Kutscherin Susi Schimmer: "Ich hab das Pferdevirus"

München - Ihre Pferde laufen am liebsten zu viert vor der Kutsche. "Den Pferden taugt das, wenn sie Kollegen haben. Für den Vierspänner brauche ich mehr Kraft, Können und auch besondere Griffe", erklärt Kutscherin Susi Schimmer ihre Fahrkunst.
Die 59-jährige Münchnerin betreibt Münchens letzte Kutscherei. Vor über 100 Jahren waren die Kasernen an der Schwere-Reiter-Straße am heutigen Olympiapark noch ein echtes Pferde-Revier. "Damals soll es hier rund 1.000 Pferde gegeben haben", weiß Pferdefreundin Schimmer.
Vor den Böllerschüssen um 12 Uhr ist sie wieder im Stall
Jetzt freut sie sich auf die Wiesn. Für eine Traditions-Kutscherin "das Highlight des Jahres". Ihre prächtig geschmückte Wiesn-Kutsche ist eine der Oktoberfest-Attraktionen Münchens. Zudem ist die Wiesn ein Treff der Pferdefans, auch von außerhalb.
Das Fell ihrer Schimmel glänzt dann picobello. Das üppige Geschirr am Pferdekörper funkelt und klirrt. Mit Zylinder und schwarzem Gehrock fährt die Kutscherin die Familie Haberl, die Wirte der Ochsenbraterei, am Samstag beim Einzug der Wiesnwirte vor ihr Zelt.

Die Tiere vertrauen ihr, auch im Festgewimmel. Doch die erfahrene Kutscherin schaut, dass sie mit ihrem kraftvollen Gespann, zurück in den Stall kommt, bevor um 12 Uhr die Böllerschüsse über das Oktoberfest donnern. "So ist es mir lieber, denn die Pferde könnten sich erschrecken", sagt sie.
Morgens um fünf Uhr beginnt der Tag mit Streicheleinheiten
Beim Wiesn-Trachtenumzug am Sonntag beginnt sie, um fünf Uhr früh ihre Pferde zu striegeln: Sie verwöhnt ihre Tiere mit Heu, wäscht das weiße Fell mit Shampoo sauber von Flecken - und spannt mit ihren Helfern die festliche Kutsche an.
Treffpunkt der historischen Karossen ist um 9 Uhr an der Widenmayerstraße an der Isar. "Was für ein aufregender Tag! Heute treffe ich auch die Pferdeleute, die man über die lange Zeit kennt", meint die Kutscherei-Betreiberin. Heuer fährt die Kutscherei Holzmann den Münchner Referenten für Arbeit und Wirtschaft, Clemens Baumgärtner, sanft und elegant zum Oktoberfest.

Mit der offenen Ehrenkutsche hat sie bereits Ministerpräsident Markus Söder auf die Theresienwiese gefahren. Vor seinem Tod 2015 kutschierte ihr Mann, der legendäre Hans Holzmann, mit ihr als Beifahrerin ab 1982 die bayerischen Ministerpräsidenten von Edmund Stoiber über Günther Beckstein und Horst Seehofer beim Trachtenumzug zur Wiesn.
Schon als Kind schlenderte sie über die Wiesn
Die Münchnerin, deren Vater Trambahnfahrer war, erinnert sich, wie sie als junges Mädchen Schokoäpfel und die rasante Wiesn-Fahrt "rund um den Tegernsee" liebte. Mit ihrem Mann saß sie mittags in der Ochsenbraterei beim Bier, danach hatten sie Spaß beim Wiesnrundgang.

Die Kutscherkollegen aus der Gegend um München flanierten damals schon mal gemeinsam über die Wiesn. Die starke Leidenschaft für Rösser und die Kunst des Fahrens hat sie verbunden. "Ich habe das Pferdevirus. Und das geht auch nicht weg", lacht Susi Schimmer, während sie der ungarischen Stute Feli im Stall die Hufe auskratzt.
Im Innenhof ihrer romantischen Kutscherei duftet es nach Heu. Eine Kiste Äpfel steht bereit. Die Kutscherin nennt ihre Pferde, den Burli, die Jana, den Mafi, den Wuschel und die Feli, ihre "Kameraden". Seit sie zehn Jahre alt ist, klebt die Münchnerin an den Rössern. "Das Glück der Erde sind meine Pferde", kommentiert sie das.
Susi Schimmer ist ausgebildete Sattlerin mit Auszeichnung
Auch das Equipment wird perfekt repariert und gepflegt: Am Oberwiesenfeld aufgewachsen, wurde Susi Schimmer eine ausgezeichnete Sattlerin. 1982 erhielt sie den Bundessiegerpreis im Sattlerhandwerk. In der großen Remise der Barbarasiedlung stehen zwölf historische Kutschen und zwei Gesellschaftswagen. Einige haben Gummiräder und Scheibenbremsen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Sie hat Leder um Kotflügel gespannt, Holzteile grün lackiert - alles hat Susi Schimmer eigenhändig restauriert.
Museumsreif ist auch die große Sammlung an Pferdegeschirr in der Sattelkammer und ihre überaus extravagante Kollektion mit 150 luxuriösen Zylinderhüten. Fundstücke von Münchner Flohmärkten oder der Auer Dult.
Wenn nicht gerade Wiesn-Eröffnung ist - und Susi Schimmer in Nobel-Garderobe Rösser mit prächtigem Geschirr und Blumenschmuck durch Münchens Straßen lenkt - fährt sie oder ihr Kollege auf Bestellung. Treffpunkt ist der Fiaker-Standplatz am Chinesischen Turm.
Dort beginnt für die Gäste eine entschleunigte Fahrt durch den Englischen Garten oder die Münchner Innenstadt. Eine Stunde Nostalgie kostet übrigens 80 Euro.
Weitere Infos und Reservierung finden Sie unter: www.kutschen-holzmann.de