Unsere Oktoberfest-Wehmut: Was wir vermissen im zweiten wiesnlosen Jahr

Schon das zweite Jahr in Folge muss München ohne das Oktoberfest auskommen. An was sich die Mitglieder der AZ-Redaktion gerne erinnern.
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Da kann man schon wehmütig werden: Blick über die letzte Wiesn, aufgenommen aus dem Riesenrad.  (Archivbild)
Da kann man schon wehmütig werden: Blick über die letzte Wiesn, aufgenommen aus dem Riesenrad. (Archivbild) © Tobias Hase/dpa

An diesem Samstag wäre das Oktoberfest losgegangen. Doch was ist heuer schon normal? Die AZ schwelgt deshalb in der Erinnerung an vergangene Zeiten auf der Theresienwiese.

Feucht, fröhlich, gemütlich

Aigner zapft an: Originalaufnahme.
Aigner zapft an: Originalaufnahme. © Bernd Wackerbauer

Im Garten vorm Herzkasperlzelt in die untergehende Sonne zu blinzeln, nicht zu wissen, ob der angenehme Frühabend-Schwindel vom Calypso-Fahren eben kommt oder vom eiskalten Bier im Stoa - gibt's was Schöneres? (Nebenbei: Wer den Einfall hatte, auf der Oidn Wiesn Steinkrüge zu verwenden, dem gebührt ein Denkmal!). Hier lässt sich die Idee bayerischer Gemütlichkeit am besten erahnen. Und lustig ist's auch. Nicht nur, weil gesungen und geratscht wird. Unvergessen ist ein Anzapfen in der Schönheitskönigin, bei dem Landtagspräsidentin Ilse Aigner nicht nur sich selbst, sondern die ersten Reihen samt AZ-Fotograf Bernd Wackerbauer (der das obige Bild machte) geduscht hat. Sein Janker war tags drauf noch nass.
Michael Schilling

Bis zum Ende

Der Wiesn-Kehraus 2019.
Der Wiesn-Kehraus 2019. © picture alliance/dpa

Als Wiesnreporter ist man am letzten Tag des Oktoberfests komplett am Ende. 16 Tage Bier, Hendl, Lärm, und Karussellfahrten hinterlassen ihre Spuren, und so schleppte ich mich am 6. Oktober 2019 mit letzter Kraft zu meinem letzten offiziellen Wiesntermin: dem Kehraus der Stadt. Hier versammeln sich nach der Wiesn Journalisten, Sanitäter, Stadträte und Organisatoren, um das Fest ausklingen zu lassen. Die Stimmung war recht gut - aber "gut", wie Überlebende eines Schiffunglücks sich nach der Rettung "gut" fühlen. Als ich mich von dort auf den Weg nach Hause über die Theresienwiese machte, um erstmal 24 Stunden zu schlafen, zog die ganze Wiesn-Magie noch einmal an mir vorbei. Das kann es doch nicht gewesen sein, sagte ich mir. So will ich die Wiesn nicht beenden! Also ging ich zurück. Kehraus im Paulaner mit Wunderkerzen und dann eine letzte Kettenkarussellfahrt, unter mir die glitzernde, leuchtende Wiesn. Danach war ich erstmal zwei Wochen krank. Im nächsten Jahr werde ich es genauso wieder machen.
Paul Nöllke

Eine Zauberwelt

Clemens Hagen als Bub.
Clemens Hagen als Bub. © privat

Der Geruch von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln - welch süßer Duft, der in meinem Kopf die Wiesn-Erinnerungen der Kindheit wachruft. Es waren die späten 60er Jahre, als ich mit meinen Eltern diese Zauberwelt zum ersten Mal betrat. Der Beginn einer lebenslangen Liebe, der Liebe zu Münchens großem Volksfest. Neben den Süßigkeiten entwickelte ich schnell eine Leidenschaft fürs Karussellfahren. Hatte ich einmal den Platz im Feuerwehrauto ergattert, den begehrtesten von allen, so stieg ich nicht mehr aus. Auf keinen Fall. Damit das Glück anhielt, löste Mama oder Papa immer wieder aufs Neue eine Fahrkarte für mich. Sie waren geduldig - und ich wiesnselig für ein paar weitere Runden.
Clemens Hagen

Das Teufelsrad

Das Teufelsrad: Hier gehts rund!
Das Teufelsrad: Hier gehts rund! © picture alliance/dpa

Ich vermisse es sehr! Ob mit Kindern, Freunden oder Kollegen, im Teufelsrad kann man viel über seine Mitmenschen lernen. Schüchterne setzen sich souverän auf die drehende Scheibe, Ellbogen-Rambos werden trotzdem weggefegt - und Spaßbremsen entwickeln auf einmal Kampfgeist. Das wird wirklich niemals langweilig!
Ruth Frömmer

