Kommentar

Wiesn 2022: Rücksichtsloses Biermuskel-Training oder echtes München-Gefühl?

Die Entscheidung ist gefallen: Das Oktoberfest wird nach zwei Jahren Pause wieder stattfinden. Aber ist das auch klug? Ein Pro und Contra.
von  Jan Krattiger, Michael Schleicher
Ein Bild von der Wiesn 2016: Besucher stehen dicht gedrängt am Eingang zum Hofbräuzelt. In Corona-Zeiten eigentlich unvorstellbar...
Ein Bild von der Wiesn 2016: Besucher stehen dicht gedrängt am Eingang zum Hofbräuzelt. In Corona-Zeiten eigentlich unvorstellbar... © Felix Hörhager/dpa

München - Seit Freitag ist klar: Das Oktoberfest wird 2022 wieder stattfinden – trotz des weiter anhaltenden Kriegs in der Ukraine und der Corona-Pandemie, die noch nicht endgültig überstanden ist.

Ist es richtig, das größte Volksfest der Welt in solchen Zeiten zu feiern? Ein Pro und Contra aus der AZ-Redaktion:

Pro Wiesn: Das München-Gefühl ist wieder da

München hat seine vielbeschworene "fünfte Jahreszeit" wieder. Endlich, nach drei schier endlosen Jahren und zwei ganz bitteren (aber unausweichlichen) Absagen. 2022 gibt’s die Wiesn wieder!

Angesichts der aktuellen Gegebenheiten ist die Entscheidung pro Wiesn auch die einzig richtige. Oder anders gesagt: Eine erneute Absage hätte OB Reiter auch wegen des aktuell stattfindenden Frühlingsfests wohl nur schwer begründen können.

Manch einer mag deswegen granteln, die Oktoberfest-Zeit werde dann als zwei Wochen Ausnahmezustand in München betrachtet – jedoch ausschließlich im negativen Sinne.

Für Wiesn-Freunde wie mich ist’s aber vielmehr ein besonderes Gefühl. Sobald ozapft is, liegt eine einzigartige Aura über der Stadt. Eine Aura, die Lebensfreude verbreitet. Echte Lebensfreude, die es in Corona-Zeiten von Absagen, Lockdowns und strengen Regeln zu selten gab.

Freilich, bis zum Anstich sind’s noch etwa viereinhalb Monate. Wie sich die Pandemie bis dahin entwickelt? Das weiß noch niemand – und auch OB Reiter kann das heute noch nicht wissen.

Klar ist auch, dass man nicht naiv sein darf, erwartungsfroh allerdings schon. Man darf angesichts des wiederkehrenden München-Gefühls Zuversicht walten lassen. Zuversicht, die wir jetzt mehr denn je brauchen.

Michael Schleicher


Contra Wiesn: Rücksicht nehmen wäre angebracht

So sei es also, der OB hat gesprochen: Es wird stattfinden. Das größte Volksfest der Welt. Das Millionen Menschen aus aller Welt innerhalb eines ziemlich kurzen Zeitraums nach München holt. In Bierzelte. Wo die dann saufen bis zum Umfallen (und darüber hinaus).

Wenn ich eines gelernt habe während dieser Pandemie, die sich jetzt schon viel länger hinzieht, als sie eigentlich müsste (und die schon längst vorbei sein könnte): Die Experten – also die richtigen, die wirklich Bescheid wissen – haben mit ihren Voraussagen immer ziemlich richtig gelegen. Auch wenn wir es nicht hören wollten.

Und die sagen: Im Herbst könnte es nochmal richtig eng werden, besonders für die Schwächsten unserer Gesellschaft.

Das kann man verdrängen und jetzt schon beim Frühlingsfest den Biermuskel für den Herbst trainieren. Oder man könnte darauf etwas Rücksicht nehmen. Und auf das Klinikpersonal, das nun seit Jahren auf dem Zahnfleisch geht und zur Wiesnzeit sowieso wieder alle Hände voll zu tun haben wird.

Und wenn schon das zu viel verlangt ist und der Wiesnbesuch ein Muss, dann bitte wenigstens durchgeimpft. 

Jan Krattiger

AZ-Umfrage zum Oktoberfest 2022

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