Wenn die Klofrau rockt

Diana schrubbt eigentlich Toiletten. Doch einmal am Tag ist sie der Star des Ammer-Zelts: Dann singt sie mit der Kapelle.
Anne Karthrin Koophamel |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
WC-Engel Diana in der Mitte am Mikro im Ammer-Zelt.
Daniel von Loeper WC-Engel Diana in der Mitte am Mikro im Ammer-Zelt.

 

Diana schrubbt eigentlich Toiletten. Doch einmal am Tag ist sie der Star des Ammer-Zelts: Dann singt sie mit der Kapelle.

MÜNCHEN Ein kleines Schlückchen Sekt noch, Diana atmet tief durch und streicht ihren Kittel glatt. WC-Engel steht auf ihrer Brust. Doch ihre sechs Häusl sind jetzt in weiter Ferne. Aus der Klofrau wird der Schlagerstar des Ammerzelts. „Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann“, schmettert Diana ins Mikro. Die Menge tobt.

Die Geschichte von der singenden Klofrau verbreitet sich schnell. Um Viertel vor neun Uhr abends strömen kleine Menschentrauben ins Ammer-Zelt. „Hier singt doch die Klofrau, oder?“ fragt einer, „das ist echt mal cool.“ Wenig später wird er die Hände in die Höhe reißen und nur noch ein Wort sagen: „Wahnsinn!“ Die Gäste, die eben noch an ihren Bio-Hendl genagt haben, reißt es von den Bänken. Diana wirbelt umher, oft sieht man nur ihren roten Igelhaarschnitt. „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ singt sie jetzt und lehnt sich weit über die Brüstung.

Dabei hat sie furchtbare Höhenangst. Heute hat sie sogar ein paar Bachblüten-Tropfen zum Sekt genommen. „Wenn du die Menschen erreichen willst, musst du sie einbeziehen und anschauen. Für die Leute gebe ich alles“, sagt sie. Schon immer hat Diana gerne gesungen: Karaoke, auf Familienfesten und natürlich daheim zu ihren Platten von Roy Black und Marianne Rosenberg.

„Ich habe den Rhythmus einfach im Blut.“ Doch erst im vergangenen Jahr trat sie erstmals mit der Claudia-Sommer-Band im Zelt auf. Der Erfolg war überwältigend. „Ich kann gar nicht sagen, was ich fühle – aber die Leute geben mir so viel Power, das ist unbeschreiblich.“ Seitdem rockt sie jeden Abend für eine Viertelstunde und vergisst ihre Toiletten.

Dabei hat sie dort ihren Traumjob gefunden. „Viele denken ja, Klofrau ist ein Scheißjob. Aber ich wollte das machen, weil ich da mit vielen Menschen zu tun habe und mit ihnen scherzen kann“, sagt die 36-Jährige. Seit acht Jahren reist sie jeden September von Nordrhein-Westfalen für zwei Wochen nach München, um die Toiletten sauber zu halten.

Gutes Geld verdiene sie dabei. Dass sie dafür das Geschäft von anderen wegwischen muss, macht Diana nichts aus. Die meisten Gäste seien gesittet und gäben auch Trinkgeld. „Meine Chefin sagt immer, das ist mein Revier.“ Das will sie möglichst komfortabel gestalten. Am Waschbecken liegen Deo, Bürste und auch Hygieneartikel – aber keine Kondome.

„Das gibt’s hier nicht, da bin ich sehr resolut.“ Genau wie bei der langen Schlange, die sich nach ihrem Auftritt bei den WC-Häusl bildet. Die Menschen wollen gratulieren, ihr die Hände schütteln, umarmen. Mancher wird zudringlich. Diana ist das alles zu viel. „Umarmen ist in Ordnung, küssen geht gar nicht. Und eigentlich muss ich mich auch wieder um meine Klos kümmern.“

Da sei sie perfektionistisch. „In acht Jahren hat nicht ein einziges Mal das Klopapier auf einer Kabine gefehlt“, sagt Diana. 52 Rollen werden am Tag verbraucht. „Das ist kein leichter Job.“ Dauernd müsse sie die Leute anspornen, schneller zu machen, nicht zu schubsen. Deshalb habe sie auch nicht das Autogramm von dieser berühmten Frau angenommen, die eines Abends vor ihr stand. „Das interessiert mich nicht. Auf der Toilette sind alle Menschen gleich.“

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.