Und plötzlich im Halbdunkel

Unsere tägliche Wiesngängerin erzählt, wie es ist, wenn sich der Abend dem Ende zuneigt.  
von  Laura Kaufmann
Unsere Wiesn-Reporterin über den Abendlichen Heimweg!
Unsere Wiesn-Reporterin über den Abendlichen Heimweg! © az/dpa

Unsere tägliche Wiesngängerin erzählt, wie es ist, wenn sich der Abend dem Ende zuneigt.

Die Frau, die vor mir hergeht, hat einmal viel Zeit in ihr Styling investiert. Faltenlose Jacke, Feder am Hut, die zu den Schuhen passt. Schön ist sie sicher auch, jedenfalls hat sie einen stolzen Gang. Nur einer ihrer Kniestrümpfe, der ist ihr runter zum Knöchel gerutscht. Es ist halt schon spät. Versehrt sieht sie jetzt aus, wie ein angeschossenes Reh.

Das Licht ist schon ausgegangen in den Zelten. Viel zu früh, während ich gerade gemütlich ratschend in einer Boxe saß. Auf einmal sitzt man im Halbdunkeln, gerade warmgetrunken – und dann soll es vorbei sein. Mit einem Schwall Menschen schwappt man auf die Wirtsbudenstraße. Die hat sich mittlerweile in einen Fleckerlteppich verwandelt, Servietten von Ochsenfetznsemmeln und Schokofrüchten bedecken in klebriger Einigkeit den Asphalt. Jetzt teilt sich der Schwall Menschen in zwei Gruppen: Die einen bewegen sich in haarsträubenden Ausfallschritten fort. Schwankend, mit leerem Blick. Die anderen bewegen sich in gezielten Ausfallschritten fort. Immer schön den Schwankenden ausweichend. Wer zur zweiten Gruppe gehört, gehört morgen früh zu den Gewinnern.

Jetzt muss man sich höllisch konzentrieren, denn die Ausfallschritte der Schwankenden sind nicht vorhersehbar. Der junge Mann mit Jeans auf Halbmast zum Beispiel taumelt mit einem Schritt in einen Besucher hinein, mit dem nächsten verliert er sein Handy, dann fällt er bei dem Versuch, es aufzuheben, wieder hin. Schachmatt. Sein Heimweg dürfte noch länger dauern.

Hinter dem „Auf Wiedersehen“-Schild bleiben einige Pärchen stehen und knutschen. Vielleicht drücken sie sich noch vor der Zu-dir-oder-zu-mir-Frage, die ja mit einer Abfuhr enden könnte. Der Rest wankt, schwankt, taumelt, geht heim. Servus Wiesn. Zumindest für ein paar Stunden.

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