Nach Oktoberfest-Absage: "Warum wir Wiesnwirte jetzt auf Ausfall klagen"
München - Die Wiesn-Barone ziehen vor Gericht: Die Wirte von Kufflers Weinzelt, dem Schützen-Festzelt, dem Paulaner Festzelt, der Fischer Vroni und dem Hofbräu Festzelt reichen am Dienstag Klage gegen ihre Versicherungen ein. Die beiden Wirte Sebastian Kuffler und Michael F. Schottenhamel erklären in der AZ, warum.
AZ: Herr Kuffler, Herr Schottenhamel, 2020 hat keine Wiesn stattgefunden. Was für Kosten entstehen einem Wiesnwirt denn ohne Wiesn?
SEBASTIAN KUFFLER: Über das Jahr verteilt haben wir extrem hohe Kosten. Der Gewinn wird nicht in die eigene Tasche gesteckt. Wir müssen die Arbeitsplätze sichern, die Bestandsbetriebe. Bis zur Absage der Wiesn hatten wir Kosten im mittleren sechsstelligen Bereich. Einlagerungskosten, Leasingkosten, Neuinvestitionen, Personal. Die Leute denken immer, die Wiesn dauert zwei Wochen, ein bisschen Auf- und Abbauen und fertig. Aber das ist ein Job, der übers ganze Jahr geht. Wir haben vier festangestellte Mitarbeiter, die das ganze Jahr über für die Wiesn arbeiten. Da geht es um Reservierungen, Bewerbung, Organisation, Nachbearbeitung. Mit der Absage im April waren alle Verträge schon gemacht, alles musste rückabgewickelt werden.
Ausfall-Versicherung seit dem Wiesn-Attentat
Was für eine Versicherung hat man denn als Wiesnwirt?
MICHAEL F. SCHOTTENHAMEL: Sieben der großen Zelte haben Verträge mit der DSE Deutsche Sport und Entertainment-Versicherung. Das ist ein Zusammenschluss von mehreren Versicherungen. Wir sind seit 2011 dort versichert. Aber wir hatten schon seit 1980, nach dem Wiesn-Attentat, Ausfall-Versicherungen. Die derzeitige Versicherung für die Wiesnzelte habe ich sogar selbst mitentwickelt. Das ist eine Veranstaltungs-Ausfall-Versicherung für verschiedene Risiken, unter anderem eine Epidemie. Diese Versicherung ist maßgeschneidert für diesen Fall, für uns Wiesnwirte – und sollte jetzt auch zahlen, wie wir finden.

Wie argumentiert die Versicherung denn im Moment?
SCHOTTENHAMEL: Zum Ersten sagt die Versicherung, es wäre ja gar nicht sicher gewesen, ob das Oktoberfest überhaupt stattfindet. Für uns natürlich eine merkwürdige Vorstellung. Zweitens sagt sie, dass unsere Zulassung als Wiesnwirte noch nicht durch war, da ja die Verträge noch gar nicht abgeschlossen waren. Tatsächlich müssen wir uns jedes Jahr neu für die Wiesn bewerben. Aber davon hatten wir die Versicherung ja nicht abhängig gemacht. Wir haben die Verträge mit der Versicherung schon im Februar abgeschlossen beziehungsweise ein Jahr vorher.
KUFFLER: Das Problem war, dass die Wiesn abgesagt wurde, bevor der Stadtrat zum Thema Oktoberfest getagt hat. Und daran hängt sich die Versicherung jetzt auf. Es geht letztendlich um Wortklauberei. Wir haben eine klar definierte Versicherung, die den Ausfall zahlen muss, wenn die Wiesn ausfällt wegen Terror oder einer Epidemie.
Wenn die Versicherung argumentiert, dass Sie Ihre Wiesn-Zulassung in diesem Jahr noch nicht hatten, heißt das im Umkehrschluss, dass Sie die Versicherung jedes Jahr wieder neu abschließen?
KUFFLER: Nein. Es sind meistens Zweijahresverträge. Die Wiesn-Zulassung muss aber jedes Jahr neu beantragt werden. Andersherum müssten wir die Versicherung also auch bezahlen, wenn wir die Zulassung mal nicht bekommen würden.

Wiesnwirte schätzen Chancen auf Erfolg "sehr hoch" ein
Wie hoch ist Ihre Forderung?
SCHOTTENHAMEL: Jeder hat eine andere Versicherungssumme, die Verträge sind ganz unterschiedlich. In erster Linie geht es um die Kosten, die für 2020 entstanden sind. Dann haben wir natürlich auch Vorlauf für 2021. Und das haben die Wirte versichert, aber jeder anders. Wir hatten 2020 Kosten und keinerlei Einnahmen.
Klagen alle Wirte einzeln?
KUFFLER: Ja. Im juristischen Sinne gibt es keine Sammelklagen. Aber es wird alles bei der gleichen Kammer eingereicht. Fünf der sieben Wirte reichen heute die Klage ein. Die anderen beiden werden nachlegen, wenn es notwendig ist.
Wie schätzen Sie die Chancen ein?
SCHOTTENHAMEL: Sehr hoch. Wir haben die Versicherung für diesen Fall ja gemeinsam mit dem Versicherungsmakler selbst entwickelt. Das ist maßgeschneidert und muss passen.
KUFFLER: Wir sind Unternehmer, da ist es unsere Pflicht, eine gute Versicherung zu haben und nicht unterversichert zu sein.

Wie sind denn die Tendenzen bisher bei solchen Verfahren?
SCHOTTENHAMEL: Bis jetzt hat kaum eine Versicherung für Betriebsschließungen gezahlt. Verständlich, wenn jetzt alle nachgeben, ziehen noch mehr nach und klagen. Da stehen hohe Beträge auf dem Spiel. Deswegen sind die Versicherungen von Anfang an hart gewesen. Aber die Tendenz geht dahin, dass die Versicherungen zahlen müssen, meistens enden die Verfahren in einem für den Versicherungsnehmer günstigen Vergleich. Wir glauben jedenfalls, dass wir einen guten Standpunkt haben.
KUFFLER: Ich habe den Eindruck, dass die Versicherungen genau deshalb im letzten halben Jahr immer härter geworden sind und auf dem Standpunkt stehen, wir zahlen erst mal nicht.
Wiesnwirte planen mit Oktoberfest 2021
Wie planen Sie versicherungstechnisch die Zukunft?
KUFFLER: Bei uns wäre die Versicherung eh in diesem Jahr ausgelaufen und wir hätten 2021 neu abschließen müssen. Ein Kollege hat dieses Jahr erst abgeschlossen und die Deckung noch für 2021. Aber für 2021 eine Versicherung zu finden, die Corona miteinschließt? Da sehe ich schwarz. Aber das Thema ist auf meiner Agenda ganz oben.
Wie planen Sie denn die Wiesn 2021? Hat schon jemand reserviert für 21?
KUFFLER: Ja, die Leute schreiben schon und fragen: Wann geht's wieder los? Wir planen so, als ob die Wiesn stattfinden wird. Wir müssen ja vorbereitet sein. Das würde im Mai einfach nicht reichen mit der ganzen Planung.