Die erste Maß

Mehr als mäßig eingeschenkt und dann auch noch alles andere als ein Schnäppchen: Aber egal - sobald ich die erste Wiesn-Maß in der Hand halte, ist alles vergessen, dann gibt's nur noch den Krug und mich. Einige weitere Liter folgen meist in den nächsten Tagen - auch weil man mich hauptsächlich im Zelt oder Biergarten findet, wenn man mich denn auf der Theresienwiese sucht. Hoff mas, dass es nächstes Jahr endlich wieder so weit sein wird.
Michael Schleicher

Ude otrachtelt - so kam's

Und so schaut sie aus, Christian Udes erste Wiesn-Lederhose 1995.
Und so schaut sie aus, Christian Udes erste Wiesn-Lederhose 1995. © AZ

Auch Alt-OB Christian Ude (der ab 1993 exakt 20 Mal die Wiesn ozapft hat; nur 2001 wegen 9/11 nicht), schwelgt in Erinnerungen. In einer aktuellen Folge seiner "Münchner Momente"-Videos auf Facebook erzählt er, wie es dazu kam, dass er - nach zweimaligem Anzapfen im grauen Alltagsanzug mit Krawatte - 1995 erstmals in Lederhosn zum Schlegel griff. Nach einer bierseligen Sonntagsradltour durchs Isartal, die zu Füßen des Chinaturms endete, sei ihm eine junge Anwältin begegnet. Als OB mache er sich ja nicht schlecht, habe die gesagt. Aber wie er auf der Wiesn angezogen sei! Unterirdisch! Grottenhässlich! Ein Bayer habe ein bayerisches Volksfest in der Lederhosn zu eröffnen.

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Hier nochmal mit Silja Schrank-Steinberg als Münchner Kindl.
Hier nochmal mit Silja Schrank-Steinberg als Münchner Kindl. © AZ

"Ich? Der Schwabinger Intellektuelle? Als Bauerntrampel? Völlig unmöglich", habe Ude erstmal gedacht. Nur sei er der Dame wenige Tage vor Wiesnbeginn wieder in die Arme gelaufen, in der Fußgängerzone. "Und? Host da scho a Lederhosn kafft?" Sie habe ihn am Arm gepackt und zum Lodenfrey geschleppt. "Allein die Hosenträger haben mich 180 Mark gekostet", erzählt Ude. Als dann auch noch Gabi Weishäupl, die damalige Wiesnchefin, auf der Pressekonferenz der Stadt als "Neuerung des diesjährigen Oktoberfests" ankündigte, dass der Oberbürgermeister endlich "eine gscheide Hosn" tragen würde, gab es kein Zurück. Seither, schließt Ude schmunzelnd, sei es "allgemein üblich", die Wiesn in Tracht aufzusuchen. "Und ich find, es schaut ned amal schlecht aus."

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14 Kommentare
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  • Fluxxus am 18.09.2021 18:43 Uhr / Bewertung:

    Mir liegt patriotisches spalterisches Gehabe eher fern und ich pflege einen freundlichen, respektvollen Umgangston gegenüber meinen Mitmenschen, auch wenn sie anderer Meinung sind. So habe ich das in meiner norddeutschen Heimat mal gelernt. Ach ... und Marschmusik gehört auch nicht gerade zu meinen bevorzugten Musikstilen.

  • Sarah-Muc am 18.09.2021 13:23 Uhr / Bewertung:

    Man könnte die Theresienwiese das ganze Jahr über nutzen mit kreativen Events.
    Wir haben in Bayern soviele megageile Craftbierbraueren - die könnten dort man
    ihre schmackhaften Kreationen vorstellen. Es könnte bayerische Unternehmen ihre
    neuen Produkte die mit dem Thema Klimawandel zu tun haben vorstellen, Unis ihre
    Forschungsergebnisse auf allen möglichen Sektoren und und und.
    Man könnte auch einen Bereich mit Fahrgeschäften einrichten - die dann monatlich
    wechseln.
    Und da gibts sicher Leute , die viel viel mehr Ideen als ich haben.
    Und der Platz wäre nicht 11 Monate im Jahr einfach nur greislich.

  • Fluxxus am 18.09.2021 13:23 Uhr / Bewertung:

    Als vor 30 Jahren zugroasta Isarpreiß empfand ich die Wiesn immer als eine touristisch exotische Angelegenheit, auf die ich persönlich verzichten kann. Das jährliche Frühlingsfest auf der Wiesn mit seinen beiden Feuerwerken vermisse ich eher. Oder auch das Sommerfest im Olympiapark. Veranstaltungen, die derzeit ebenso von den Maßnahmen betroffen sind. Vielleicht könnte man die Theresienwiese künftig mehr als Freizeitwiese für die junge einheimische Bevölkerung nutzen, ähnlich dem ehemaligen Flughafengelände Berlin-Tempelhof. Auch um die innerstädtischen Feier-Hotspots Isar, Gärtnerplatz und Co. zu entzerren.

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