Das Krankenhaus auf der Festwiese

Schnitte, Platzwunden, Bierleichen - auf dem Oktoberfest gibt es auch Verletzte und Erschöpfte. Was die Ehrenamtlichen des BRK auf der Wiesn leisten
von  Christian Pfaffinger
Die Einsätze sind dicht getaktet: Während eine leere Trage weggefahren wird, kommt dahinter schon ein neuer Patient in die Aufnahme.
Die Einsätze sind dicht getaktet: Während eine leere Trage weggefahren wird, kommt dahinter schon ein neuer Patient in die Aufnahme. © Daniel von Loeper

Schnitte, Platzwunden, Bierleichen - auf dem Oktoberfest gibt es auch Verletzte und Erschöpfte. Was die Ehrenamtlichen des BRK auf der Wiesn leisten.

München - Eine junge, blonde Frau sitzt auf der Liege. Blut läuft über ihr Gesicht, den Hals hinunter und in ihre weiße Dirndlbluse. Sie schaut benommen. „Eine kleine Platzwunde über der Augenbraue. Das blutet gleich stark“, sagt Tobias Kettner.

Die Frau wird sofort behandelt, während von draußen schon der nächste Patient hereinkommt. Ihm tropft Blut vom Arm. Aufgeschnitten, an Scherben. Eine klassische Wiesn-Verletzung. Der Mann darf sich auf eine Liege setzen und kriegt einen Verband.

Millionen Menschen feiern auf der Wiesn – und Tausende landen hier: in der Sanitätsstation des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) im Servicezentrum auf dem Oktoberfest. Es ist fast ein kleines Krankenhaus auf der Festwiese.

Letztes Jahr haben die ehrenamtlichen Helfer vor Ort 7324 Patienten behandelt. Heuer waren es zur Halbzeit 3737 und damit etwas weniger als im Vorjahr zur gleichen Zeit. Die Gesamtbilanz steht natürlich erst nach diesem Wochenende fest – an dem die Helfer des BRK nochmal sehr viel zu tun haben.

Bis zu 120 Freiwillige sind dann im Einsatz, in der Sanitätsstation ist rund um die Uhr jemand da. Unter der Woche ist weniger Personal da und um halb zwei in der Nacht schließt die Station. Eigentlich. Oft dauert es doch länger, weil es so viel zu tun gibt.

„Hier sieht man alles, was das ärztliche Spektrum zu bieten hat“, sagt Tobias Kettner. Er ist heute Behandlungsleiter „Viele kommen mit Platz- und Schnittwunden, mit Brüchen oder verstauchten Füßen – etwa, weil sie beim Tanzen von der Bank gefallen sind.“ Oft seien es aber gar keine so schlimmen Verletzungen: „Manche haben sich eine Blase gelaufen, müssen sich ausruhen oder haben Kreislaufprobleme, weil sie ohne Grundlage auf die Wiesn gegangen sind.“

Aber es gibt auch sehr ernste Fälle, etwa Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Für die Notfallversorgung ist die Station ausgerüstet. Für komplizierte oder langwierige Behandlungen werden Patienten aber in Kliniken eingeliefert. Sankas stehen hinter der Station bereit.

Natürlich führt auch der Rausch die Wiesn-Besucher zum Roten Kreuz. Alkoholisiert seien die meisten Patienten, sagt Tobias Kettner, die meisten aber nicht stockbesoffen. Trotzdem: 350 Alkoholvergiftungen mussten die Wiesn-Sanis bis zur Halbzeit behandeln.

Im Überwachungsraum gibt es Betten für Bierleichen. Auf einem sitzt gerade eine Frau, eingehüllt in eine Decke, unter die ein Schlauch warme Luft bläst. In einem anderen liegt ein noch recht junger Mann in einem Zustand zwischen Rausch und Schlaf. Auf einem Schild neben dem Bett steht: „Eltern anrufen“.

Bei anderen werden nicht die Eltern, sondern die Polizei gerufen. Deren Wiesn-Wache ist gleich nebenan. Mehrmals am Abend rücken die Beamten an, weil Patienten aggressiv werden. Etwa ein besoffener Mann, der wild fuchtelt und den BRK-Helfern droht. Sofort sind Polizisten da und nehmen ihn mit.

„Er hätte es so schön haben können“, sagt einer der Sanis. Statt eines Betts im Ruheraum des BRK kriegt der Mann jetzt eins nebenan bei der Polizei.

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