Sepp Krätz: Seine letzte Wiesn?

Verdacht auf Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben erhärtet, erneute Durchsuchung des Andechser am Dom. Wiesn-Wirt Krätz könnte seine Konzession verlieren.
von  Thomas Gautier, Kimberly Hoppe
Wiesn-Wirt Sepp Krätz
Wiesn-Wirt Sepp Krätz © dpa

Der Verdacht auf Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben erhärtet sich, weshalb Ermittler erneut den Andechser am Dom durchsuchen. Krätz könnte seine Konzession verlieren.

München - Auszapft is? Schon 17 Tage vor dem Wiesn-Start geht es für Hippodrom-Wirt Sepp Krätz (56) hoch her. Wie jetzt bekannt wurde, hatte der Groß-Gastronom bereits die zweite Steuer-Razzia in seinem Lokal Andechser am Dom. Bedeutet das für Krätz das Ende auf der Theresienwiese? Schon die erste Steuerfahndung am 4. Juli steckte ihm nachhaltig in den Knochen.

Während Zoll und Steuerfahnder den Andechser damals durchsuchten, war Sepp Krätz in seiner Waldwirtschaft. Jahrhundert-Koch Eckart Witzigmann feierte seinen 70. Geburtstag – viele Gäste des fröhlichen Festes wunderten sich, warum Krätz so eine angespannte Laune hatte. Am Tag danach wussten sie Bescheid, erste Berichte über die Steuer-Razzia lieferten die Antwort.

Nun der unerfreuliche Nachschlag: Am 8. August kamen Ermittler der Steuerfahndung und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts erneut in die Büros im Andechser am Dom. Dort stellten sie Unterlagen sicher. Der Verdacht lautet auf Schwarzarbeit. Laut René Matschke, Pressesprecher der Finanzkontrolle, soll Krätz Steuern und Sozialabgaben hinterzogen haben.

Nach AZ-Informationen ist Krätz’ Geschäftsführerin dabei besonders im Fokus der Ermittlungen. Doch auch sie könnte Krätz nicht entlasten – denn als Chef wäre er dann wegen Verletzung der Aufsichtspflicht ebenso dran. Fakt ist: Die Steuer-Razzia betrifft nur den Andechser. Das Hippodrom und die Waldwirtschaft sind nicht betroffen. Die Tricksereien sollen bei der Freischankfläche stattgefunden haben.

Eine zweite Durchsuchung – den Ermittlern fehlten noch einige Unterlagen – ist für den Wiesn-Wirt bitter. „Wenn ein Richter einen zweiten Durchsuchungsbeschluss erlässt“, erklärt René Matschke, „besteht dringender Tatverdacht. Da kann man davon ausgehen, dass sich die ersten Vorwürfe nicht in Luft aufgelöst haben.“

Nach der Razzia rief Sepp Krätz den städtischen Wirtschaftsreferenten Dieter Reiter (SPD) an. „Er teilte mir mit, was passiert war“, so Reiter zur AZ. „Aber Herr Krätz kommentierte das nicht. Genauso wenig wie ich.“ Bedeutet die zweite Razzia das Wiesn-Ende für Krätz? Oktoberfest-Chefin Gabriele Weishäupl lässt der AZ ausrichten, dass sie sich zu einem schwebenden Verfahren nicht äußern werde. Reiter: „Man muss abwarten, was rauskommt. Für die Prüfung von Konsequenzen gegenüber Herrn Krätz muss erst ein Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vorliegen.“

Diese Ermittlungen sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden, aber mit Sicherheit erst nach der Wiesn. Heuer ist ihm das Hippodrom also noch sicher. Gemäß Gaststättengesetz wird ihm die Konzession entzogen, sollte sich der Verdacht der Steuerhinterziehung erhärten. Im Klartext: Krätz würde nicht nur sein geliebtes Hippodrom auf der Wiesn, sondern auch die Konzession für alle Gaststätten in München verlieren. „Das wäre wirklich das Schlimmste für ihn“, betont Reiter.

Sepp Krätz war auf AZ-Nachfrage nicht zu sprechen. Dafür bekommt er auf seiner Facebook-Seite Zuspruch: „Lass dich nicht unterkriegen“, steht da. „De Neidhammeln habn immer mehra Dreck am Steckn!“


Das Hippodrom sorgt gleich im ersten Wiesn-Jahr für Furore. 1902 baut Wirt Carl Gabriel eine 60 Meter lange Pferderennbahn im Festzelt auf und lässt angetrunkene Besucher reiten. Unerhört, zu dieser Zeit – aber spaßig. Weniger lustig wird es für Sepp Krätz’ Vorgänger, das Ehepaar Weinfurtner. 1981 übernehmen die Hoteliers Anton und Marianne das Festzelt. 1994 werden sie festgenommen und 2001 wegen Steuerhinterziehung zu Bewährungsstrafen und einer Geldbuße von einer Million Mark verurteilt.

2003 steht das Paar wieder vor Gericht – wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Urteil: dreieinhalb Jahre Haft für Anton, viereinhalb für Marianne. Daraufhin übernimmt Sepp Krätz 1995 das Hippodrom statt Vinzenz Murr-Chefin Evi Brandl, die nicht zum Zug kommt.

Gleich im ersten Jahr geht er mit Dobermännern und Feuerlöschern gegen Randalierer vor, die das Zelt stürmen wollen. Anfang 2011 zeigt ein Student Krätz wegen Körperverletzung an. Der Wirt soll die Putzkraft am letzten Wiesn-Tag 2010 zwei Mal getreten haben. Zum Prozess kommt es nicht, Krätz zahlt 18 000 Euro.

Es werden auch andere Prügel-Vorwürfe aus der Belegschaft laut, die aber keine rechtlichen Folgen haben. Am 4. Juli 2011 ist Krätz wieder im Visier der Justiz: Zoll und Steuerfahner durchsuchen die Büros seines „Andechser am Dom“. Der Verdacht: Steuerhinterziehung.

Und jetzt die zweite Durchsuchung – endet Sepp Krätz wie die Weinfurtners? Als er 2003 zu den Wiederholungstätern befragt wurde, sagte Krätz kopfschüttelnd: „Seltsam, dass einem so etwas zwei Mal passiert.“

 

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