Auf eine Maß mit Winnie und Mutti

Im Münchner Kultur- und Nachtleben sind die beiden Drag Queens eine unverzichtbare Größe. Winnie und Mutti besuchen Vorstellungen der Bayerischen Staatsoper und des Gärtnerplatztheaters. Auch bei den Münchner Philharmonikern sind sie öfter zu sehen. Gelegentlich berichten sie ihre Sicht der Kunst in dieser Zeitung. Diesmal haben wir mit ihnen über das unvermeidliche Thema dieser Tage gesprochen: das größte Volksfest der Welt.
AZ: Meine Damen, man hört immer wieder, Prosecco sei Ihr Lieblingsgetränk. Ist die Wiesn da überhaupt das Richtige für Sie?
WINNIE: Wir sind zwei Münchner. Und daher mit dem Bier im Schnuller aufgewachsen. Bier ist immer da.
MUTTI: Auch ohne Wiesn.
Wie oft waren Sie heuer schon draußen?
WINNIE: Beim Anstich und am Bräurosl-Sonntag. Und zwischendurch bei mehreren ausgedehnten Mittagswiesn.
Immer im Dirndl oder auch in der Lederhosn?
MUTTI: Sowohl als auch. Es ist nicht immer ganz einfach, bunt auf die Wiesn zu gehen.
WINNIE: Es ist wie mit der ganzen Gesellschaft. Wem die Buntheit vertraut ist, der hat damit kein Problem. Beim Rest der Leute ist die Reaktion nicht immer völlig einschätzbar. Es läuft halt jeden Tag ein Depp durchs Sendlinger Tor.
MUTTI: Und der begegnet dir garantiert am Wiesneingang.
Das klingt, als hättet Ihr schlechte Erfahrungen gemacht?
WINNIE: Lustigerweise war das nicht in Bunt, sondern in der Lederhosn und als Buam. Kaum hatten wir das Essen am Tisch, hat uns eine Gruppe am Nebentisch als schwul enttarnt. Die Weiberleut haben sich da leider besonders hervorgetan. Dann hat es sauber gscheppert.
War das Oktoberfest früher besser? Oder verändert es sich nur – wie alles andere in der Welt?
MUTTI: Karl Valentin hat gesagt: „Die Zukunft war früher auch besser“. Natürlich kann man über den Bierpreis lästern. Aber Wirte haben auch ihre Kosten.
WINNIE: Seit acht, neun Jahren sieht man, wie Madln auf der Straße oder in der U-Bahn mit der Flasche in der Hand vorglühen. Das gab es früher nicht.
MUTTI: Gsoffen wurde immer. Aber es gibt mehr junge Leute, die sich sinnlos betrinken – auch junge Mädchen. Wenn ich in meiner Jugend mit einer Bierflaschn auf der Straße rumglaufn wär, hätte man mir eine gschmiert. Und wie ich finde, zu recht.
WINNIE: Schön ist es, wenn man es sich schön macht. Ich würde mir etwas weniger Kommerz und mehr Freundlichkeit wünschen. Wer dir eine Fischsemmel für fünf Euro verkauft, sollt wenigstens ein freundliches Gesicht aufsetzen.
Ist die Wiesn heuer wegen der Sicherheitsvorkehrungen anders als sonst?
WINNIE: Am Eingang schauen die Sicherheitsleute den Damen zuerst auf den Busen, dann in die Handtasche und dann wieder auf den Busen.
MUTTI: Ich halte die Sicherheitsvorkehrungen für Panikmache. Die Zeitungen sind da auch nicht unschuldig. Sie schüren die Angst, anstatt die Leute zu beruhigen.
WINNIE: Es ist heuer übersichtlicher und gemütlicher. Ich mag die Stimmung. Die Klagen der Schausteller finde ich übertrieben: Das Wetter war immer mal wieder schlecht.
