Gehbehinderte beim Wiesn-Besuch: 10 Euro Dreirad-Gebühr

Ihr Dreirad ist Marianne Engelbrechts Freiheit. „Andere Leute gehen Bergsteigen – ich radle durch die Stadt“, sagt sie. Zeit dafür hat die 63-Jährige: Schon mit 53 hat die Schneiderin in Rente gehen müssen, weil ihr Arbeitgeber insolvent ging. „Schade, ich hab’ gern gearbeitet“, sagt sie. Ihrer Rente hat das auch nicht gut getan, aber ihre Lebensfreude hat das nicht gemindert.
Seit ihrem fünften Lebensjahr ist Engelbrecht gehbehindert, heute schwer – von der Hüfte ab ist ihr linkes Bein steif, sie trägt eine Orthese – ähnlich einer Prothese, nur dass darin ihr Bein steckt.
Marianne Engelbrecht hat jemanden, der ihr die Freiheit versüßt: ihre Freundin Lydia Schmidl. Die hat sie vor fünf Jahren im Krankenhaus kennen gelernt, seitdem unternehmen die beiden viel, helfen einander. „Sie hilft vor allem mir“, sagt Marianne Engelbrecht. Dafür näht sie ihrer Freundin gern was. Eine gemeinsame Tradition: Der Gang auf die Wiesn jedes Jahr. Ins Zelt, danach auf einen Kaffee ins Rischart.
Lydia Schmidl organisiert das vorab. Nur dieses Jahr musste sie sich dabei ärgern. „Eigentlich ist für behinderte Besucher alles gut geregelt“, sagt sie selbst. Besonders für Rollstuhlfahrer – nur kann Marianne Engelbrecht mit ihrem steifen Bein in einem solchen schlecht sitzen. Und für das Dreirad braucht’s eine Sondergenehmigung von der Stadt, wie auch für Fahrräder und Motorräder.
Für die muss nun erst einmal eine Zeltreservierung her. Behinderte Besucher können kurzfristig reservieren, das ist eigentlich kein Thema – nur musste Lydia Schmidl dieses Mal auch einen Parkplatz für das Dreiradl dazu organisieren, weil dieses Jahr wegen des ZLFs die üblichen Behindertenparkplätze wegfielen.
Bei der Ochsenbraterei stieß sie schließlich bei ihrem Rundgang auf einen freundlichen Security-Mann, der ihr einen Parkplatz zusicherte. Zurück im Wiesnbüro das Ärgernis: Der Schein fürs Dreirad, der eigentlich für Lieferanten und Beschicker gedacht ist, kostet 10 Euro.
In den Vorjahren wurden die aus Kulanz erlassen – dieses Mal funktionierte das nicht. Im KVR kann man den Vorgang im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren, aber: „Uns ist es ein Anliegen, dass alle gleich behandelt werden“, sagt Daniela Schlegel vom KVR. „Natürlich soll auch Frau Engelbrecht mit ihrem Gefährt die gleichen Möglichkeiten haben wie Rollstuhlfahrer, einen schönen Wiesnbesuch zu haben.“ Sie will der Dreiradfahrerin die Gebühr zurückerstatten.
Einen schönen Wiesnbesuch hatten Lydia Schmid und Marianne Engelbrecht trotz allem. „Im Zelt habe ich einen Gemüseteller mit Pastete und Schwammerl gegessen und eine Radlermaß getrunken“, sagt Marianne Engelbrecht. „Und im Rischart war die Stimmung saugut – da konnte man richtig schön mitsingen!“ Nächstes Jahr, da wollen die beiden Damen wieder auf die Wiesn.
Mit dem Dreirad, ohne Umstände.