Plastik, Nylon, Filz: Die schlimmsten Trachtensünden
Da bleibt einem Bayern glatt das Hendl im Halse stecken – vor Schreck: Auf T-Shirts gemalte Lederhosen, „Leder“hosen aus Lack, in Pink und Neongrün, Stofflatzhosen mit Trachtler- oder Herzl-Aufdruck. Billigtracht und Batmankostüm, daran hat sich der einheimische Wiesngänger gewöhnt. Aber was heuer an Schindluder mit der Lederhosen getrieben wird, das passt auf keine Hirschhaut mehr.
Touristen aus Neuseeland, Australien und Holland treten im Rudel mit den schrägen Outfits auf, meist im gleichen Look, Finn-Ole bis Larson, Mike bis Gerard, wie bei einem Junggesellen-Abschied. Will und seine zwölf Freunde etwa kommen aus Australien – in orange und grüne Stofflatzhosen sind sie gekleidet, stehen schon auf den Bänken im Schiff im Hackerzelt, und Maßn haben sie schon mehr als eine intus. „Von amazon habe ich die bestellt, schick, oder?“, sagt einer von Wills Kumpels.
Will selbst weiß schon, was man antworten muss, wenn man so einheimisch wie möglich klingen möchte: „Die habe ich von meinem Ur-ur-ur-Großvater geerbt!“ Naja.
Ein paar Bänke weiter tanzt es blau und rosa, eine Gruppe Holländer hat „Leder“hosen an, die sich anfühlen wie beschichtete Nylon-Kochschürzen. „Er da hat die Disney-Version“, sagt einer der Jungs und deutet grinsend auf seinen Freund, der im rosa Gwand auf der Bank steht. „Unsere sind dagegen ja richtig traditionell.“ Er deutet auf den Stoff, der mit lauter kleinen, holländischen Trachtenbärchen bedruckt ist. Für 20 Euro, meint einer, haben sie die Hosen gekauft. Und zwar daheim. Nicht in München.
Juru ist auch Holländer, und auch er ist mit sieben Freunden zur Wiesn angereist. Es ist sein zweites Mal, beim ersten Besuch trug er noch Jeans. „Aber ich finde, wenn du eher ausschaust wie die Locals, dann kommst du auch ganz anders mit ihnen ins Gespräch - nicht nur ’Entschuldigung, wo geht’s denn da und da hin’, dann kannst du sie auch fragen, ob sie Lust haben, mit dir etwas essen zu gehen.“
Yuru trägt eine grüne Latzhose, auf seinem T-Shirt steht: „Bitte sag deinen Brüsten, sie sollen meine Augen nicht so anstarren.“ In größeren Supermarkt-Drogeriemarkt-Ketten in Holland, solche, die zum Beispiel auch Faschingskostüme im Sortiment haben, werden die Dinger, die die Wiesn fluten, jetzt häufiger verkauft, „ganz billig, 15 oder 20 Euro habe ich dafür gezahlt.“
Auch dort gäbe es eben kleinere Wiesn-Kopien, dafür seien die Hosen gedacht, sagt Juru. Er erzählt auf Deutsch, das er wie viele Holländer gut beherrscht – locker gut genug, um mit den Münchner Mädels zu ratschen, die sich an seinen Tisch gedrängt haben. Dafür hätt’s die grüne Quatsch-Hosn gar nicht gebraucht.
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