Unterwegs mit der Wiesnstreife: Halbmarathon über die Wiesn
München - Der junge Mann aus Italien hat zweifelsohne ein paar Maß zu viel getrunken und dazu noch jede Menge Temperament. Das bekommt die Toilettenfrau hinter dem Weinzelt zu spüren. Ihrer Kundschaft geht der Schreihals auch auf die Nerven. Sie rufen die Polizei.
Ein Beamter nimmt den wild gestikulierenden Italiener beinahe freundschaftlich an der Hand und redet auf ihn ein. Der Polizist aus München spricht kein Italienisch, der Tourist kein Deutsch. Kommunikation schwierig. Oberkommissar Stefan (41), der Gruppenführer der Wiesnstreife, findet trotzdem den richtigen Ton: "Gestritten wird hier nicht, du gehst jetzt nach Hause, finito".
Alle Wiesnstreifen haben mindestens eine Frau im Team
Es grenzt an ein kleines Wunder, aber es funktioniert. Der nicht mehr ganz standfeste Italiener trollt sich. Seine beiden Freunde nehmen ihn in die Mitte, gemeinsam wanken sie in Richtung Ausgang. "Na bitte, geht doch", sagt Stefan zufrieden, "man muss nur den richtigen Ton treffen, das ist die ganze Kunst."
Kaum hat sich die Gruppe, sechs Männer und eine Frau, wieder formiert, kommt ein älterer Herr in Tracht auf die Beamten zu. "Vor dem Geisterpalast steht ein Mädchen mit Downsyndrom. Sie hat im Gedränge ihre Eltern verloren", erzählt er. Paulina, 25 Jahre alt und Polizeimeisterin, kümmert sich um sie, fragt, ob sie ein Handy hat, eine Kontaktnummer oder Ähnliches. Von Frau zu Frau redet es sich viel entspannter, deshalb haben alle Wiesnstreifen immer mindestens eine Frau im Team.
Illegaler Drohnenflug über dem Oktoberfest
Plötzlich muss sich die Gruppe aufteilen. Während sich einige Beamte weiter um das Mädchen kümmern, startet schon der nächste Einsatz: Ein Wachmann meldet eine Flugdrohne über dem Geisterpalast. Stefan und drei Beamte rennen auf die Rückseite der Geisterbahn. Doch vom Drohnenpiloten ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Die Drohne ist auch weg. Aus gutem Grund, wer erwischt wird in der Flugverbotszone, zahlt ein saftiges Bußgeld.
"Das ist heute noch ein ruhiger Tag, nichts was bei uns den Puls hochtreibt", sagt der Oberkommissar und lacht dabei übers ganze Gesicht. Die meisten, die am Donnerstagnachmittag auf der Wiesn unterwegs sind, sind völlig entspannt. Es ist warm, die Sonne scheint und alle sind gut drauf. "Ich glaube, es sind weniger Besoffene unterwegs als in früheren Jahren", sagt Sebastian (31) und Polizeiobermeister.
Manche Besucher wollen ein Foto mit den Polizisten
Ein Mädchen im Dirndl kuschelt sich regelrecht an die Wiesn-Truppe. "Dürfen wir ein Foto mit euch machen", fragt Luisa. Sie ist mit ihrem Freund, ihren Eltern und der Oma auf der Wiesn. "Ihr macht einen echt tollen Job", lobt sie die Beamten. Im Hintergrund meldet sich der Vogeljakob zu Wort: "Ihr seids spitze", ruft er, "ohne eich gab's de Wiesn ned."

Zu siebt quetschen sich die Polizisten in das kleine Häusl vom Vogelpfeifer. Drei gut aufgelegte Herren aus Italien betteln regelrecht darum, festgenommen zu werden. Für ein bisserl Spaß ist auf der Wiesn meist doch noch Zeit.

Die Polizisten beim "Hau den Lukas"
Der Chef vom "Hau den Lukas" lädt die Beamten ein, den Hammer zu schwingen. Bei Sebastian saust das Gewicht nicht ganz so hoch, beim Kollegen Marco klingelt es zweimal. "Da hast mich ganz schön alt aussehen lassen", frotzelt der Polizeiobermeister. Die sieben kennen sich gut, sind bei der 14. Hundertschaft im Präsidium München ein Team und auf dem Oktoberfest 17 Tage im Einsatz.
20 Kilometer an einem Tag
Gut 20 Kilometer sind sie am Mittwoch über die Wiesn gelatscht. Am Donnerstag etwas weniger, weil sie den AZ-Reporter im Schlepptau hatten. Am Freitag sind sie wieder auf der Wiesn unterwegs. Abends bis 22 Uhr geht ihre Schicht. Dann wird's stressiger, denn je später, umso mehr Leute sind unterwegs und umso mehr Promille sausen durchs Blut.
Gerauft wird auf der Wiesn noch immer vor allem abends. Aber weniger als früher, zumindest war es so in der ersten Woche. Abwarten, ob es so bleibt.
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