Wucher-Alarm: Wiesnwirte stornieren Reservierungen

Der Wucherhandel mit Reservierungen blüht. Einen Teil der Geschäfte können Wirte verhindern. Die AZ hat verdeckt getestet, ob die Büros der Zelte im Internet gehandelte Reservierungen stornieren.
von  Christian Pfaffinger
„Is des unserer?“ Wer einen Tisch auf der Wiesn will, braucht ein wenig Glück – oder ein wenig mehr Geld, um eine Reservierung teuer im Internet zu kaufen. Doch jetzt platzen viele solcher Angebote.
„Is des unserer?“ Wer einen Tisch auf der Wiesn will, braucht ein wenig Glück – oder ein wenig mehr Geld, um eine Reservierung teuer im Internet zu kaufen. Doch jetzt platzen viele solcher Angebote. © dpa

München - Aussa mitm Diridari: 5290 Euro für einen Tisch im Schützenfestzelt, 5000 für einen Tisch im Hacker, 4190 für einen in der Ochsenbraterei. Da ist der Tisch für einen Tausender im Schottenhamel ja scho fast geschenkt, oder? Ist dann aber freilich mittags, gell.

Der Wucher-Wahnsinn auf der Wiesn geht wieder los. Vor allem bei Auktionen im Internet werden Reservierungen für Tische wieder zu enormen Preisen verkauft – heuer noch teurer als im letzten Jahr.

Zur Wiesn 2014 berichtete die AZ mit Informationen eines Insiders darüber, wie Händler Tische von Firmen aufkaufen oder sich neue Reservierungen erschwindeln, die sie dann zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Die Recherchen zeigten Details aus einem Geschäft, hinter dem in vielen Fällen Korruption, Betrug und Steuerhinterziehung stecken.

Der Handel mit den Tischen ist freilich verboten. Wer eine Reservierung hat, darf sie nicht in einer Auktion verscherbeln. Eigentlich ist schon der Weiterverkauf an sich unzulässig. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Wiesnwirte steht etwa, dass eine Weitergabe an Dritte der schriftlichen Zustimmung des Zeltbetreibers bedarf oder gar nicht zulässig ist. Insbesondere Versteigerungen verbieten die Wirte ausdrücklich. Wer seinen Tisch trotzdem in einer Auktion zu Geld mache, dem werde die Reservierung storniert.

Immer wieder warnen die Wirte vor solchen Angeboten, seit Jahren. Sie sagen aber auch, dass es kaum eine Möglichkeit gebe, gegen die Händler vorzugehen. Tatsächlich ist das schwierig. So haben manche Zelte bereits viel Geld in Rechtsstreitigkeiten investiert – und verloren, weil es Schlupflöcher gibt.

Durch Nummern auf den Marken sind Händler identifizierbar

Doch es gibt auch viele Fälle, in denen es ganz einfach ist, den Handel zu unterbinden. Denn: Bei vielen Auktionen sind Bilder dabei, auf denen die Reservierungen oder Wertmarken zu sehen sind. Diese sind fortlaufend nummeriert – und häufig vergessen Anbieter, die Nummern abzudecken oder zu retuschieren. Das heißt: Die Zelte können anhand der Nummern in jedem Fall nachvollziehen, wer diese Reservierung getätigt hat – und sie folglich stornieren. Aber machen das die Wirte auch wirklich? Die AZ hat den Test gemacht.

Und zwar so: Unter mehreren erfundenen Namen schreiben wir die Reservierungsbüros der Festzelte an und weisen sie konkret auf Auktionen hin, in denen Reservierungen höchstbietend versteigert werden. In allen Fällen sind bei den Angeboten Bilder dabei, auf denen Nummern von Reservierungen oder Wertmarken zu erkennen sind. Dazu die Frage: Werden diese Reservierungen nun storniert?

Ein Teil der Reservierungsbüros reagiert prompt. Hier einige Beispiele:

Aus dem Schottenhamel kommt die Antwort, man habe die Auktion bereits entdeckt und die Reservierung storniert. Auch in anderen Büros, etwa vom Schützenfestzelt, ist das laut Antwort so. In der Augustiner Festhalle geht man einem Fall nach, in dem Marken ohne Reservierung höchstbietend versteigert werden. Beim Hofbräu-Festzelt reagiert man ebenfalls schnell und lässt die Reservierung aus der Auktion platzen.

Besonders engagiert zeigt sich das Löwenbräu-Festzelt. Hier kümmert sich die Chefin, Stephanie Spendler, selbst um das Thema, lässt sofort stornieren. Bei ihr gibt es sogar eine „Ebay-Abteilungsleiterin“, die nach derartigen Angeboten sucht und den Verkäufern nachgeht. So verfährt man auch in Kufflers Weinzelt: Täglich überprüfe man die Angebote und beschäftige die Rechtsabteilung damit.

Dass die Reservierungsbüros durchaus einen Unterschied machen zwischen Wucher-Händlern und Kunden, die ihre Reservierung zu fairen Preisen weitergeben wollen, weil sie nicht kommen können, zeigt die Ochsenbraterei.

Hier hatte die AZ ein Angebot geschickt, in dem ein Tisch zum Originalpreis plus Versandgebühr angeboten wurde. In einer Mail erklärt ein Mitarbeiter der Ochsenbraterei ausführlich, dass er den Kunden trotzdem kontaktiert habe. Denn dieser solle in solchen Fällen an das Zelt wenden, das die Gutscheine erstatte und sich um eine Neuvergabe der Reservierung kümmere.

Als Lohn für die Mithilfe bei der Händler-Jagd gibt es Tische

Ein Teil der anderen Zelte reagiert selbst nach mehreren Tagen gar nicht, weist zum Teil darauf hin, dass man Anfragen per E-Mail nicht entgegennehme. Der Hinweis an die Fischer Vroni ist sehr kurzfristig und daher etwas außen vor. Vom Marstall gibt es in der Testzeit kein entsprechend identifizierbares Angebot auf der Online-Auktionsplattform.

Teilweise gibt es für die Hinweise sogar einen Lohn. In den Test-Mails fragt die AZ nämlich auch, ob man die angebotenen Tische nach der Stornierung übernehmen könne. Und in vielen Fällen klappt das. Manche Büros überlesen die Frage zwar einfach, andere aber bieten freie Mittagsreservierungen an. In einigen Fällen klappt es sogar, entweder die Abendreservierung aus der Auktion zu übernehmen oder einen anderen frei gewordenen Tisch, ebenfalls am Abend, zu bekommen.

Die AZ hat natürlich keinen dieser Tische angenommen – Ehrenwort.

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