Im Rollstuhl über die Wiesn: So barrierefrei ist das Oktoberfest

München - Mit einer Tüte Mandeln in der Hand oder einem Hendlhut auf dem Kopf schlendert wie selbstverständlich der Großteil der Wiesnbesucher übers Oktoberfest, schießt eine Rose und setzt sich danach auf eine Maß an die Bierbank.
Für Menschen mit Behinderung sieht ein Wiesnbesuch oft anders aus. Besonders für Menschen im Rollstuhl sind viele Attraktionen und Orte nicht zugänglich oder nur mit Hilfe zu erreichen. Deshalb sind Monika Burger und Werner Graßl vom Behindertenbeirat München, Facharbeitskreis Tourismus, seit 2007 Jahr für Jahr auf der Wiesn unterwegs, um aufmerksam zu machen und zu dokumentieren. Damit auch für Menschen mit Handicap ein Wiesnbesuch immer einfacher wird.
Probleme für Rollstuhlfahrer auf der Wiesn: "Luft nach oben"
Denn beim Besuch der beiden gemeinsam mit der AZ wird klar: Viel hat sich getan in den letzten Jahren. Das Thema Barrierefreiheit gewinnt bei den Schaustellern und Wirten an Bedeutung. Viele positive Beispiele zeigen die beiden, viele Vorschläge zur Verbesserung haben sie dennoch. "Wir wollen konstruktiv aufzeigen, was noch getan werden kann. Es geht nicht darum, sich zu beschweren, sondern zu zeigen, wo noch Luft nach oben ist", sagt der Münchner Werner Graßl.
Und das fruchtet. Beispielsweise beim Riesenrad. Dort gibt es extra rollstuhlgerechte Gondeln. Die Rollstuhlrampe kritisierten Graßl und Burger vergangenes Jahr noch als ein wenig zu steil. 2023 ist sie flacher.
Wiesn-Wirt Lorenz Stiftl: "Das Thema Barrierefreiheit gewinnt an Aufmerksamkeit"
Außerdem ist die Toilette am Riesenrad mittlerweile mit einem sogenannten Euroschlüssel sperrbar. "Den haben wir immer dabei und müssen niemanden bitten, uns die Toiletten aufzusperren", sagt Graßl. Außerdem gibt es mittlerweile einen Ticketautomaten für Rollstuhlfahrer. Beim AZ-Besuch sammelt sich gerade eine Gruppe vor dem Schalter. Das Angebot scheint gut anzukommen.

Auch auf der Oidn Wiesn in der Schützenlisl wird das Angebot für Rollstuhlfahrer gut angenommen, wie Wirt Lorenz Stiftl erzählt. Im Bereich für Rollstuhlfahrer lassen sich die Bänke leicht aus der Verankerung ziehen, so dass an deren Stelle der Rollstuhl parken kann. "Bestimmt zehn Rollstuhlfahrer haben wir pro Tag im Biergarten", sagt Stiftl. Kürzlich habe er sich auch informiert, wie er kommendes Jahr eine Induktionsschleife für Gehörlose in seinem Zelt verbauen kann. "Das Thema Barrierefreiheit gewinnt an Aufmerksamkeit. Das finden wir gut und wollen mithelfen", sagt der Wirt.

Barrierefrei Wurst verkaufen? Das geht mit einem Trick
Auch beim Essensstand "Rosais Wurst Bude" wird die Wurscht barrierefrei verkauft. An einer Stelle ist die Theke abgesenkt, der Spuckschutz entfernt. Ein blaues Schild weißt auf die Barrierefreiheit hin. Die Speisekarte gibt es außerdem in Blindenschrift – die Brailleschrift. "Das ist ein sehr positives Beispiel. Aber leider eines der wenigen", sagt Monika Burger.

Viele Essensstände sowie Buden zum Dosenwerfen oder Schießen seien oft nicht erreichbar. Auch bei manchen Zelten sei es nicht einfach, alleine die Rampe zu bewältigen oder drinnen einen geeigneten Platz zu finden. "Im Paulaner gibt es eine extra Box für Rollstuhlfahrer. Im Schützen sind die Rollstuhlplätze durch eine Balustrade aber viel zu eng", weiß Burger.
Dass die Arbeit der beiden fruchtet, sieht man am Schottenhamel. "Dort ist die Rampe im Vergleich zum letzten Jahr viel flacher", erklärt Graßl. Als er es vor Ort vorführt, bietet ein Mitarbeiter aufmerksam seine Hilfe an. Graßl lehnt ab.
Manchmal sagen Betreiber auf dem Oktoberfest: "Es geht halt nicht anders"
Auch beim Autoscooter Bayern Crash – samt rollstuhlgeeignete Autos – gibt es eine flache Rollstuhlrampe mit Handlauf. Der ist allerdings etwas zu niedrig. Vor Ort ist auch der Betreiber, und Burger und Graßl erklären, wo noch Luft nach oben wäre. "Gut, dass Sie mir das sagen", sagt Betreiber Kurt Geiger dazu.
Klar wird beim Besuch: Fehlende Barrierefreiheit ist oft Unwissenheit. "Häufig heißt es aber auch: Das geht halt nicht anders", erzählt Graßl. Für viele Situationen haben die beiden Verbesserungsvorschläge, wie beispielsweise seitliche Rampen oder die Möglichkeit auf ausleihbare E-Rollstühle. Auch ein besseres Übersichtsangebot wünschen sich die beiden. "Online steht viel, aber nicht alles. Und für Menschen ohne Internet gibt es kaum Informationen. Das sollte sich ändern", findet Burger.
Schon jetzt sehe man im Vergleich zu früher mehr Menschen im Rollstuhl auf dem Oktoberfest, weil sich das Angebot stetig verbessere. Ein Grund für die beiden aufzuhören ist das noch lange nicht, denn: "Unsere wunderbare Wiesn soll für alle Menschen gleich schön sein", sagt Burger.