Oktoberfest-Attentat: Polizei sucht Zeugen

35 Jahre nach dem blutigsten Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik bittet das Landeskriminalamt die Bevölkerung um Hinweise, Fotos und Filmaufnahmen vom Tat-Tag.
Natalie Kettinger |
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München - Es ist kaum zu glauben: Das Oktoberfest-Attentat am 26. September 1980 gilt als schlimmster Terror-Anschlag in der deutschen Nachkriegsgeschichte – doch erst jetzt, knapp 35 Jahre nach dem Blutbad, bei dem 13 Menschen starben und mehr als 200 verletzt wurden, suchen die Ermittler offensiv nach Zeugen.

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Das Bayerische Landeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft, die das Verfahren seit Dezember 2014 neu aufrollt, haben die Bevölkerung am Freitag gemeinsam um ihre Unterstützung gebeten.

„Wer war am 26. September 1980 auf der Münchner Theresienwiese und hat das Tatgeschehen beobachtet oder kann sonst Angaben zu dem Attentat machen?“, fragen die Fahnder. Und: „Wer kann Foto- oder Filmaufnahmen zur Verfügung stellen, die am Tag des Attentats auf der Theresienwiese oder in der Umgebung des Oktoberfests aufgenommen wurden?“ Auch Bilder und Filme, die bereits vor der Explosion um 22.19 Uhr entstanden sind, seien von großem Interesse.

Offiziell gilt das Oktoberfest-Attentat bis heute als das tödliche Werk eines Einzelnen: Gundolf Köhler aus Donaueschingen, Geologie-Student und Rechtsextremist, soll die Bombe gebastelt und – aus Liebeskummer – in einem Mülleimer am Haupteingang zur Wiesn deponiert haben. Köhler kam bei der Detonation ums Leben, im November 1982 wurden die ersten Ermittlungen eingestellt.

Einer, der nie an die Einzeltäter-Theorie geglaubt hat, ist der BR-Journalist Ulrich Chaussy. Seit Jahrzehnten sammelt er Indizien dafür, dass Köhler Hintermänner hatte – und wirft den früheren Ermittlern Versagen vor. Nur ein einziges Mal hätte sich die „Soko Theresienwiese“ an die Öffentlichkeit gewandt, sagt er. Mit einem Phantombild von Köhler sei damals nach zwei Männern gesucht worden, mit denen der 21-Jährige vor der Explosion am Brausebad gesehen worden war. Chaussy: „Man hat darum gebeten, dass sie sich als Zeugen melden. Dass sie das nicht taten, wurde als Beweis dafür gewertet, dass sie nichts mit der Sache zu tun haben.“

Oktoberfest-Attentat: Wird neu ermittelt?

Ab Mitte November 1980 seien Aussagen, die auf Mittäter hinwiesen, überhaupt nicht mehr verfolgt worden – auch nicht der Hinweis einer jungen Frau. Diese sei direkt nach der Detonation zwei Männern begegnet, von denen einer immer wieder stammelte: „Das wollte ich nicht. Helft mir. Das wollte ich nicht.“ Ulrich Chaussy: „Nach diesen beiden wurde nie gesucht.“

Fotos, Filme, Augenzeugen – sie interessierten die Fahnder 1980 nicht. Ulrich Chaussy erzählt von einem Fotografen, der am 26. September seine neue Kamera auf dem Oktoberfest erprobte. „Er hat einen ganzen Film aufgenommen.“ Seine Bilder vom Attentat erschienen später in etlichen Zeitungen. „Aber von den Ermittlern hat sich keiner bei ihm gemeldet. Erst vor wenigen Wochen ist jemand an ihn herangetreten.“

Auch Chaussy hat in der Zwischenzeit neue Puzzleteile gesammelt. Nach der Ausstrahlung des Films „Der blinde Fleck“ über seine hartnäckige Wahrheitssuche meldete sich ein Polizist bei dem Reporter. Nach der Detonation war eine abgesprengte Hand gefunden worden. „Dieser Polizist hat sie eingetütet und zur Sammelstelle gebracht“, erzählt Chaussy. „Die Innen- und Außenflächen waren unversehrt.“ Gundolf Köhlers Hände müssen bei der Explosion jedoch pulverisiert worden sein. Wem gehörte also das Handfragment, das niemandem zugeordnet werden konnte?

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Im Wiederaufnahmeverfahren wird nun endlich nach möglichen Mittätern gesucht. Eine Entwicklung, die Ulrich Chaussy sehr begrüßt. „Die Ermittler scheinen beide Seiten des Auftrags von Generalbundesanwalt Harald Range ernstzunehmen: Neues zu recherchieren und die alte Ermittlung nach einmal kritisch durchzugehen.“ Das sei keine einfache Aufgabe, sagt der Reporter. Wegen der „eklatanten Pannen“ ihrer Vorgänger und des langen zeitlichen Abstands: „Kein Mensch sieht noch so aus wie damals.“

Die Soko „26. September“ nimmt Hinweise unter der Nummer 089 - 12 12 19 80 oder per E-Mail entgegen unter blka1980@polizei.bayern.de

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