"Wiesn-Chef" hört auf: Baumgärtners großes Abschiedsfest

Clemens Baumgärtner erlebt die Wiesn ein letztes Mal als Chef. Über Wehmut, Wahlkampf und die Frage, mit wem die SPD eigentlich lieber regieren würde.
von  Christina Hertel
Hildegard Baumgärtner und ihr Sohn Clemens, noch Wirtschaftsreferent der Stadt München und damit Wiesn-Chef. Er kandidiert bei der nächsten Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt.
Hildegard Baumgärtner und ihr Sohn Clemens, noch Wirtschaftsreferent der Stadt München und damit Wiesn-Chef. Er kandidiert bei der nächsten Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt. © Hannes Magerstädt

München - Ob sie stolz auf ihren Sohn ist? "Mal mehr, mal weniger", antwortet Hildegard Baumgärtner und schmunzelt. Sie ist 86 Jahre alt, ein schwarzes Tuch umgebunden, die Lider blau geschminkt. Vor ihr steht am Anstich-Tag im Schottenhamel eine Maß Wasser. In ihren schmalen Händen wirkt der Krug riesig, fast zu schwer, um ihn zu heben.

Und wann ist sie mehr stolz, will die AZ jetzt freilich wissen. "Na dass er so weit gekommen ist", antwortet die 86-Jährige bloß. Sie sagt nicht: Immerhin ist mein Sohn Münchner Wirtschaftsreferent, Wiesn-Chef und bald Oberbürgermeister. Schließlich ist Clemens Baumgärtner OB-Kandidat der CSU.

Clemens Baumgärtner: Zum letzten Mal Wiesn-Chef

Und wann ist sie weniger stolz? Da antwortet sie etwas, aber Clemens Baumgärtner unterbricht: "Na, Mama, des gehört doch ned hier her." Stattdessen reicht er sein Smartphone über den Tisch: "Schaun Sie mal." Ein kleiner Bub in grauer Trachtenweste und Jeans vor einem Lebkuchenherz-Stand, seine Mama trägt Blazer und Schlaghosen.

Der kleine Clemens mit der Mama auf der Wiesn.
Der kleine Clemens mit der Mama auf der Wiesn. © Privat

Dirndl und Lederhosen hat niemand von den Leuten drum herum auf dem Foto an. 1979 steht daneben. "Drei Jahre war ich damals." Es gibt noch mehr Bilder: der kleine Clemens beim Umzug auf dem Traktor.

"Er ist mit jeder Faser seines Körpers Wiesn", hat der CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl Minuten vorher über Baumgärtner gesagt. Die beiden kennen sich seit der Kindheit. Diese Wiesn ist für Baumgärtner allerdings auch ein Abschiedsfest. Bald endet seine Amtszeit als Wirtschaftsreferent.

SPD und Grüne haben bereits angekündigt, dass sie stattdessen Christian Scharpf (SPD), den Ingolstädter OB, wählen wollen. Für Baumgärtner ist es der letzte Auftritt als Oktoberfest-Chef. "Ich bin maximal traurig, weil ich die Wiesn vom Innersten in meinem Herzen liebe", sagt er.

Hört man sich auf dem Balkon im Schottenhamel bei Stadträten über Baumgärtner um, bekommt man gleichzeitig einen Eindruck über die Stimmung im Rathaus im Allgemeinen und den Zustand der grün-roten Koalition im Speziellen.

Baumgärtner: Doch nicht mehr als Wiesn-Chef?

Besonders viel Lob für Baumgärtners Arbeit hört man am Tisch der Grünen nicht. "Er ist ein Unikat", sagt Fraktionschef Weisenburger, aber fügt dann hinzu: "Und es ist doch bemerkenswert. Bei Amtsantritt hat er immer gesagt, Wirtschaftsreferent zu sein, ist mehr als Wiesn-Chef. Aber jetzt wird er doch bloß als solcher wahrgenommen."

Fragt man Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) klingt es nicht, als würde er über seinen Konkurrenten um den Chefsessel im Rathaus sprechen. Viel Spaß habe der Wiesnrundgang mit Baumgärtner gemacht, dass sie heute Morgen um 7.30 Uhr schon das erste Mal telefoniert hätten, erzählt er. Und wie gut die Zusammenarbeit laufe. Klingt, als wäre Reiter die CSU als Koalitionspartner lieber?

Auf der Kutsche: Clemens Baumgärtner (2. v. r.) beim Einzug am Samstag.
Auf der Kutsche: Clemens Baumgärtner (2. v. r.) beim Einzug am Samstag. © picture alliance/dpa

"Ich habe immer gesagt, dass es das Wichtigste ist, dass die SPD ein starkes Ergebnis bekommt und nicht schlechter wird als beim letzten Mal. Danach sehen wir, mit wem es reicht. Aber ich sage auch: Die sechs Jahre mit der CSU waren etwas entspannter."

Dabei gehe es ihm nicht darum, wer Zweiter Bürgermeister würde – Dominik Krause, OB-Kandidat der Grünen und Clemens Baumgärtner seien anständige Menschen. Es gehe um Inhalte: "Gerade bei Mobilität und Klimaschutz sind wir mit den Grünen nicht einig."

Dann erzählt er, dass das Klimareferat es gerade mal schaffte, zwei Promille CO2 in München einzusparen mit seinem Budget von 290 Millionen – und nun noch mehr Geld haben wolle. "Aber da sage ich nein: Es wird nicht mehr Geld geben."

SPD-Fraktionschefin Hübner schlägt versöhnlichere Töne an

SPD-Fraktionschefin Anne Hübner, eigentlich dafür bekannt, mal den ein oder anderen unüberlegten Tweet loszulassen, klingt etwas versöhnlicher mit den Grünen: "Als wir mit der CSU regiert haben, waren es einfachere Zeiten, weil so viel Geld da war, dass wir jeden Konflikt so lösen konnten. Jetzt müssen wir sparen."

Auch die gesellschaftlichen Konflikte seien größer. "Ich will nichts Böses über die Grünen sagen, es ist Wiesn-Anstich und wir haben uns schon seit Ende der Sommerferien nicht gestritten."

Also etwa zwei Wochen. Sie hoffe, dass alle drei Parteien es schaffen, zusammenzuarbeiten. "Wenn das irgendwo klappen kann, dann in einer Kommune", meint Hübner. Achja, und über Clemens Baumgärtner hat sie noch etwas gesagt: "Er war wirklich ein Top-Wiesn-Chef. Die Zusammenarbeit war immer angenehm."

Schwermütig will der erst werden, wenn die Wiesn vorbei ist. "Dann muss ich einfach OB werden, dann darf ich wieder Wiesn machen", sagt Baumgärtner, lacht und prostet seiner Mama mit der Wasser-Maß zu.

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