Sie vermieten ihr Heim an Wiesn-Touristen

Wie Werner Gerke mit seiner Familie zum Gastgeber für Feiernde wird – und was die Münchner dabei erleben.
Christian Pfaffinger |
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Das Ehepaar Gerke-Schwarz am Eingang zu seinem Haus: einen Teil davon vermietet es.
Daniel von Loeper Das Ehepaar Gerke-Schwarz am Eingang zu seinem Haus: einen Teil davon vermietet es.

München - Zur Wiesn bekommen Werner Gerke und seine Familie viel Besuch. Aus Südkorea, aus Neuseeland, aus Kanada. Sie kennen vorher niemanden davon. Aber sie lassen sie einziehen, bei sich daheim, in ihrem Haus.

Die Familie Gerke-Schwarz ist Gastgeber für München-Reisende: Seit etwa fünf Jahren bietet sie ein Zimmer in ihrem Haus zur Untermiete an. Für Menschen, die hier ein Praktikum machen oder auf ein Konzert gehen wollen. Und jedes Jahr gibt es eine Zeit, zu der besonders viele Menschen in das Zimmer in der Lerchenau ziehen wollen: zum Oktoberfest.

„Schon im Frühjahr buchen die Gäste für diese Zeit“, sagt Werner Gerke. „Mittlerweile sind wir für die Wiesn ausgebucht, nur eine Nacht bleibt das Zimmer wohl frei.“

Zur Wiesn sind Unterkünfte in der Stadt extrem begehrt. So sehr, dass die Hotels ihre Preise im Schnitt mehr als verdoppeln und trotzdem voll sind. Und immer mehr Münchnerinnen und Münchner verdienen mit an diesem Geschäft – weil sie einen Teil ihrer Häuser und Wohnungen an Wiesnbesucher untervermieten.

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So wie Werner Gerke (68). In dem Haus, in dem er seit 2007 jahrelang mit seiner Frau Sybille und den drei Töchtern wohnte, vermietet er ein Zimmer über das Internetportal Airbnb an München-Reisende. „Das Haus ist so gebaut, dass es oben einen abgeschlossenen Wohnbereich gibt“, sagt er. Optimal, um es für Gäste zu nutzen.

Die mittlere Tochter ist ausgezogen, die jüngste Tochter einverstanden – und so hat die Familie nun pro Jahr rund 15 Mal Gäste bei sich daheim. Er verlange zur Wiesn rund 75 Euro für das Zimmer, sagt Gerke. Und obwohl der Portalbetreiber Airbnb noch einige Euro zusätzlich als Provision erhebt, ist der Preis wesentlich günstiger als die Hotels.

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Der Rentner und frühere Sozialpädagoge kümmert sich dabei um alles. Dafür hat er zwei Gründe. Der erste: „Natürlich ist es ein Zuverdienst.“ Und das relativ unkompliziert. Klar, das Geld gehört versteuert: als Mieteinnahmen. Ein Gewerbe anmelden musste Werner Gerke allerdings nicht, so viel nimmt er durch die Untervermietung nun auch wieder nicht ein. „Es reicht, die Einnahmen in der Steuererklärung anzugeben und die Ausgaben gegenzurechnen – mehr Aufwand ist es nicht“, sagt Gerke.

„Außerdem bin ich einfach sehr gerne Gastgeber und habe eine Freude daran, andere zu empfangen“, nennt Gerke den zweiten Grund. Er ist selbst bereits viel gereist, hat zeitweise im Ausland gelebt, sieht sich als Weltbürger. „Weil ich viel rumgekommen bin, weiß ich gute Gastgeber zu schätzen. Darum bin ich selbst einer.“

Der Kontakt sei meistens unkompliziert – Probleme gebe es kaum. Er weise die Gäste ein, ins U-Bahnsystem etwa, erkläre die kleine Kaffeeküche und das Bad. Danach gebe es meistens nicht mehr viel Kontakt zu den Gästen, abgesehen von zufälligen Begegnungen. Bei längeren Aufenthalten geht Gerke ab und an nach oben und fragt, ob alles in Ordnung sei. Aber die meisten seien eh nur zum Schlafen da.

Doch es gibt auch Ausnahmen. Einmal ist eine kalifornische Studentin da, für knapp drei Wochen. „Sie war fast immer im Wohnzimmer, als sei es ganz selbstverständlich“, erzählt Gerke. Unangenehm sei ihm das nicht gewesen, ganz im Gegenteil: „Ich fand es schön, dass jemand da war. Und sie war sehr nett – es war, als hätte ich für diese Zeit eine zusätzliche Tochter gewonnen.“

Ein anderes Mal mietet sich eine junge Frau aus Taiwan ein. Sie ist seit drei Monaten in der Welt unterwegs, München ist die letzte Station der Reise – und sie hat schon schlimmes Heimweh. „Sie hat das Zimmer dann kaum mehr verlassen, da habe ich mich mit ihr unterhalten“, sagt Gerke. „Sie meinte, ich erinnere sie an ihren Vater und es gehe ihr dadurch gleich besser.“ Gerke schmunzelt, wenn er solche Geschichten erzählt.

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„Anfangs haben wir jeden genommen, aber jetzt machen wir Angaben, wer zu uns passt.“ Damit meint er zum einen Gäste, die mindestens zweimal übernachten. Und zum anderen das Geschlecht: Weil sich Tochter Sonja mit den Gästen das Bad teilt, bevorzugt die Familie mittlerweile Frauen als Untermieter – und Paare. Diese besonders zur Wiesn, denn Paare passen aufeinander auf, da ist das Risiko eines Ausfalls geringer.

„Wobei wir bisher kaum schlechte Erfahrungen gemacht haben“, sagt Gerke. „Auch vorher nicht, als wir diese Vorgaben noch nicht hatten. Und auch zur Wiesn nicht.“ Eine Vorsichtsmaßnahme trifft er trotzdem: Er stellt einen Eimer neben das Bett. „Gebraucht hat es den noch nie“, sagt er und lacht. „Aber sicher ist sicher.“

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