Unsere Oktoberfest-Wehmut: Was wir vermissen im zweiten wiesnlosen Jahr
An diesem Samstag wäre das Oktoberfest losgegangen. Doch was ist heuer schon normal? Die AZ schwelgt deshalb in der Erinnerung an vergangene Zeiten auf der Theresienwiese.
Feucht, fröhlich, gemütlich

Im Garten vorm Herzkasperlzelt in die untergehende Sonne zu blinzeln, nicht zu wissen, ob der angenehme Frühabend-Schwindel vom Calypso-Fahren eben kommt oder vom eiskalten Bier im Stoa - gibt's was Schöneres? (Nebenbei: Wer den Einfall hatte, auf der Oidn Wiesn Steinkrüge zu verwenden, dem gebührt ein Denkmal!). Hier lässt sich die Idee bayerischer Gemütlichkeit am besten erahnen. Und lustig ist's auch. Nicht nur, weil gesungen und geratscht wird. Unvergessen ist ein Anzapfen in der Schönheitskönigin, bei dem Landtagspräsidentin Ilse Aigner nicht nur sich selbst, sondern die ersten Reihen samt AZ-Fotograf Bernd Wackerbauer (der das obige Bild machte) geduscht hat. Sein Janker war tags drauf noch nass.
Michael Schilling
Bis zum Ende

Als Wiesnreporter ist man am letzten Tag des Oktoberfests komplett am Ende. 16 Tage Bier, Hendl, Lärm, und Karussellfahrten hinterlassen ihre Spuren, und so schleppte ich mich am 6. Oktober 2019 mit letzter Kraft zu meinem letzten offiziellen Wiesntermin: dem Kehraus der Stadt. Hier versammeln sich nach der Wiesn Journalisten, Sanitäter, Stadträte und Organisatoren, um das Fest ausklingen zu lassen. Die Stimmung war recht gut - aber "gut", wie Überlebende eines Schiffunglücks sich nach der Rettung "gut" fühlen. Als ich mich von dort auf den Weg nach Hause über die Theresienwiese machte, um erstmal 24 Stunden zu schlafen, zog die ganze Wiesn-Magie noch einmal an mir vorbei. Das kann es doch nicht gewesen sein, sagte ich mir. So will ich die Wiesn nicht beenden! Also ging ich zurück. Kehraus im Paulaner mit Wunderkerzen und dann eine letzte Kettenkarussellfahrt, unter mir die glitzernde, leuchtende Wiesn. Danach war ich erstmal zwei Wochen krank. Im nächsten Jahr werde ich es genauso wieder machen.
Paul Nöllke
Eine Zauberwelt

Der Geruch von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln - welch süßer Duft, der in meinem Kopf die Wiesn-Erinnerungen der Kindheit wachruft. Es waren die späten 60er Jahre, als ich mit meinen Eltern diese Zauberwelt zum ersten Mal betrat. Der Beginn einer lebenslangen Liebe, der Liebe zu Münchens großem Volksfest. Neben den Süßigkeiten entwickelte ich schnell eine Leidenschaft fürs Karussellfahren. Hatte ich einmal den Platz im Feuerwehrauto ergattert, den begehrtesten von allen, so stieg ich nicht mehr aus. Auf keinen Fall. Damit das Glück anhielt, löste Mama oder Papa immer wieder aufs Neue eine Fahrkarte für mich. Sie waren geduldig - und ich wiesnselig für ein paar weitere Runden.
Clemens Hagen
Das Teufelsrad

Ich vermisse es sehr! Ob mit Kindern, Freunden oder Kollegen, im Teufelsrad kann man viel über seine Mitmenschen lernen. Schüchterne setzen sich souverän auf die drehende Scheibe, Ellbogen-Rambos werden trotzdem weggefegt - und Spaßbremsen entwickeln auf einmal Kampfgeist. Das wird wirklich niemals langweilig!
Ruth Frömmer
Die erste Maß
Mehr als mäßig eingeschenkt und dann auch noch alles andere als ein Schnäppchen: Aber egal - sobald ich die erste Wiesn-Maß in der Hand halte, ist alles vergessen, dann gibt's nur noch den Krug und mich. Einige weitere Liter folgen meist in den nächsten Tagen - auch weil man mich hauptsächlich im Zelt oder Biergarten findet, wenn man mich denn auf der Theresienwiese sucht. Hoff mas, dass es nächstes Jahr endlich wieder so weit sein wird.
Michael Schleicher
Ude otrachtelt - so kam's

Auch Alt-OB Christian Ude (der ab 1993 exakt 20 Mal die Wiesn ozapft hat; nur 2001 wegen 9/11 nicht), schwelgt in Erinnerungen. In einer aktuellen Folge seiner "Münchner Momente"-Videos auf Facebook erzählt er, wie es dazu kam, dass er - nach zweimaligem Anzapfen im grauen Alltagsanzug mit Krawatte - 1995 erstmals in Lederhosn zum Schlegel griff. Nach einer bierseligen Sonntagsradltour durchs Isartal, die zu Füßen des Chinaturms endete, sei ihm eine junge Anwältin begegnet. Als OB mache er sich ja nicht schlecht, habe die gesagt. Aber wie er auf der Wiesn angezogen sei! Unterirdisch! Grottenhässlich! Ein Bayer habe ein bayerisches Volksfest in der Lederhosn zu eröffnen.

"Ich? Der Schwabinger Intellektuelle? Als Bauerntrampel? Völlig unmöglich", habe Ude erstmal gedacht. Nur sei er der Dame wenige Tage vor Wiesnbeginn wieder in die Arme gelaufen, in der Fußgängerzone. "Und? Host da scho a Lederhosn kafft?" Sie habe ihn am Arm gepackt und zum Lodenfrey geschleppt. "Allein die Hosenträger haben mich 180 Mark gekostet", erzählt Ude. Als dann auch noch Gabi Weishäupl, die damalige Wiesnchefin, auf der Pressekonferenz der Stadt als "Neuerung des diesjährigen Oktoberfests" ankündigte, dass der Oberbürgermeister endlich "eine gscheide Hosn" tragen würde, gab es kein Zurück. Seither, schließt Ude schmunzelnd, sei es "allgemein üblich", die Wiesn in Tracht aufzusuchen. "Und ich find, es schaut ned amal schlecht aus."
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