Null Fehltage: Nach der Wiesn ist vor der Wiesn
Es gibt kein Abzeichen. Keine Urkunde. Nicht mal ernsthafte Nachweise, außer blutunterlaufenen Augen, Krächzstimme und einem leichten Phantomtrompeten von Blaskapellen im Ohr.
Selbst die Kriterien sind nicht ganz durchsichtig. Wann zählt ein Tag als Tag? Mindestens vier Stunden Anwesenheit oder drei Maß wurde mir von einem, der das nicht vorhandene Abzeichen längst trägt, zugeraunt, und daran habe ich mich gehalten. Eher an die vier Stunden als an die drei Maß. Und statt einer Maß auch mal ein Schnaps.
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Der letzte Sonntag, dieser münchnerische Tag, an dem Gutscheine ver- und Wunderkerzen geschwenkt werden, der lässt das mit Absperrbändern durchzogene Samstagschaos fast wieder in Wehmut ertrinken. Trotz dem eines Abschieds unwürdigen Schmuddelwetter.
Tatsache ist: Ich hab’s geschafft. Null Fehltage.
Damit bin ich Mitglied in einem illustren Club von Wiesnwahnsinnigen, die mich jetzt als einer der ihren respektieren. Und ich weiß, dass es auch nicht so viel anders ist, jeden Tag hinzugehen als oft hinzugehen. Nur, dass man sich sehr viel öfter überwinden hat müssen.
Und deswegen ist dieses Experiment auch nur bedingt zur Nachahmung empfohlen, denn Zwang zerstört die Vorfreude. Und Vorfreude ist ein schönes Gefühl. Aber sie hat mich jetzt wieder ausgespuckt für eine Weile, die Wiesn. Hat mich heruntergespült von der Festwiese, flankiert von taumelnden Scheintoten, ihre letzte Ochsenfetznsemmel kauend. Ein Fremder, der sich neben mir die Wirtsbudenstraße herunterarbeitet, streckt mir seine Mandeltüte hin. Ich angle mir zwei raus. Wir lächeln. Eine große, glückliche Wiesnfamilie.
Grad schee war’s, und anstrengend. Einmal langt das mit den null Fehltagen, mein ich zumindest jetzt. Aber nach der Wiesn ist vor der Wiesn.
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