Wirte-Tradition vorm Oktoberfest: "Die Kerze wacht über uns"

Vor dem Wiesn-Start kommen die Festwirte zu einem Gottesdienst in die Paulskirche – auch zu einer Kerzenweihe in Erinnerung an Wirtesprecher-Legende Willy Heide.
von  Annette Baronikians
Bräurosl-Wirt Willy Heide (1919-2011) auf seiner alljährlichen Wallfahrt nach Maria Eich, wo er eine große Kerze für ein friedliches Oktoberfest stiftete, hier im Jahr 2003.
Bräurosl-Wirt Willy Heide (1919-2011) auf seiner alljährlichen Wallfahrt nach Maria Eich, wo er eine große Kerze für ein friedliches Oktoberfest stiftete, hier im Jahr 2003. © imago images/Heinz Gebhardt

München- Bald geht's los, dann ist wieder Wiesn, offiziell eröffnet mit dem traditionellen Anzapf-Spektakel im Schottenhamel-Festzelt. Ein anderes Ritual, ohne das man sich den Wiesn-Start kaum vorstellen kann, fand jetzt schon statt: still, besinnlich und nur wenige Meter vom Festgelände entfernt.

In der Paulskirche trafen sich die Wiesn-Wirte zu einem eigenen Gottesdienst, bei dem in guter alter Tradition auch eine Kerze geweiht wurde, um für ein friedliches Oktoberfest zu bitten.

Die Kerze hat drei Dochte für die Dreieinigkeit

Organisiert wurde diese besondere Wirte-Zusammenkunft wieder von Festwirtin Katharina Inselkammer (Armbrustschützenzelt), die auch die Kerze selbst mit diversen Wiesn-Motiven von Maßkrug bis Lederhose dekoriert hatte. "Dieses Jahr ist es eine große Kerze mit drei Dochten für die Dreieinigkeit", sagte Inselkammer der AZ: "Sie wacht über uns."

Festwirtin Katharina Inselkammer und ihre Tochter Franziska (das amtierende Münchner Kindl) mit der diesjährigen Wiesn-Kerze.
Festwirtin Katharina Inselkammer und ihre Tochter Franziska (das amtierende Münchner Kindl) mit der diesjährigen Wiesn-Kerze. © privat

Groß ist die farbenfrohe Kerze, die nun bis zum Wiesn-Ende in der St.-Paul-Kirche bleiben wird, in der Tat. Doch ist sie geradezu klein im Vergleich zu jenen wahrlich imposanten Exemplaren, mit denen die Tradition der Kerzen-Weihe einst begann. Diese kunstvollen Kerzen waren stets mindestens einen halben Meter hoch und über 25 Kilogramm schwer.

Etwas zu schwer für Wiesn-Urgestein Willy Heide, der ohne seinen berühmten Mega-Gamsbart nur 1,56 Meter groß (und doch ein ganz Großer) war. Willy Heide, der unvergessene Wiesnwirte-Sprecher und ehemalige Festwirt der Bräurosl, pilgerte alljährlich mit einer Riesenkerze zur Wallfahrtskirche Maria Eich nach Planegg, wo auch seine Großgaststätte Heide Volm war.

Die letzte Wallfahrt von Wirte-Legende Willy Heide im Jahr 2010

Dieses Ritual hatte er 1985 gleich nach seiner Wahl zum Wiesn-Wirtesprecher ins Leben gerufen – in Erinnerung an das entsetzliche Oktoberfest-Attentat vom 26. September 1980 mit 13 Toten und mehr als 200 teils schwerst Verletzten.

Insgesamt 26 Jahre lang machte sich Heide kurz vor dem Wiesn-Start mit einer Kerze auf den Weg nach Maria Eich. Im September 2010 bat er in Begleitung der damaligen Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl um den Schutz der Heiligen Maria.

Münchens Ex-Fremdenverkehrsdirektorin Gabi Weishäupl hatte damals extra eine Kutsche organisiert, damit der inzwischen 90-jährige Senior-Wiesnwirt seine kleine Wallfahrt antreten konnte. Es sollte leider seine letzte sein. Am 13. August 2011 starb Willy Heide.

Sein Herzenswunsch war es, dass die von ihm begründete Tradition auch nach seinem Tod fortgeführt wird – was auch passiert ist. Anstelle eines großen Exemplars wurden in den Folgejahren mal viele kleine Kerzen geweiht, für jedes Wiesnzelt eine. Statt in der Gnadenkapelle von Maria Eich finden Gottesdienst und Weihe jetzt in St. Paul statt. Doch sie brennt auch zum Oktoberfest 2024 wieder: die Friedenskerze der Wiesn-Wirte.

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