Tiere auf der Wiesn: Tradition oder Tierquälerei?

Ob Bierkutschen oder Mäusezirkus: Eine Wiesn ohne Tiere gab's noch nie. Wichtige Tradition oder veraltete Tierquälerei?
Katrin Kastenmeier |
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Ludwig "Luggi" Käser ist stolz auf seine starken Brabanter.
Angelika Warmuth 4 Ludwig "Luggi" Käser ist stolz auf seine starken Brabanter.
Inhaberin Susanne Bruck-Plexnies in ihrem Mäusezirkus.
Angelika Warmuth 4 Inhaberin Susanne Bruck-Plexnies in ihrem Mäusezirkus.
Flohdompteur Robert Birk präsentiert seine kleinen Artisten.
Angelika Warmuth 4 Flohdompteur Robert Birk präsentiert seine kleinen Artisten.
Luise Schubert mit ihrem Pony auf der eigenen Wiesn-Koppel.
Angelika Warmuth 4 Luise Schubert mit ihrem Pony auf der eigenen Wiesn-Koppel.

München - Mit dem Einzug der Wiesn-Wirte und ihren prachtvollen Brauereigespannen startet traditionell das Oktoberfest.

Neben Achterbahn und Rosenschießen haben auch tierische Attraktionen Tradition auf der Wiesn. Der Mäuse- und Flohzirkus sind ein wahrer Wiesnklassiker, die Ponyreitbahn lässt Kinderherzen höher schlagen. Aber ist das gute Tradition oder Tierquälerei?

Die AZ hat beide Seiten zu Wort kommen lassen und zeigt auch, wie viel Verantwortung die Schausteller für ihre Tiere übernehmen.

Verhaltensstörungen bei Ponys, apathische Mäuse

Der Tierschützer und Referent für Nachhaltigkeit Viktor Gebhart beobachtet die Münchner Volksfeste schon seit Jahren. "Ich habe immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz dokumentiert, Anzeige erstattet und die Politik informiert", so Gebhart.

Die Liste der Tierschutzvergehen sei bekannt und werde seitens der Stadtpolitik immer noch geduldet. Verhaltensstörungen bei Ponys, apathische Mäuse und unnötige Dressuren im Flohzirkus seien nur ein Auszug aus dem Alltag eines Schaustellertiers.

Nach Gebhart sind Volksfeste kein Spaß für Tiere. "Laute Musik, grelle Lichteffekte umliegender Fahrgeschäfte und der ständige Besucherlärm" schaffen laut dem Tierschützer unwürdige Umstände. Er legt Besuchern ans Herz, die Tierattraktionen zu meiden.

Volksfeste sind kein Spaß für Tiere

Für künftige Generationen sei es kein wertvolles zu übermittelndes Bild auf "Ponys im Kreis zu reiten, Flöhe und Mäuse zu Kunststücken zu nötigen und Brauerei-Pferde als Zugmaschinen zu missbrauchen".

Auch die Tierschutzorganisation Peta, setzt sich seit Jahren gegen den tierischen Einsatz in der Unterhaltungsbranche ein. Sprecher Peter Höffken sieht vor allem die Brauereikutschen als problematisch an. In den vergangenen Jahren habe die Organisation mehrere konkrete Haltungsmissstände angezeigt. "Ein generelles Umdenken fand deswegen allerdings noch nicht statt."

Tierschützer fordern generelles Tierverbot auf der Wiesn

Laut Höffken wird das Leid der Tiere immer noch aus wirtschaftlichen Gründen sowie aus einem falsch verstandenen Traditionsbewusstsein weiterhin bewusst toleriert.

Die Tierschützer sind sich also einig: Sie fordern ein generelles Tierverbot auf dem Oktoberfest. Dies sei der einzige, zeit- und kostengünstige Weg, echten Tierschutz zu garantieren.

Die AZ hat die Schausteller und ihre Tiere besucht. Diese stellen ihre Viercherl vor und zeigen, wie sich der Oktoberfest-Alltag auf ihre Stars auswirkt.

Bierkutsche

"Hüa" tönt es laut vom Kutschbock des Sechsergespanns vor dem Hofbräuzelt. Zwischen Ludwig Käser und seinen sechs Kaltblütern herrscht blindes Vertrauen. "Ich lenke die Tiere nur mit meiner Stimme, da brauchen wir keine Peitschen oder Gewalt", sagt der Landwirt. Daheim in Garmisch stehen die starken Brabanter normalerweise in einem großen Offenstall mit Weiden – während dem Oktoberfest fühlen sie sich in den Stallungen des Circus Krone wohl. "Unseren Pferden geht es hier hervorragend, ehrlich gesagt genießen sie die viele Aufmerksamkeit sogar", so Käser.

