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Café Theres': Wo der (Spül-)Bär steppt

420 Menschen passen ins Theres', das alte Café Mohrenkopf, auf der Wiesn. In der Stunde macht das 840 Tassen, die Frank Lenser säubern muss. Plus weiteres Geschirr. Der 60-Jährige freut sich darauf.
von  Leonie Fuchs
Frank Lenser arbeitet einmal im Jahr - neben seinem Job bei der Deutschen Bahn - als Spüler auf der Wiesn.
Frank Lenser arbeitet einmal im Jahr - neben seinem Job bei der Deutschen Bahn - als Spüler auf der Wiesn. © Daniel von Loeper

München - Teekännchen, große Tassen, kleine Tassen, Kuchenbesteck, normales Besteck, Brotzeitbrettl, Weingläser, Champagnergläser, Teller, Kuchenteller - all dieses Geschirr wäscht Frank Lenser in Windeseile. 

Ein Spülgang dauert etwa eineinhalb Minuten. Zeit genug für den 60-Jährigen, um die nächste Ladung vorzubereiten, oder die fertige zu überprüfen. Kein Lippenstift-Abdruck darf mehr zu sehen sein. Sonst heißt es: zurück in die Maschine. Alles muss blitzblank sein für die Gäste im Café Theres', dem Café- und Weinzelt auf dem Oktoberfest.

Wirtin Katharina Wiemes und Frank Lenser vor dem Café Theres' (ehemals: "Café Mohrenkopf"), das heuer mit neuer Farbe und neuem Namen erstrahlt, benannt nach Therese, Königin von Bayern.
Wirtin Katharina Wiemes und Frank Lenser vor dem Café Theres' (ehemals: "Café Mohrenkopf"), das heuer mit neuer Farbe und neuem Namen erstrahlt, benannt nach Therese, Königin von Bayern. © Daniel von Loeper

Lenser liebt die Wiesn, das merkt man im AZ-Gespräch. Und er liebt die Action, mit der sein Minijob verbunden ist. Einmal im Jahr raus aus dem Alltagstrott, dahin, wo der Bär steppt, erklärt er. Das mache er jedes Jahr, seit 15 Jahren schon. Zwei Jahre "draußen sein" hat ihm die Pandemie geraubt.

Vom Züge säubern zum Tassen spülen

Hauptberuflich arbeitet der Eisenbahn-Interessierte bei der Deutschen Bahn als Technischer Reiniger. Dort säubert er die Züge und nimmt Reparaturen vor. Die Arbeit auf dem Oktoberfest bedeutet für ihn Abwechslung, sagt der Mann aus Magdeburg. Dann nimmt er Urlaub von seinem Bahn-Job und arbeitet als Spüler im Zelt.

Das Café Theres' heißt erst seit diesem Jahr so. Gebacken wird täglich frisch in der hauseigenen Backstube und Konditorei, in dritter Generation, seit 1950, so Wirtin Katharina Wiemes. Aus dem einstigen Kaffeehaus ist ein Café- und Weinzelt geworden, in dem es auch Cocktails, Livemusik, Brotzeit und Süßes - etwa Apfelstrudel oder Kuchen - gibt. "Unser Zelt ist eine Oase im Trubel", findet Wiemes. Denn während in anderen Zelten schon ab 12 Uhr Musik gespielt wird, rockt die Band "Wadlbeißer" hier erst ab 18 Uhr.

Die Festwirtin zeigt auf ein Foto im Zelt: So sah das "Café Mohrenkopf" 1950 aus. Es ist laut Wiemes das älteste Café-Zelt auf der Wiesn.
Die Festwirtin zeigt auf ein Foto im Zelt: So sah das "Café Mohrenkopf" 1950 aus. Es ist laut Wiemes das älteste Café-Zelt auf der Wiesn. © Daniel von Loeper

Das Spektakel Oktoberfest habe Lenser schon immer fasziniert. Nach der Wende musste er einfach dorthin, raus zur Wiesn, einmal dort arbeiten! "Sie ist dafür da, um fröhlich zu sein, zu feiern, die Sau rauszulassen." Die Band gefalle ihm im Café Theres' besonders gut. Wenn die loslege, dann gehe es im Zelt rund - "herrlich". Dann lauscht er der Musik - aus dem Hintergrund, in der Küche.

