Udes Frühstart mit Wehmut
München Ein „Prooooosit“ hallt es durch das Zelt, und Tausende schwenken beschwingt die Bierkrüge. Nur einer lehnt versonnen auf der Balustrade und schaut dem heiteren Treiben beim Schottenhamel melancholisch zu. Christian Ude, der sonst so spaßige OB. „Es geht mir prächtig“, sagt er ernst und seufzt: „Die Wehmut wird während des Festes kommen und die Tränen am Ende.“
Nach 20 Jahren ist es seine letzte Wiesn als OB. „Sechs, fünf, vier ...“ grölen vorher die Durstigen im Zelt die Sekunden bis zum Anzapfen – und „Ozapft is“ schreit Ude dazwischen. Vor lauter Aufregung – zu früh. Um vier Sekunden! Wie konnte dem Makellosen das passieren? „Das ist die Peinlichkeit der Perfektion“, gesteht er nachher der AZ: „Ich habe 19 Jahre lang immer zehn Sekunden vorher angefangen. Doch jetzt musste ich niemanden wegschieben, der mir im Weg stand. Da war ich früher fertig. Zwei Schläge, dann war der Kas gebissen.“ Kein Rekordversuch.
Könnte er es denn mit einem Schlag? „Ich trau’ ihm alles zu“, sagt schmunzelnd Ministerpräsident Horst Seehofer neben ihm, dem die erste Wiesn-Maß gebührt. Und dann: Udes letzter Weg auf den Rats-Balkon. Zum letzten Mal der Ehrenplatz. Ude (SPD) kommt schnell durch. Seehofer (CSU) dagegen geht – wie ein Fürst Hof haltend – bedächtig durchs Zelt. Hier Hände schütteln, dort eine kleine Plauderei. Gejohle, als sich die beiden nebeneinander auf dem Balkon zeigen. Da merkt man nichts davon, dass der Rote und der Schwarze bis vor einer Woche erbitterte Wahlkampfgegner waren.
Jetzt, da alles vorbei ist, streichelt der Landesvater jovial Udes Seele: „Wenn jemand 20 Jahre das mit dieser Professionalität macht, gebührt ihm Respekt und Dankbarkeit, dass er die Wiesn immer so hervorragend eröffnet.“ Die beiden können miteinander, das merkt man. „Wir haben uns immer respektiert, dann geht man anständig miteinander um“, stellt Seehofer klar: „Da fällt einem doch kein Zacken aus der Krone, sauber und menschlich miteinander umzugehen. Wir waren nie Feinde.“ Das meint er auch so. Ude genießt es.
Drei schauen die Szene aufmerksam an: „Der Seppi“ (Schmid, CSU), „der Dieter“ (Reiter, SPD) und „die Nallinger“ von den Grünen. Wer von ihnen zapft die nächste Wiesn an? „Ich!“ sagen die drei OB-Kandidaten im Brustton der Überzeugung. Sabine Nallinger sagt: „Es wird Zeit, dass die 181. Wiesn von einer Frau eröffnet wird!“ Und dann prahlen sie, welches Fest sie schon mit zwei oder drei Schlägen eröffnet haben. Ude schaut davon ungerührt ein letztes Mal auf „sein“ Volk und erzählt, dass der letzte Schlegel „einen Ehrenplatz in unserer Wohnung bekommen wird“.