Beim Wiesneinzug seien sie so stolz über den Bavariaring stolziert, als wüssten sie genau, dass gerade für sie applaudiert wird. "Wir machen das hier nicht nur aus Tradition, denn diese ist wandelbar", erklärt Käser. Für die Tiere sei es eine genauso positive Abwechslung, wie für die Zuschauer. "Wenn sich die Pferde hier nicht wohlfühlen würden, wäre es unmöglich, sie jedes Jahr wieder in den Hänger zu bekommen.

Ludwig "Luggi" Käser ist stolz auf seine starken Brabanter.
Ludwig "Luggi" Käser ist stolz auf seine starken Brabanter. © Angelika Warmuth

Mäusezirkus

Zwischen Riesenrädern, Kletterseilen und bunten Laufrädern turnen 300 weiße und zehn schwarze Mäuse. Inhaberin Susanne Bruck-Plexnies steht seit 1988 mit ihrem Mäusezirkus auf dem Oktoberfest. Besucher sehen hier keine dressierten Mäuse, die zum Spielen gezwungen werden. "Der Name kommt lediglich daher, weil sich die Tiere in einer Zirkusumgebung austoben dürfen", sagt Bruck-Plexnies. Für die Mäuse eine alltägliche Situation.

Weil die Tiere eher nachtaktiv sind, herrsche abends eine besondere Dynamik in den großen Schaukästen. "Das ist einfach der natürliche Bewegungsdrang einer Maus, da ist keine von uns gedopt". Die Tiere kommen alle aus der selben Zucht, laut der Inhaberin vergleichbar mit einer "großen Familie, die im selben Haus wohnt". Daher habe die Mäusechefin auch eine besondere Verantwortung für ihre große Familie. "Wenn die Tiere unter diesen Umständen tatsächlich leiden würden, könnte ich nicht mit mir vereinbaren, seit 30 Jahren auf der Wiesn zu stehen."

Inhaberin Susanne Bruck-Plexnies in ihrem Mäusezirkus.
Inhaberin Susanne Bruck-Plexnies in ihrem Mäusezirkus. © Angelika Warmuth

Flohzirkus

Mit seinen rund 70 Flohdamen ist Robert Birk gut beschäftigt. "Die Lebensaufgabe eines Flohs ist die Futtersuche", erklärt der Inhaber. Da Flöhe nicht dressiert werden können, muss Birk sie allein durch Beobachtung in Springer und Läufer einteilen. Tiere, die sich im Training befinden oder eine Vorstellung haben, müssen deshalb intensiv gefüttert werden. Hier zeigt Birk vollen Körpereinsatz.

Drei Mal täglich dürfen die kleinen Artisten auf seinem Arm Blut trinken. Wenn sie satt sind, beweisen sie ihre Fähigkeiten im Fußball, Wagenrennen oder Tanzen und sind in der Lage ein Vielfaches ihres Körpergewichts zu tragen. "Auch wenn die Tiere nicht wirklich unter Schutz stehen, da sie als Parasiten gelten, werden sie von mir gehegt und gepflegt", sagt der Flohdompteur. Laut Birk gehe es Tieren, die in einem Flohzirkus laufen, wesentlich besser als in jedem Reitstall. "Ich werde genauso kontrolliert, wie Geschäfte mit größeren Tieren und auch gehe genauso verantwortungsbewusst mit meinen Stars um."

Flohdompteur Robert Birk präsentiert seine kleinen Artisten.
Flohdompteur Robert Birk präsentiert seine kleinen Artisten. © Angelika Warmuth

Pony-Reitbahn

In der Straße 3, ganz am Rande des Oktoberfestes steht die Pony-Reitbahn der Familie Schubert. Bereits in vierter Generation wird diese Tradition fortgeführt. Luise Schubert ist froh, dass ihnen die Stadt München jedes Jahr den wohl schönsten Standplatz auf der Theresienwiese vergibt. Ein Ort, wo sich noch "echte grüne Wiese" finden lässt. "Hier haben wir, wie auf unserem Bauernhof daheim, genügend Platz und Ruhe für unsere Boxen und die dazugehörige Koppel", sagt Schubert.

Trainiert und vorbereitet werden die robusten Rassetiere über viele Jahre – im Einsatz sind die Ponys abwechselnd auf insgesamt fünf Münchner Volksfesten pro Jahr. Das restliche Jahr haben sie frei, erklärt Schubert. "Unsere Tiere kenne ich schon fast mein ganzes Leben lang, sie haben alle einen Namen und sind auf keinen Fall Maschinen." Bevor die Schausteller Familie täglich ihren Kaffee trinkt, werden erst die Tiere versorgt. "Für uns ist das keine Arbeit mehr, sondern ein vertrauensvolles Zusammenleben mit den Ponys."

Luise Schubert mit ihrem Pony auf der eigenen Wiesn-Koppel.
Luise Schubert mit ihrem Pony auf der eigenen Wiesn-Koppel. © Angelika Warmuth

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