Pannen und Zufälle: Das steckt hinter dem Anzapf-Ritual auf dem Oktoberfest in München

Am Wochenende heißt es wieder "O'zapft is" auf der Wiesn in München, wenn OB Dieter Reiter den Schlegel schwingt. Doch dass das Oktoberfest vom Oberbürgermeister eröffnet wird, ist erst seit 1950 so. Und war wahrscheinlich sogar eher Zufall als Absicht.
von  Annette Baronikians
16. September 1950: Der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer genießt den ersten Schluck seiner Maß nach dem Anzapfen. Zuvor hatte er 19 Schläge gebraucht.
16. September 1950: Der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer genießt den ersten Schluck seiner Maß nach dem Anzapfen. Zuvor hatte er 19 Schläge gebraucht. © Stadtarchiv

München - Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für Oberbürgermeister Dieter Reiter! Heuer fällt der Wiesn-Start genau auf den 16. September – ein Datum, das Geschichte schrieb: Wiesn-Geschichte. Just an einem 16. September brauchte ein anderer Münchner Oberbürgermeister sage und schreibe 19 Schläge, bis das Wiesn-Bier endlich aus dem Zapfhahn floss.

Das war im Jahre 1950 und ein denkwürdiges Ereignis nicht nur wegen der Prügelei am Zapfhahn: Damals, am 16. September 1950, wurde von OB Thomas Wimmer die Tradition begründet, dass stets der amtierende Münchner Oberbürgermeister im Schottenhamel-Zelt das erste Fass anzapft und damit das Oktoberfest offiziell eröffnet.

19 Schläge für die Ewigkeit: Thomas Wimmer und Michael Schottenhamel begründen das Wiesn-Ritual

Der Legende nach hatte der "Wimmer Dammerl" gar nicht die Absicht, ein Anstich-Zeremoniell einzuführen. Dieses soll sich durch Zufall ergeben haben und zwar so: Wimmer verpasste beim Wiesn-Wirte-Einzug seine Kutsche. Wiesnwirt Michael Schottenhamel ließ den OB in seine einsteigen – und fragte ihn dort spontan, ob er im Zelt nicht auch gleich das erste Fass anzapfen will.

Fakt ist: Mit seinem schließlich doch noch geglücktem Anstich und dem Ausruf "O'zapft is!" begründete Thomas Wimmer das weltberühmte Wiesn-Ritual. Seither lässt es sich kein Münchner OB nehmen, es ihm gleich zu tun.

Bis 1960 hatte Wimmer seine Schlag-Technik so verbessert, dass der amtierende Hans-Jochen Vogel das Anzapfen nochmal seinem Vorgänger überließ. Vogel schlug sich dann wacker bis 1971. In diesem Jahr sorgte er für eine Bier-Fontäne, die nicht nur den Anzapfer ziemlich nass machte.

1968: Hans-Jochen Vogel beim Anzapfen. Einmal sorgte er für eine Bierfontäne.
1968: Hans-Jochen Vogel beim Anzapfen. Einmal sorgte er für eine Bierfontäne. © imago images/Heinz Gebhardt

Pannen am Anstich: Welcher Oberbürgermeister das berühmte "O'zapft is" vergaß

Feuchtfröhlich ging's auch mal bei Georg Kronawitter zu, der 1972 den Schlegel übernahm. Nach dem Anstich mit drei Schlägen füllte er den ersten Krug, doch der hatte ein Loch und das Bier floss unten wieder raus.

Unvergessene Pannen lieferte Erich Kiesl: In einem Jahr vergaß er das obligatorische "O'zapft is!", in einem anderen verwechselte er die Vokale. Mit dem Schlegel in der Hand rief Kiesl lautstark "Izapft os!". Laut war auch das Lachen im Zelt.

1993 betrat Christian Ude die (Wiesn-)Bühne und sorgte zunächst unverschuldet für große Aufregung. Der Grund: Im Schottenhamelzelt hatte niemand daran gedacht, dass Ude als Linkshänder von der anderen Seite anzapft. Kurz vor dem Anstich musste die Anzapfboxe komplett umgebaut werden. Sonst hätten all die Fotografen und TV-Teams nur Rückenansichten des Oberbürgermeisters bekommen.

Wiesn in München: Christian Ude ist der "Anzapf-König" – doch auch OB Reiter überzeugt am Fass

Bei seiner Premiere brauchte Ude noch sieben Schläge, doch er sollte 2005 schaffen, was noch keinem Oberbürgermeister vor ihm gelungen war: Anzapfen mit nur zwei Schlägen! Keine Frage, den Titel "Anzapf-König" trägt Christian Ude zu Recht.

Christian Ude 2005: Der OB hat geschafft, was noch niemand geschafft hat – mit nur zwei Schlägen anzapfen.
Christian Ude 2005: Der OB hat geschafft, was noch niemand geschafft hat – mit nur zwei Schlägen anzapfen. © imago images/Heinz Gebhardt

OB Dieter Reiter meisterte seinen ersten Einsatz in der Anzapfboxe 2014 mit respektablen vier Schlägen. Dass er seinem Sicherheitsschlag einen bayerischen Kraftausdruck folgen ließ, tat der guten Stimmung keinen Abbruch – ganz im Gegenteil.

Wie Ude steigerte sich Reiter auf stolze zwei Schläge. Im letzten Jahr waren's drei. Wie wär's heuer mal mit nur einem kräftigen Schlag? OB Reiter lacht und schüttelt den Kopf. "Das mach' ich sicher nicht", sagt er der AZ.

Dieter Reiter (SPD) hat inzwischen beim Anzapfen auch schon Routine.
Dieter Reiter (SPD) hat inzwischen beim Anzapfen auch schon Routine. © picture alliance / dpa

Schließlich würden selbst "gstandne Schankkellner" es nicht bei einem einzigen Schlag belassen. Einen neuen Anzapf-Rekord wird es am Samstag also nicht geben. Thomas Wimmers 19 Schläge wird OB Reiter ja hoffentlich nicht übertreffen.

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