Die Pläne gegen den Wiesn-Wahnsinn

Die Bilanz 2012 ist erneut überragend, gibt aber auch Anlass zum Nachdenken. „Ob wir diese Steigerung durchhalten, ist die Frage“, sagt der Wiesn-Chef.
von  Laura Kaufmann
Multikulti-Wiesn: Insgesamt sind heuer rund 6,4 Millionen Oktoberfest-Gäste aus anderen Nationen nach München gereist. (Quelle: Referat für Arbeit und Wirtschaft)
das Besucheraufkommen auf circa 6,4 Millionen Gäste
Multikulti-Wiesn: Insgesamt sind heuer rund 6,4 Millionen Oktoberfest-Gäste aus anderen Nationen nach München gereist. (Quelle: Referat für Arbeit und Wirtschaft) das Besucheraufkommen auf circa 6,4 Millionen Gäste © dpa/Peter Kneffel

Die Bilanz 2012 ist erneut überragend, gibt aber auch Anlass zum Nachdenken. „Ob wir diese Steigerung durchhalten, ist die Frage“, sagt der Wiesn-Chef – und beschäftigt sich mit neuen Ideen

Zur Halbzeit sah es fast so aus, als würde sie wieder den Rekord knacken, die Wiesn. Langsam wird das allen Beteiligten unheimlich, „gerade freitags und samstags platzt die Wiesn eh schon aus allen Nähten“, stellte OB Christian Ude fest. Die Welt scheint Ende September kein anderes Ziel zu kennen als München, Theresienwiese.

6,4 Millionen Gäste kamen heuer. Das sind 400000 mehr als 2008, als es zuletzt wegen des Zentralen Landwirtschaftsfestes eine „kleine Wiesn“ gegeben hatte. „Das ist eine Steigerung um sieben Prozent“, rechnet Wiesn-Chef Dieter Reiter vor. „Ob wir diese Steigerung durchhalten, ist die Frage – und auch, ob wir den Platz haben für so viele Leute.“

Dazu gab es mehr Einsätze für die Polizei, die meldet: „An den Samstagen gehen wir ans Limit“. Auch am Security Point sehe es an den besucherstärksten Tagen aus „wie in einem Feldlazarett“.

Wiesn-Chef Reiter sagt es so: „Ich glaube, die natürliche Grenze ist bei sieben Millionen Besuchern erreicht.“ Nächstes Jahr ist statt des ZLF die „Oide Wiesn“ da, deren Gemütlichkeit vielen Münchnern als Zufluchtsort dient. „Wir werden die Oide Wiesn nächstes Jahr geräumiger machen, aber nicht mit mehr Sitzplätzen aufrüsten“, sagt Reiter – und kommentiert in der AZ weitere Pläne gegen den Wiesn-Wahnsinn.

NEUE RESERVIERUNGSREGELN

Die Idee: Von Montag bis Freitag sollen 25 Prozent aller Zeltplätze reservierungsfrei gehalten werden, an Wochenenden und Feiertagen bis 15 Uhr 50 Prozent, danach 35 Prozent. So ergäben sich über die gesamte Wiesnzeit 148000 zusätzliche freie Plätze.

Wer fordert’s? Wiesn-Chef Dieter Reiter selbst.

Was soll’s bringen? So sollen auch kurzentschlossene Münchner die Chance haben, einen Platz im Zelt zu bekommen. „So sind 75 Prozent der Plätze immer noch reserviert, und ich denke, das ist genug.“

Wen ärgert’s: Die Wirte – sie wollen ihre Stammgäste nicht enttäuschen.

Erfolgschancen: Nicht ganz unrealistisch.

EIN MÜNCHNER MONTAG

Die Idee: Ein zusätzlicher Montag als letzter Wiesntag – die Touristen sind schon abgereist, die Münchner kommen zum Zug. Zusätzlich sollen keine Reservierungen für diesen Montag entgegengenommen werden.

Wer fordert’s? Die Rathaus-CSU. Was soll’s bringen? Spontanbesuche für Münchner möglich machen, Fraktionschef Josef Schmid erhofft sich außerdem als Gegengeschenk der Wirte eine gewisse „Periode der Preisstabilität“.

Wen ärgert’s? Genervte Anwohner, die noch einen zusätzlichen Tag ertragen müssen.

Erfolgschancen: Nicht ganz unrealistisch. „Nachdem die Ideen einander nicht unähnlich sind, werden wir sie in eine Vorlage packen“, sagt Wiesn-Chef Dieter Reiter.

RESERVIERUNGSVERBOT, OIDE WIESN VERGRÖSSERN

Die Idee: Generelles Reservierungsverbot in den Mittelschiffen, zusätzliche vier Festzelte auf der Oidn Wiesn – außerdem eine Preisobergrenze für die Maß bei sieben Euro und die Abschaffung der Toleranzgrenze bei Schankkontrollen.

Wer fordert’s? Der Verein gegen betrügerisches Einschenken – mit seinem Bürgerbegehren für ein gemütliches Oktoberfest.

Was soll’s bringen? Eine gemütlichere Wiesn fürs Volk.

Wen ärgert’s? Preisobergrenze? Reservierungsverbot? Die Wirte!

Erfolgschancen? In diesen Ausmaßen ziemlich gering.

MEHR ZELTE

Die Idee: Zwei, drei mehr Festzelte auf die Wiesn stellen.

Wer fordert’s? Nicht wenige Einheimische, die keinen Platz im Zelt gefunden haben.

Was soll’s bringen? Entzerrung und mehr Platz für die Besucher.

Wen ärgert’s? Konkurrenz auf der Festwiese ärgert alle schon vorhandenen Parteien. Belebt ist das Geschäft ja schon genug.

Erfolgschancen: Gegen null. „Wir wollen die Mischung aus Zelten, Schaustellern und Buden so halten, wie sie ist“, sagt Wiesn-Chef Reiter, „Sonst sind wir schnell bei dem Oktoberfest in China, mit 20 Bierzelten und einem Riesenrad.“

TAG DER SCHAUSTELLER

Die Idee: Ein zusätzlicher Tag, an dem die großen Bierzelte geschlossen bleiben.

Wer fordert’s: Vor allem Besucher mit Kindern sind dafür.

Was soll’s bringen? Einen richtigen Familientag, an dem Saufgelage ausbleiben und die auf die Wiesn gehen, die sich an den Fahrgeschäften erfreuen.

Wen ärgert’s? Bislang sind solche Pläne (noch) nicht laut genug geäußert worden, um Ärger zu verursachen – und es fehlt ein politisches Zugpferd.

Erfolgschancen: Laut Dieter Reiter wohl gering: „Die Mischung macht die Wiesn aus: Die Leute wollen nach dem Bierzeltbesuch noch etwas fahren – und andersherum. Wer keinen Platz in der Wirtsbudenstraße findet, schaut erst einmal in die Schaustellerstraße.“

EIN ZAUN UM DIE WIESN

Die Idee: Die Theresienwiese ist abgesperrt – wenn’s voll ist, darf niemand mehr drauf.

Wer fordert’s? Menschen mit Platzangst.

Was soll’s bringen? Eine Eindämmung der Besucherzahl, wenn gar nichts mehr hilft.

Wen ärgert’s? Alle.

Erfolgschancen: Es ist das Horror-Szenario – „das will nun wirklich niemand, und so weit wird es, denke ich, auch nie kommen“, sagt der Wiesn-Chef.

Es gibt ja Alternativen. Und ab heute wieder Zeit zum Nachdenken und Debattieren.

 

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