ÖPNV-Abgabe für alle Münchner? "Faschingsscherz!"

München - Die Fahrgastzahlen beim MVV sind in der Pandemie eingebrochen, ob die Öffentlichen einen Rettungsschirm bekommen, ist unklar – und so könnten viele schöne Pläne für mehr U-Bahnen, Busse und Trams in der Stadt, wenn es schlecht läuft, wieder in der Schublade verschwinden.
Wortmann fordert, dass auch Autofahrer für den ÖPNV zahlen
MVG-Chef Ingo Wortmann hat deshalb am Donnerstag in der AZ eine mögliche Zwangsabgabe für alle Münchner ins Gespräch gebracht – also auch für Autofahrer. "Ich halte es für angemessen, dass auch Menschen für den ÖPNV zahlen, die selbst nur Auto fahren", sagt er, "weil sie davon profitieren. Wenn andere öffentlich fahren, werden die Straßen entlastet."
Im Stadtrat kommt das bei der grün-roten Mehrheit gut an. "Es muss eine Finanzierung außerhalb der Ticketpreise geben", sagt SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl zur AZ. "Wenn der Freistaat das Kommunale Abgabengesetz so ändern würde, dass man eine Abgabe von allen Münchnern und Touristen in den ÖPNV stecken könnte, würden wir das begrüßen."

Eine City-Maut steht ebenfalls zur Diskussion
Auch Grünen-Fraktionschef Florian Roth plädiert für "neue Finanzierungsinstrumente neben der Förderung durch den Bund", denn der Ausbau des Tram- und U-Bahn-Netzes werde viel Geld kosten. "Eine Nahverkehrsabgabe oder auch eine City-Maut sind da sinnvolle Vorschläge." Bei einer City-Maut für Autofahrer wäre auch die Fraktion aus ÖDP und Freien Wählern mit im Boot. "So müsste man nicht künstlich eine ÖPNV-Abgabe fordern, hätte aber trotzdem Mittel für einen schnellen Netzausbau", sagt ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff.
Entrüstung bei CSU, FDP und Bayernpartei
Bei CSU, FDP und Bayernpartei stößt das Gedankenspiel Wortmanns auf Entrüstung. "Eine Zwangsabgabe für alle Münchner lehnen wir ab, das ist Sozialismus aus der Mottenkiste", poltert CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. "Der ÖPNV wird aus Steuermitteln subventioniert. Somit leistet bereits jetzt jeder Steuerzahler einen Beitrag zur Finanzierung von U-Bahn, Bus und Tram." Die CSU setze lieber auf Anreize für die Nutzung des ÖPNV, wie das 365-Euro-Ticket für alle.
Ein verspäteter Faschingsscherz?
"Bei Herrn Wortmanns Idee handelt es sich wohl um einen verspäteten Faschingsscherz", erklärt FDP-Stadtrat Fritz Roth, und: "Eine Zwangsabgabe für den ÖPNV kommt für uns nicht infrage!" Der ÖPNV in München müsse ausgebaut und verbessert werden, "aber das muss über Fahrpreise und die öffentliche Hand finanziert werden". Roth: "Jedes Mal, wenn irgendwo Geld fehlt, sollen die Autofahrer zur Kasse gebeten werden, die ohnehin schon mit ihren Steuern und Abgaben für alle anderen Verkehrsteilnehmer mitzahlen, das kann nicht die Lösung sein."
Wie hoch übrigens eine ÖPNV-Abgabe für alle sein könnte, dazu mag SPD-Verkehrssprecher Nikolaus Gradl noch keine Zahlen nennen. Er halte es für "fair, wenn alle den gleichen Betrag zahlen – und die, die die Öffentlichen nutzen, eben etwas mehr".