Von der Wiesn auf den Gipfel

Tamara Lunger hat heuer zum ersten Mal im Weinzelt bedient. Sonst ist sie weiter oben anzutreffen: Sie besteigt gern Achttausender
Auch das Bedienen im Weinzelt ist eine Herausforderung. Aber Herausforderungen sind Tamara Lungers Antrieb. Wo andere Menschen Muffensausen bekommen, bekommt sie strahlende Augen. „Ich habe es immer geliebt, mich auszupowern – so, dass es richtig anstrengend ist“, sagt die Südtirolerin.
Und damit meint sie nicht eine extra lange Joggingrunde, obwohl die 27-Jährige auch klassische Sportarten nicht scheut: Als Teenager war sie zweimalige Italien-Meisterin im Diskuswerfen. Aber ihre Sehnsucht gehört den Bergen. Und die können gar nicht hoch genug sein.
„Mit 15 habe ich angefangen, Skitouren zu gehen, obwohl ich noch gar nicht skifahren konnte“, sagt Lunger. „Das war echt anstrengend – ich bin dabei geblieben.“ Erfolgreich: Als Mitglied der italienischen Nationalmannschaft holte sie mehrere große Titel, 2006 und 2008 war sie Italien-Meisterin. Berge hat sie schon als kleines Mädchen erklommen, der Papa ist begeisterter Kletterer.
Heute bewirtschaften ihre Eltern eine Schutzhütte in Südtirol, wo Tamara Lunger gerne noch mithilft. Wenn sie nicht gerade auf Expedition ist. „Mit 15 las ich einen Zeitungsartikel über die erste italienische Frau, die ohne Sauerstoff den Mount Everest bestiegen hat“ – und die Faszination war da.
„Da muss einfach alles stimmen, von der Ausrüstung über die Kondition bis zur Psyche.“ 2009 fragt sie ein befreundeter Bergsteiger, ob sie ihn begleiten würde auf den Cho Oyu – einen Achttausender im Himalaya. „Ich habe geschrien vor Freude, Das war der schönste Tag in meinem Leben. Meine Mutter sagte nur: Mit dir stimmt was nicht.“
Zwei Wochen vor ihrem 23. Geburtstag verwirklicht sich ihr Traum. Die Tour ist so anstrengend, dass Tamara Lunger nichts mehr spürt, sich von außen sieht. Als sie von oben ihrer Mutter per Satellitentelefon eine SMS schreiben will, trifft sie die Tasten nicht mehr. Tamara ist glücklich: „So etwas Anstrengendes hatte ich noch nie gemacht.“
Es bleibt nicht ihr letzter Achttausender. Ein bis zwei große Expeditionen macht die Weinzelt-Bedienung pro Jahr. „Wenn ich allein in der Natur unterwegs bin, geht mir viel durch den Kopf: Wo stehe ich im Leben, was habe ich erreicht? Andere in meinem Alter haben vielleicht einen Doktortitel. Aber diese Erfahrungen, die ich mache, die sind so intensiv und lehren mich so viel. Das erlebt nicht jeder.“
Einen Berg besteigt sie nie zweimal, „jeder ist seine eigene Erfahrung“. Ins Weinzelt aber will sie nächstes Jahr gern wieder kommen.