Vorsicht, Spanner auf der Wiesn!
In Scharen stehen Männer vor dem „Irrgarten“ auf der Wiesn. Manche filmen, wie den Frauen durch einen eingebauten Luftzug der Rock hochfliegt. Oft landen die Bilder im Internet.
München - Der erste kommt mittags. Eine halbe Stunde nach Eröffnung. Schwarze Lederjacke, Schnurrbart, Knirps-Regenschirm. Auf seinem Smartphone läuft die Kamera. Vor ihm trippeln Madl im Dirndl vorbei – plötzlich fliegt einer der Rock hoch, dann der zweiten, der dritten. Der Mann folgt den Frauen mit dem Objektiv, zoomt ihnen auf den entblößten Hintern.
Für Spanner gibt es viel zu sehen im „Irrgarten“. Auf dem Wiesn-Fahrgeschäft staksen die Leute auf die Zuschauer draußen zu. Dann pustet ein Luftstrom den Frauen die Dirndl hoch – Marilyn Monroes legendäre Filmszene, nur eben auf Bayerisch. Für viele Zuschauer und zahlende Gäste ist das „Laufband mit der Luftbrücke“ ein harmloser Spaß, für manche aber ist es viel mehr, nämlich: Höschen am Fließband.
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Solche Spanner kommen jeden Tag zum „Irrgarten“, sagt die Bedienung vom Kaffeestand gegenüber. „Ich finde das schlimm. Da fahren ja auch Kinder.“ Es sind Männer mit Digitalkameras und gezückten Handys, die filmen, knipsen, grinsen – trotz des Schildes „Filmen und Fotografieren VERBOTEN“.
Manche stünden Stunden vor dem Luftstrom und glotzten, als seien sie im Strip-Club. Wie Mike, den Reporter von „RTL Explosiv“ vorm Fahrgeschäft für einen Bericht ansprechen. Der Norddeutsche hat Frau und Kinder daheim gelassen. Er ist zum Schauen hier.
„Was denn?“, fragt der Reporter. „Von Mieder bis Mini, und die ganz knappen“, sagt Mike und grinst. Dann zeigt er den RTL-Leuten den besten Standort, um Fotos zu machen. „Man hat schon Augenweiden dabei“, sagt der Brillenträger. „Jung und Alt, da ist alles dabei.“ Für ihn sei das die „Gelegenheit, Dirndl zu sehen – in Massen. Und was drunter steckt, auch!“
Dann hat Mike noch einen Tipp: Im „Fun House“ gebe es eine große, rollende Tonne – wenn da die Mädels umfallen und die Beine hochgehen, das gefalle ihm auch.
Der Chef vom „Irrgarten“, René Rasch, weiß von den Spannern. „Schön finde ich das nicht“, sagt er. Viel dagegen tun könne er nicht. „Ich habe Schilder aufgehängt, und meine Leute sagen auch, man soll die Kamera weglegen“, sagt der 53-Jährige. Den Luftstrom abschalten wolle er aber nicht – „dann ist ja der Gag weg.“ Der sei ein „Klassiker“ auf der Wiesn, seit 1957 gebe es den „Irrgarten“.
Strafbar ist das Fotografieren für den Privatgebrauch laut Polizei nicht. Wer die Bilder ohne Einwilligung der Fotografierten ins Internet stellt, muss aber eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Kunst- und Urheberrecht fürchten. Anzeige erstattet habe aber noch niemand. Trotzdem: Wer in Internet-Suchmaschinen eine bestimmte Schlagwortkombination eingibt, findet dutzende Filme. Ein Clip eines gewissen „Dirty Pierre“ auf Youtube zählt rund 700.000 Aufrufe.
Ebenfalls leicht zu finden: Filmchen, bei denen Männer Frauen im Zelt unterm Rock filmen – in Zeiten der Smartphones ist das mittlerweile gängige Praxis. Viele Frauen beschweren sich auch bei Bedienungen und Securitys darüber – zu einer Anzeige kommt es laut Polizeisprecher Werner Kraus aber nur vereinzelt.
Der „Irrgarten“ ist auch in Fetisch-Foren ein Thema: In einem hat User „phosebd_98“ einen „Geheimtip für Strumpfhosenfetischisten“ – ein Link auf ein Video vom „Irrgarten“. „Ich habe noch nie so viele hochgewehte Röcke am Stück gesehen“, schwärmt er. Sein Aufruf: „Also, nix wie hin!“
Die Internet-Videos begeistern so manchen. „Die Dame mit den Halterlosen war nett“, schreibt User „g.mutabor“. „Hatte die noch einen Slip darunter?“ 50 Prozent hielten sich den Rock runter, schreibt „phosebd_98“. Und vermutet: „Dem Rest macht es offenbar Spaß, den Zuschauern zu zeigen, ob sie sich heute für Strumpfhose oder Stay-Ups entschieden haben.“ In Wirklichkeit sind viele Frauen überrascht vom plötzlichen Luftzug, der sie entblößt.
Spanner „phosebd_98“ hat noch einen Tipp „für Strumpfhosenfetischisten“ parat: Auch im „Teufelsrad“ zeigten die Frauen viel Bein, schreibt er. Einen Video-Link fügt er gleich bei.
Sexuelle Belästigung auf dem Oktoberfest reicht vom Grabschen bis zur Vergewaltigung.
München - Die sexuellen Attacken auf der Festwiese reichen von verbalen Entgleisungen, Busen grapschen, an den Hintern langen oder im Festzelt unter den Rock fotografieren (Straftatbestand: Beleidigung auf sexueller Grundlage), in den Slip fassen (sexuelle Nötigung) oder wehrlose Betrunkene befummeln (sexueller Missbrauch von Widerstandsunfähigen) bis hin zu exhibitionistischen Handlungen und Vergewaltigungen.
Noch ist das Oktoberfest nicht vorbei – ein Trend, dass die sexuellen Attacken gegen Frauen gestiegen sind, war bis Freitag laut Polizei nicht erkennbar. Die Zahlen sind ähnlich wie im Vorjahr: 2012 wurden 17 Sexualdelikte gezählt, davon waren vier Vergewaltigungen. Heuer wurden zwei Vergewaltigungen angezeigt.
Die Sexdelikte, die außerhalb des Geländes passieren – also auf dem Heimweg – gehen nicht in die Wiesn-Statistik ein. Dort passieren oft schlimmere Delikte. Die Öffentlichkeit, die auf dem Oktoberfest auch einen Schutz darstellt, fällt dann weg.
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