"München braucht die Wiesn wie die Luft zum Atmen"

Der Tag als Spüler beginnt gemütlich. Die Frühschicht startet um sechs Uhr. Dann wird im Team mit Chefin, Konditoren und Kellnern gefrühstückt und eingeteilt, wer für welchen Bereich zuständig ist. Ist die Ruhe vor dem (An-)Sturm vorbei, muss jede Schraube im Getriebe sitzen.

"Alleine ist die Arbeit nicht zu stemmen. Wenn ein Teil im Zahnrad fehlt, läuft hier nichts mehr." Der Job sei hart, jeder der rund 40 Kollegen müsse anpacken. "Hier wird richtig gearbeitet." Das Team sei toll, ein "gutes, motiviertes". Gespült wird zu dritt. Wenn zu viele Kaffee- und Wein-Wütige vor Ort sind, dann packe auch mal einer der Kellner oder die Chefin selbst in der Küche mit an. Anders gehe es nicht.

420 Menschen passen in das Festzelt. Etwa alle halbe Stunde wechselt das Publikum. "Das macht allein 840 gespülte Tassen pro Stunde", rechnet Wiemes vor. Und das Geschirr-Sortiment ist groß. Per Hand werde in der Spülküche nicht mehr viel abgewaschen, sagt Lenser lachend. Er räumt Geschirr aus Kisten ein und aus, in die Maschine, hievt sie durch die Gegend, macht die Qualitätskontrolle: kein Fleckerl zu sehen?

An Wochenenden sei besonders viel los. "Wenn ein Kellner neues Besteck braucht, muss das kommen." Oft sei sein Arbeitstag erst um 1 Uhr nachts beendet. Lenser muss auf Zack sein. 17 Tage lang. Zwischendrin gebe es aber ein Stückchen Kuchen oder Brotzeit.

Angst vor  Ansteckung mit Covid-19 hat Lenser nicht

Klar, Betrunkene haben bei ihm in der Spülküche auch schon vorbeigeschaut. Aber ein Problem habe es nie gegeben. "Die waren immer freundlich."

In den letzten zwei Pandemie-Jahren hat er das Fest vermisst, sagt der 60-Jährige. Angst vor der Ansteckung mit Covid-19 habe er heuer nicht. Man passe natürlich auf, desinfiziere mehr.

Der Spüler möchte endlich wieder ins Getümmel. "Es wird Zeit!" München brauche die Wiesn - "den Flair, die Besucher aus der ganzen Welt, die Tradition - wie die Luft zum Atmen." Schon der Einzug der Wiesnwirte zum Auftakt bereite ihm eine große Freude. Und auch, endlich das Team wieder zu sehen. "Es ist familiär."

"Franky" gehöre zur Familie, sagt auch die Festwirtin. Genau wie die anderen Mitarbeiter. Man erlebe eine intensive Zeit miteinander. "Jeder ist mit der Seele dabei, man hilft sich gegenseitig, hat ein offenes Ohr auch unterm Jahr", erklärt Wiemes. "Wir schicken uns auch Bilder, wenn wir im Urlaub sind." In einem kleineren Zelt, als mittelständischer Betrieb, sei so ein familiäres Beisammensein noch möglich. "Man freut sich, wenn man sich wieder sieht."

Noch ist viel Geschirr in Kisten verstaut. Ein bisserl dauert's noch, bis es für Frank Lenser wieder losgeht. Er freue sich, und fügt grinsend hinzu: "Wobei, nach zwei Wochen Wiesn ist man wieder urlaubsreif." Im wörtlichen Sinne. Heuer geht's im Anschluss auf die Philippinen, gemeinsam mit seiner Frau.

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