MUTTI: Als ich Kind war, hat es sogar geschneit. Da bist du dann im Matsch gestanden.
Mich stört das Rucksackverbot etwas – ich brauche meine Herrenhandtasche, weil ich Bücher mit mir rumtrage.
MUTTI: Aber geh – wenn’st dann über der Soachrinna hängst, willst dann a Buach lesn? Oder am Kotzhügl? Oder brauchst den Günter Grass als Klopapier?
WINNIE: Ich muss keine Wechselwäsche mitbringen, weil ich mich nicht anbiesle. Dass Rucksäcke verboten sind, finde ich sehr rücksichtsvoll.
Regine Sixt hat ängstlicherweise ihre Damenwiesn ausfallen lassen. Ein Verlust?
WINNIE: Sie hat uns jahrelang als Künstlerinnen gebucht. Wir waren gern dort. Regine Sixt ist eine süße, herzliche Frau. Die Mädls waren aufgeschlossen. Und bis Roberto Blanco gemerkt hat, wer wir sind, waren wir wieder weg. Später hat Regine Sixt die künstlerische Begleitung eingeschränkt, und es ist ein Geschäftstermin draus geworden.
Könnte die Musik auf der Wiesn nicht besser sein?
MUTTI: Ein Klassik-Zelt fände ich ganz schön.
WINNIE: Ich mag die Musik im Herzkasperl-Zelt auf der Oidn Wiesn, die es heuer wegen dem Landwirtschaftsfest nicht gibt.
Meine Damen, was ist ihr Lieblings-Fahrgeschäft?
WINNIE: Die Wilde Maus.
MUTTI: Die Geisterbahn. Die haben wir das ganze Jahr.
Die finde ich langweilig.
MUTTI: Dann musst Du mit uns fahren. Ich finde, es versetzt uns in die Kindheit zurück.
WINNIE: Mutti, Du meinst die Krinoline!
Nach meinem Gefühl wäre das eigentlich das ideale Fahrgeschäft für Sie, meine Damen.
MUTTI: Wie meinst Du das jetzt? Vom Alter her? Vorsicht, junger Mann, Sie bewegen sich auf dünnem Eis.
WINNIE: Übrigens: Früher durfte man in der Krinoline eine Maß mitnehmen, hat mir Mutti erzählt.
Und der Schichtl?
WINNIE: Wir stehen oft lange mit der Fischsemmel und einem Bier vor der Bude und hören dem Schichtl zu. Und dann gehen wir auch rein.
MUTTI: Beim Schmetterlingstanz kriegst du die Motten. Und dann Kopf ab! Das ist immer schee, ich mag’s gern.
Wer soll denn unbedingt geköpft werden?
WINNIE: Sag ich nicht. Was man sich wünscht, kommt wieder zurück. Sonst bin ich erzkatholisch, aber da glaub ich ans Karma.
MUTTI: Es stimmt schon, dass viele nur noch rumlaufen, weil ich mir keinen Auftragskiller leisten kann. Wegen mir könnte der Schichtl am Fließband köpfen.
Warum so grantig, gnädige Frau?
MUTTI: Ich mag nicht, dass die Wiesn zum Faschingsfest verkommt, was die Trachten angeht. Ich hätte nichts gegen eine Modepolizei, die schlechte Beispiele am Pranger ausstellt.
WINNIE: Es ist schöner geworden. Die Glitzerdirndln verschwinden. Es gibt junge Designer, die sich auf die Wurzeln der Tracht besinnen. Mir gefällt überhaupt, dass sich die jungen Leute wieder besser anziehen – etwa wenn sie in die Oper gehen. Und bei der Tracht achten viele darauf, dass die Sachen gut zusammenpassen und nicht so aufgmaschlt wirken.
MUTTI: Vor allem keine Turnschuhe! Zu einer Tracht passt das nicht. Entweder – oder. Katz oda Koda. Schau uns an: Wir sind echt. Von vorn bis hinten.