Wie wird man Wiesn-Wirt? So klappt’s!

München - Als Siegfried Able im Frühjahr den Zuschlag für sein Marstall-Festzelt auf der Wiesn bekam (als Nachfolger für Sepp Krätz, der sein Hippodrom abgeben musste), war das Geschrei groß. Ein kleiner Wirt sahnt mehr Punkte ab, als altgediente Großzelt-Wiesnwirte? Da sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, wurde stadtweit gelästert, unterstellt wurde sogar, dass Bestechungsgelder geflossen sein müssen.
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Die Stadtverwaltung dementierte erbost. Immerhin, der Eklat hat dazu geführt, dass die Stadt nun eins ihrer bestgehüteten Geheimnisse lüftet: das Bewertungssystem für die Frage, wer Wirt auf der Wiesn werden und also auf dem Oktoberfest Millionen verdienen darf – und wer leer ausgeht.
Neun der 14 großen Festzelte haben traditionsgemäß einen festen Platz. Fünf Großwirte aber müssen sich jedes Jahr neu bei der Stadt um den begehrten Standplatz bewerben. Jetzt liegt der Entwurf der Verwaltung zu einem Kriterienkatalog vor. Heute hätte der Stadtrat darüber entscheiden sollen. Doch CSU-Wiesnstadtrat Georg Schlagbauer sieht noch „Redebedarf mit allen Beteiligten“ – und will die Angelegenheit vertagen lassen.
Laut dem Vorschlag der Verwaltung gibt es 13 Bewertungskategorien. In jeder Kategorie können die Bewerber 0 bis 11 Punkte bekommen. Die werden dann noch – je nach Wichtigkeit der Kategorie – mit dem Faktor 2 oder 4 gewichtet. Noch immer gibt es demnach Spielraum bei der Punktevergabe.
Klar ist allerdings: Wer als Neuling ein Wiesnzelt ergattern will, wird es mit diesen Kriterien noch schwerer haben, an den Platzhirschen vorbei zu ziehen.
Und sollen die Richtlinien zur Vergabe ausschauen:
1. Vertragserfüllung - Faktor 2, heißt: hier zählen die Punkte doppelt
Gleich mal eine Kategorie, in der altgediente Wirte künftig die besseren Karten haben: Hier wird gewertet, wie gut die Betriebsvorschriften eingehalten wurden und wie oft es Beschwerden zum Zeltbetrieb gegeben hat. Neu-Bewerber bekamen bislang hier pauschal 5 Punkte (weil ja noch keine Beurteilungen vorliegen konnten). Künftig bekommen sie 0 Punkte. Wer schon ein Wiesnzelt hatte, bekommt 6 bis 11 Punkte – je nachdem, wie oft es Beanstandungen gab.
2. Volksfesterfahrung - zählt doppelt
Maßgeblich sind hier die Jahre, die ein Wirt aktiv auf einem Volksfest vertreten war – der bloße Besitz einer Reisegewerbekarte ist nicht ausschlaggebend.
3. Sachkenntnis - zählt doppelt
Hier wird die Ausbildung des Wirts bewertet. Für eine abgeschlossene Gastro- oder Hotel-Lehre gibt es 5 Punkte, für jeweils fünf Jahre als selbstständiger Gastwirt oder für Schulungen oder Fortbildungen gibt’s Zusatzpunkte.
4. Durchführung - zählt doppelt
Hier bekommen Neubewerber grundsätzlich 0 Punkte. Altgediente Großwirte erhalten 5 Punkte, Wirte kleinerer Zelte, die nun zu einem Großzelt wechseln, 2 Punkte. Zusatzpunkte gibt’s für „Barrierefreiheit“, „Familienfreundlichkeit“, „unverstärkte traditionelle Musik“ oder einen „Haussanitäter“.
5. Stammbeschicker - zählt doppelt
Noch eine Vorteilskategorie für bewährte (kleine und große) Wirte: je ein Punkt für fünf Jahre auf der Wiesn.
6. Ausstattung - zählt vierfach
Wie bislang werden die Fassade, Malereien, Beleuchtung, drehbare Bühnen und allerlei Deko bewertet. Viel Spielraum also für persönliches Geschmacksempfinden.
7. Technischer Standard - zählt vierfach
Hier geht’s wie bislang um Fragen wie: Wie alt ist das Zelt? Gibt’s Obergeschosse? Wie schaut die Küche aus? Gibt’s Bier-Ringleitungen?
8. Anziehungskraft - zählt vierfach
Wie beliebt ist das Zelt? Eine Kategorie, in der viel Bewertungsspielraum bleibt. Herangezogen werden beispielsweise „Erfahrungswerte“ oder „Artikel in der Fachpresse“.
9. Tradition - zählt vierfach
Wieder eine Kategorie, in der Altgediente punkten: Für jeweils zehn Jahre Zulassung gibt’s einen Punkt.
10. Platzbedarf - Diese Kategorie entfällt ersatzlos
Wenn ein Neubewerber einen Alt-Wirt verdrängen will, muss er seinen Platzbedarf dem Vorgänger anpassen.
11. Ortsansässigkeit - zählt doppelt
Hat der Wirt seinen Firmen- oder Hauptwohnsitz in München, bekommt er – wie bisher – für jedes volle Jahr einen Punkt.
12. Eigentum - zählt doppelt
Für die großen Festwirte entfällt diese Kategorie, weil die meisten Großzelte gemietet sind. Nur bei den Mittelbetrieben gibt’s Punkte.
13. Ökologie - zählt doppelt
Wie früher gibt’s hier Punkte für Ökostrom, Bio-Lebensmittel, Energiesparmaßnahmen.
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Änderungen für Schausteller
Auch für die Schausteller schlägt die Verwaltung Änderungen vor. Weil es mehr moderne Fahrgeschäfte geben soll, gibt’s auf Betriebe mit einem Baujahr vor 1970 nur noch 2 statt bisher 6 Punkte. Von der Regel ausgenommen bleiben aber die urigen Traditionsgeschäfte wie Krinoline, Teufelsrad, Schichtl und Toboggan.
Bewertungskontrolle werden Verändert
Eine Innenrevision soll künftig prüfen, ob die Bewerbungen auch fachgerecht beurteilt wurden. Und damit kein Gedanke mehr aufkommt, es sei bei einer Vergabe nicht mit rechten Dingen zugegangen, soll auch ein Anti-Korruptionsbeauftragter noch einen Blick auf die Vergaben werfen.
Ob die neuen Kriterien allerdings für die Wiesn 2015 schon gültig werden, ist – dank der Vertagung im Stadtrat – ziemlich fraglich.