Hinter den Kulissen: Gerangel auf der Oidn Wiesn
München - Wer mit Kennerblick beim Aufbau der Oidn Wiesn vorbeischaut, mag sich wundern. Das neue Zelt, das dort erst mal für Festwirt Lorenz Stiftl aufgestellt wird, ist gar nicht so neu – vielmehr handelt es sich um das Zelt "Die Schönheitskönigin", das Wirtin Gerdi Reichert bei der Platzvergabe heuer an ihren Rivalen Stiftl verloren hat.
Wieso der bei seiner Premiere auf der Oidn Wiesn ein altes Zelt statt eines neuen aufbaut, wo es sonst noch Ungereimtheiten und Gerangel hinter den Kulissen gibt – ein Überblick.
Das Gerangel um das Zelt
Liebend gern hätte Gerdi Reichert die Schönheitskönigin auf der Oidn Wiesn weitergeführt. Sie hatte das nach eigenen Vorstellungen gestaltete Zelt von Toni, Ulli und Peter Pletschacher aus Dasing herstellen lassen. Die Brüder bauen (und vermieten dann) die meisten Oktoberfest-Zelte.

2017 stand Reicherts Schönheitskönigin als Volkssängerzelt erstmals auf der Oidn Wiesn. Heuer nicht mehr.

Lorenz Stiftl hat Gerdi Reichert bei der Zeltvergabe der Stadt für 2022 im Punkteverfahren ausgestochen. Stiftls Pluspunkt: Er hat ebendieses Schönheitskönigin-Zelt schon im vergangenen Jahr von Pletschacher gekauft!

Der Deal kam zustande, obwohl Gerdi Reichert ihren Mietvertrag – demnach sollte sie die Schönheitskönigin zehn Mal auf der Wiesn betreiben – noch nicht einmal erfüllt hatte.
Stiftl, selber Zeltverleiher, schlug trotzdem zu. Die Wirte wissen: Wenn man ein eigenes Zelt besitzt, wird das bei der Wiesn-Bewerbung von der Stadt mit deutlich mehr Punkten honoriert, als wenn man nur Mieter ist. "Ja", sagt Stiftl zur AZ, "Eigentum wird auch bewertet." Er habe das bestehende Zelt nun etwas vergrößert und mit besserer Küche ausstatten lassen: "Teile sind neu gekauft."
Der Deal mit dem Zelt lief an Reichert, die es ihrerseits gern gekauft hätte, komplett vorbei. Als die AZ bei Toni Pletschacher anfragt, warum er die Schönheitskönigin im Vorjahr plötzlich an Stiftl verkauft habe, verweist er auf seine Brüder und sagt bloß: "Dazu werde ich keine Aussage geben." Dass Gerdi Reichert sich ausgebootet fühlen mag, lässt sich verstehen.
Das Gerangel um den Namen
Stiftl hat das Konzept des Volkssängerzeltes recht detailliert von der Schönheitskönigin übernommen. Bloß ein anderer Name musste her: Schützenlisl zum Stiftl, so soll es heißen.
Dagegen geht der Traunsteiner Brauer Dietrich Sailer nun juristisch vor. Er wiederbelebt in Giesing gerade die historische "Münchner Kindl"- Brauerei.
Laut Sailer gehören auch die Rechte an Namen und Bild der Schützenlisl zu seiner Brauerei. Er will Stiftl die Nutzung verbieten (AZ berichtete).
Erstinstanzlich hat Sailer gegen Stiftl auch gewonnen. Der Wirt ist aber in Berufung gegangen: Das Oberlandesgericht muss entscheiden. Laut Stiftl wird dies aber erst im November passieren.
Heißt: nach der Wiesn. Darum bleibt Stiftl vergnügt dabei, sein Zelt heuer Schützenlisl zu nennen. Ein Punktsieg auf Zeit für ihn.
Das Gerangel ums Programm
In der Schönheitskönigin hat Jürgen Kirner, Gastgeber der Brettl-Spitzen im BR-Fernsehen, stets als künstlerischer Leiter gewirkt. Das Volkssänger-Konzept stammt von ihm.

Weil Kirner aber lieber mit Gerdi Reichert gearbeitet hätte als mit Neu-Wirt Stiftl, hat der Ersatz für Kirner gefunden: Kirners BR-Konkurrentin Traudi Siferlinger wird in der Schützenlisl das Programm leiten - exakt wie in Kirners Ägide mit Volksgesang und Liederbüchern für die Gäste. So wird die Oide Wiesn heuer ohne Gerdi Reichert und Jürgen Kirner stattfinden. Ihr Konter: Sie planen zur Wiesn-Zeit an vier Abenden eine Gegenveranstaltung: "Die Schönheitskönigin zu Gast im Hofbräuhaus." (17, 18. 24 September und 1. Oktober).

Dort sollen sich dann alle Musiker und Gäste tummeln, die sonst gern in der Schönheitskönigin auf der Oidn Wiesn waren - ein Affront gegen Siferlinger und Stiftl in ihrer Schützenlisl.
Lorenz Stiftl nimmt es locker: "Wettbewerb hat noch nie geschadet", sagt er der AZ - und lacht ein Gewinner-Lachen.
Er hat ja jetzt das ersehnte Zelt - und alles vorbereitet: "Bei uns gibt's Augustiner aus dem Holzfass und Paulaner Weißbier", erzählt er stolz. Und wer wird anzapfen? In der Schönheitskönigin hat das stets Landtagspräsidentin Ilse Aigner erledigt. "Naa", sagt Stiftl, "ich bin unpolitisch. Bei uns zapft die Monika Gruber an." Stiftl und die Kabarettistin haben dasselbe Management.

Es ist halt immer gut, wenn man die richtigen Menschen und Geschäftspartner kennt. Auf der (Oidn) Wiesn erst recht, wie man sieht.