Von wegen Geschäft des Jahres auf dem Oktoberfest in München: In welcher Branche der Wiesn-Motor gehörig stottert

München – Host a Musik? Host aa a Bluetooth?", fragen die Fahrgäste Peter Dittmar manchmal. Und dann geht's los: "Bum bum bum", und er hat ein bisserl Wiesnstimmung mitten in seinem Taxi. Wiesnzeit ist für Taxifahrer halt eine ganz besondere Zeit. "Am 15. April 1983 bin ich das erste Mal in ein Taxi gestiegen", weiß Peter Dittmar noch ganz genau. Mit ein paar Jahren Unterbrechung fährt der 66-Jährige seitdem in München Taxi. Für ihn und seine Kollegen ist die Wiesn eigentlich das Geschäft des Jahres.
Er ist viel in der Stadt unterwegs und nicht auf die Theresienwiese fixiert. "Vor der Pandemie ist man als Taxifahrer nur in Richtung Wiesn unterwegs gewesen und es haben einem Hunderte zugewinkt und Taxi, Taxi! gerufen." Aber dieses Jahr hat er sich schon am ersten Wiesn-Samstag gefragt: "Was is'n des für a Wiesn?, ich verdien ja gar koa Geld."

Hartes Taxi-Geschäft auf der Wiesn: "Wenn die Maß 15 Euro kostet, müssen die Leute woanders sparen"
Wenn sich Dittmar doch mal an den Taxistand an der Hans-Fischer-Straße direkt neben der Wiesn stellen will, stehen dort schon so viele Taxis, dass er sich gar nicht mehr dahinter stellen kann und darf. Ob das an der Konkurrenz durch Anbieter wie Uber liegt? "Schuld ist die wirtschaftliche Situation", vermutet Dittmar.
Zur Wiesnzeit fährt er zwar auch viele Touristen, aber vorwiegend waren es immer schon die Münchner, die sich zur Wiesn und von der Wiesn wieder heimbringen ließen. "Aber wenn eine Maß mit Trinkgeld mehr als 15 Euro kostet, dann müssen die Leute eben woanders sparen." Wie einen stotternden Motor bezeichnet Dittmar die jetzige Wiesn. "Zwei, drei Tage ist es ganz gut gelaufen und gestern bin ich wieder eine Stunde rumgestanden."
Wer es auf die Bavaria schafft, ist noch fit genug fürs Taxi
Wenn betrunkene Fahrgäste kommen, muss Dittmar sie nicht mitnehmen. Leute, die schon stark schwanken, aggressiv sind oder sich schon in die Hose gemacht haben, kann er abweisen. "Aber das musste ich noch nie", erzählt er, "ich hatte immer gute Fahrgäste", erzählt Dittmar. Ärger gab es bei ihm nie. "Vielleicht habe ich die Fähigkeit, zu deeskalieren." Auch übergeben hat sich in seinem Taxi noch niemand.
Vor 20 Jahren gab es den Sicherheitsring rund um die Theresienwiese noch nicht. Da gab es eine Faustregel: man hat sich als Taxler oben bei der Bavaria hingestellt. "Denn Leute, die's da hoch schaffen, sind noch fit genug." Auch heute noch gilt, dass Leute außerhalb des Sicherheitsrings sich in der Regel noch im Griff haben.
Nicht immer lässt sich herausfinden, wo der Fahrgast eigentlich hinwill
Aber die ein oder andere schwierige Situation hat Dittmar trotzdem erlebt. "Einmal stieg ein Brocken von einem Mann ein, legte sich hinten auf die Sitzbank und ich fragte ihn, wo er hin will", erzählt Dittmar lachend. Die Antwort: "Schwntschahö". Auf mehrfache Nachfrage konnte der Taxler die Schwanthalerstraße ausmachen. Aber die Hausnummer war nicht aus dem Mann herauszubekommen.
"Da hat man dann schnell ein Problem", so Dittmar. Denn er kann einen betrunkenen Fahrgast ja schließlich nicht einfach irgendwo absetzen. Manchmal kostet es unheimlich viel Zeit, bis man dann herausgefunden hat, wo jemand hinwill. Zeit, in der man schon zehn andere Fahrten gemacht hätte.
Die Damen im Bordell zahlten dem Taxifahrer aus München eine Provision
Überhaupt braucht es viel Gespür für Menschen. Einmal stieg ein Australier auf der Wiesn bei ihm ein. "Er erzählte, dass er auf dem Klo war und dann seine Freunde nicht mehr gefunden hat." Er hatte nichts dabei, keinen Geldbeutel, nichts, "und ich musste ihm einfach glauben." Der Mann hat auch noch erzählt, dass er am nächsten Tag schon wieder abreise. "Wir sind dann in sein Hotel gefahren und er hat versprochen, an der Rezeption 20 Euro für mich zu hinterlegen, die ich am nächsten Tag abholen soll." Dittmar hat dem Mann vertraut und das Geld am nächsten Tag bekommen.
Früher hat er auch viele Männer ins Bordell gefahren. Die Damen, die dort arbeiteten, versorgten die Taxler mit Süßigkeiten. Und wenn sie einen Kunden dort ablieferten, bekamen die Taxler eine Provision. "Damals war ich heiß auf das Geld", erzählt Dittmar.
Seit sieben Jahren kein Wiesnbesuch: "Bin der Typ, der nach drei Maß den Kopf auf den Tisch legt"
Aber inzwischen macht er das nicht mehr, denn er hat kein gutes Gefühl dabei, Leute dort abzuliefern. "Am Ende werden sie dann finanziell abgezogen und in der nächsten Woche müssen sie es ihren Ehefrauen beichten." Heute fährt er Männer nur noch ins Bordell, wenn sie gezielt dort hin wollen und ihm das konkrete Bordell nennen.
Aber die meisten Fahrgäste wollen nach der Wiesn einfach heim. Dittmar kann's verstehen. Er selbst war zuletzt vor sieben Jahren auf der Wiesn. "Ich bin der Typ, der nach drei Maß den Kopf auf den Tisch legt und jemanden braucht, der dann auf mich aufpasst." Deshalb geht er selbst gar nicht mehr auf die Wiesn, er mag sich nicht besaufen.
Abschiedsworte eines Taxifahrers: "Man sieht sich immer zwei Mal im Leben"
Aber Taxifahren ist was anderes. Selbst wenn diese Wiesn geschäftstechnisch eher zäh ist, gibt es immer wieder schöne Situationen. Am ersten Wiesnsonntag zum Beispiel fuhr er auf der Schwanthalerstraße neben einem Rikschafahrer her. Da fragt ihn der, ob er denn frei sei. Denn der Rikscha-Fahrgast wollte nach Penzberg. Eine Strecke, die den Radl-Rahmen dann doch sprengen würde. "Der Fahrgast hat sich mehrfach bedankt, war glücklich, und ich habe gut verdient."
Und das ist es auch, was Dittmar an seinem Job liebt. Auch wenn's mal ein bisserl zäh ist, führt er selbst die Regie, hat mit seinen Fahrgästen eine gute Zeit und dann steigen sie aus und er sieht sie nie wieder. Trotzdem sagt er ihnen zum Abschied: "Man sieht sich immer zwei Mal im Leben!" Wahrscheinlich ist das genau die richtige Einstellung, nicht nur fürs Taxifahren, sondern fürs ganze Leben.