getrost verzichten. Nein, ein Löwenbräu wird’s sein. Wie immer.
Unvergesslich auch der Wiesnabend vor 30 Jahren: Boxkampf. Im Teufelsrad. Mein Handicap: fünf Maß intus. Mein Gegner: mein Kumpel. Mein Trick: Weil der Spezl Unterfranke ist (und ich Münchner bin), habe ich das dem Rekommandeur gepetzt und so das Zelt hinter mich gebracht. Der Rest war bloß noch Formsache.
"Gefährliche Tiere und schrille Klingeln"
Als ich 2014 nach München zog, wusste ich nicht, was mich in meinem neuen Zuhause bei der Theresienwiese erwartet.
Eines Nachts wurde ich aus dem Schlaf gerissen, als unsere schrille Altbau-Wohnungsklingel nicht mehr aufhörte zu klingeln. Auch als meine Mitbewohnerinnen mehrmals den Türöffner betätigten, klingelte es weiter. Am Morgen bestätigten mir Nachbarn meine Befürchtungen: Ein Wiesn-Besucher war kopfüber auf unserem Klingelschild vor dem Haus eingeschlafen. Musste bequem gewesen sein – wie auch die Nacht auf der knarrenden Holztreppe im Treppenhaus des Altbaus.
Auch das erlebte ich in meinen ersten München-Tagen: Ein lederbehoster Bierliebhaber machte es sich auf der Treppe vorm Haus gemütlich und schnarchte so laut, dass ich morgens dachte, ein gefährliches Tier stünde vor unserer Haustür.
Victoria Kunzmann
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