Dieter Reiter: „Diese Woche wird Anzapfen geübt“

Drei, maximal vier Schläge sollen es werden, wenn der neue OB Dieter Reiter am Samstag erstmals die Wiesn eröffnet. Dafür wird die Box umgebaut. Der OB im AZ-Interview.
von  Annette Baronikians
Trockenübungen im Amtszimmer: OB Dieter Reiter demonstriert mit seinem roten Schlegel, wie er auf der Wiesn schwungvoll von hinten anzapfen wird. Sein Vorgänger Christian Ude hatte beim Wiesn-Anstich keine Probleme.
Trockenübungen im Amtszimmer: OB Dieter Reiter demonstriert mit seinem roten Schlegel, wie er auf der Wiesn schwungvoll von hinten anzapfen wird. Sein Vorgänger Christian Ude hatte beim Wiesn-Anstich keine Probleme. © Baronikians

München - Münchens (noch immer) neuer OB Dieter Reiter steht vor einer ganz besonderen Herausforderung: Das neue Stadtoberhaupt wird zum ersten Mal Anzapfen. Viel kann bei diesem Ritual passieren. Punkten oder Blamieren? Im AZ-Interview erzählt Reiter in seinem Rathaus-Büro, wie er sich auf das Anstich-Zeremoniell einstimmt.

AZ: Herr Reiter, haben Sie schon Lampenfieber?

DIETER REITER: Nein, bislang nicht. Das wird aber möglicherweise noch kommen.

Wäre nicht verwunderlich. Schließlich schauen Tausende im Schottenhamel-Zelt und Millionen vor den Fernsehern zu, wie Sie zur Tat schreiten.

Ich werde versuchen, das auszublenden, doch das wird sicher nicht ganz leicht. Der Trubel in der Anzapfboxe ist schon groß – allein all die Fotografen und Journalisten...

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Das Anzapfen gilt weltweit als alljährlich wichtigste Amtshandlung des Münchner Oberbürgermeisters.

Den Eindruck mag man bei all dem Wirbel tatsächlich gewinnen (lacht). Fakt ist, dass das Anzapfen auf der Wiesn die bekannteste und weltweit am meisten beachtete Amtshandlung ist.

Wie bereiten Sie sich auf diese vor?

Wie mein Amtsvorgänger Christian Ude werde auch ich ein Anzapf-Training machen.

Wann findet das statt? Viel Zeit bleibt ja nicht mehr.

Ursprünglich war letzte Woche geplant, doch es gab Terminprobleme. Jetzt wird eben diese Woche geübt – beim bewährten OB-Trainer, dem langjährigen Paulaner-Schankkellner Helmut Huber.

Haben Sie schon mal ein 200-Liter-Fass, einen Hirschen, angezapft?

Nein! Ich habe zwar schon oft angezapft, doch das waren bislang immer 50-Liter-Fässer.

Macht Sie das nicht nervös?

Ich denke, dass da viel psychologisch abläuft. Ein Sprung vom Drei-Meter-Brett ist technisch betrachtet nicht anders als einer vom Zehn-Meter-Brett. Also müsste es auch beim 200-Liter-Fass klappen, wenn’s bei den kleineren Fässern funktioniert. Doch es ist halt ein Unterschied, ob man vor einigen hundert Menschen bei einem Bürgerfest anzapft oder vor Millionen auf der Wiesn.

Ihr Vor-Vorgänger, der legendäre Thomas Wimmer, hat einst 19 Schläge gebraucht.

Ja, stimmt. Doch man darf auch nicht vergessen, dass er 1950 spontan und unerwartet zu der ehrenvollen Aufgabe des Anzapfens kam. Anders als alle Oberbürgermeister nach ihm konnte Wimmer sich nicht vorbereiten.

Und an der Technik feilen?

Ja, auch das. Die aus heutiger Sicht in der Tat eher ungewöhnliche Technik vom Wimmer Dammerl wurde modifiziert: Man schiebt nicht mehr, man schlägt.

Wie viele Schläge sind Ihr Ziel?

Drei oder vier Schläge. Mehr sollten es nicht sein. Ich gehe davon aus, dass meine Umgebung und ich trocken bleiben.

Medial betrachtet wäre eine Bierfontäne gar nicht mal zu verachten.

Da haben Sie Recht, doch das Interesse an meiner Anzapf-Premiere ist so schon groß genug. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mehrfach darauf angesprochen werde. Das reicht von mehr oder weniger lustigen Witzen bis zu lieben Glückwünschen von Menschen, die mich auf dem Marienplatz oder in der U-Bahn ansprechen.

Wären denn fünf Schläge oder sogar noch ein paar mehr eine Blamage?

Darüber mache ich mir erstmal keine Gedanken. Bei seiner Anzapf-Premiere brauchte der spätere Anstich-Meister Christian Ude noch sieben Schläge. Seiner Karriere und Beliebtheit hat das nicht geschadet, und das beruhigt (lacht).

Apropos Ude: Nach zwei Jahrzehnten zapft jetzt kein Linkshänder, sondern wieder ein Rechtshänder an…

Müsste ich mit links anzapfen, bräuchte ich wahrscheinlich weit mehr als 19 Schläge! Weil ich Rechtshänder bin, wird dieses Jahr die Anzapfboxe umgebaut. Sonst würde man mich beim Anstich nur von hinten sehen.

Im Trachtenanzug oder in der Lederhose?

In meiner Lederhose. Die ziehe ich während des Oktoberfests gern und oft an. Sie ist praktisch, widerstandsfähig und passt zur Tradition. Meine fünf Trachtenanzüge kommen auf den vielen offiziellen Terminen im Laufe der Wiesn aber auch noch zum Einsatz.

Hinter Ihnen im Regal steht ein besonderes Mitarbeiter-Geschenk, das Sie zur OB-Wahl bekommen haben: ein rot lackierter Schlegel. Würden Sie uns mit diesem Ihre Anzapf-Technik demonstrieren?

Warum nicht? Wie die meisten meiner Amtsvorgänger schlage ich nicht seitlich mit dem Schlegel auf den Wechsel, sondern mit viel Schwung von hinten. Also: weit ausholen, mit gestreckter Hand gerade schwingen, und dann haut man voll drauf. Der erste Schlag muss sitzen. Das ist das A und O.

Was ist für Sie das Schwierigste beim Wiesn-Anstich? Was werden Sie mit Ihrem Trainer besonders üben?

Der mechanische Vorgang muss sitzen, das ist klar. Was ich mir aber weit komplizierter vorstelle, ist das Anzapfen nach der Uhr. Das macht man ja sonst nicht. Im Schottenhamel wird kurz vor zwölf Uhr lautstark runtergezählt. Doch wann schlage ich los, damit das Bier auf die Sekunde genau fließt? Sechs Sekunden vor zwölf? Fünf? Das muss ich mit meinem Trainer üben.

Na, dann wünschen wir viel Glück und gute Nerven.

Danke. Ich freu mich drauf.

 

 

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