OB-Wahl in München: Sie ringen um die Macht

Die Kommunalwahl in München: Josef Schmid (CSU), Dieter Reiter (SPD) und Sabine Nallinger (Grüne) kämpfen um den Sieg. Lang nicht mehr war der Ausgang so offen – und lang nicht mehr war das Rennen davor so fad.
von  Willi Bock
OB-Kanididaten für München: Dieter Reiter (SPD), Sabine Nallinger (Grüne), Michael Mattar (FDP) und Josef Schmid (CSU).
OB-Kanididaten für München: Dieter Reiter (SPD), Sabine Nallinger (Grüne), Michael Mattar (FDP) und Josef Schmid (CSU). © Petra Schramek

München - Fast schon behutsam legt Christian Ude den linken Arm auf das Rednerpult, lässt den Blick über den Saal schweifen, und aus seinen Augen blitzt der Schalk. „Es ist eine frohe Verheißung der CSU – sie will jetzt denken und zwar neu“, sagt er süffisant, „das hat bei uns Sozialdemokraten schon lange Tradition“.

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Und als die ihm wohlgesonnen Genossen im Augustinerkeller prusten vor Lachen, da weiß der ewig strahlende Münchner Noch-OB noch nicht, dass am selben Tag sein alter Konkurrent Horst Seehofer für die CSU eine neue Parole ausgibt: Ja zu Schwarz-Grün. Das ist die vorerst letzte schwere Attacke des Landesvaters auf Udes rot-grünes Rathaus. Denn für die beiden Galionsfiguren bayerischer Politik geht es am Sonntag im bundesweit mit großer Spannung beobachteten Prestigeduell bei den Kommunalwahlen ums Ganze: Christian Ude will, dass sein Wunschnachfolger Dieter Reiter den 60 Jahren fast ununterbrochener SPD-Regentschaft in München eine neue Phase draufsetzt. Und Horst Seehofer will den Triumph, endlich mit seinem OB-Kandidaten Josef Schmid diese rote Trutzburg München zu schleifen.

Nachdem die CSU im vorigen Jahr schon die Landtags- und Bundestagswahl in Bayern gewonnen hat, strebt Seehofer jetzt zum Bayern-Triple: Überall schwarze Rathäuser und Landratsämter – und vor allem ein schwarzes München.

Kopf-an Kopf in den Umfragen

In den Umfragen liegen die beiden OB-Kandidaten Kopf an Kopf – dann könnte es zu einer Stichwahl am 30. März kommen, wenn am Sonntag auf Anhieb niemand mehr als 50 Prozent bekommt. Trend: leicht pro Reiter. Für die Stadtratswahl dagegen liegt die CSU nach den Umfragen von SPD und CSU deutlich vorne. Im heutigen Stadtrat ist das mit 33 SPDlern gegen 22 CSUler umgekehrt. Aber: Josef Schmid hat in beiden Umfragen weniger Stimmen als die CSU (wie schon bei der OB-Wahl 2008). Seine liberale Haltung irritiert so manchen konservativen Stammwähler.

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So kann es passieren, dass der Sozialdemokrat Dieter Reiter mit der CSU regieren muss. Erst ein einziges Mal haben die Münchner einen CSU-OB gewählt: Das war 1978 Erich Kiesl (†) – eher ein Betriebsunfall der damals heillos zerstrittenen Münchner SPD.

Münchens müdester Wahlkampf

Spannung pur. Eigentlich. Dennoch war es der müdeste Wahlkampf in der jüngeren Münchner Politikgeschichte. Das liegt auch den Kandidaten, die alles getan haben, um nicht selbst in einem Schmuddelwahlkampf alter Münchner Prägung unterzugehen. Den Josef Schmid schmerzen da noch traumatisch die Prügel, die er im OB-Wahlkampf 2008 für sein Schlägerplakat bekommen hat. Heute nötigen seine Wahlplakate auch den Gegnern Respekt ab. Sein größtes Problem: die eigene Partei. Denn mit dem GBW-Verkauf, der Homo-Debatte oder drohenden Zuschusskürzungen für die Stadt kam er in eine unverschuldete Verteidigungsposition.

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Dieter Reiter gab sich im Extremfall vorsichtshalber als ein grantelnder Münchner aus, der „vor Wut am liebsten in den Telefonhörer beißt“, wenn der Stadtregierung Schlagzeilen von Klinikmiseren oder Wohnungsleerstand um die Ohren flogen. Für einen Haudrauf-Wahlkampf sind beide auch nicht der Typ.

Die Grüne Sabine Nallinger auch nicht. Alle drei hatten im Wahlkampf eine Lieblingsbeschäftigung: sich aus Selbstschutz von Fall zu Fall von ihrer Partei zu distanzieren, zu verbergen, dass sie zum Teil mitregiert haben und was ihre Parteien so alles auf dem politischen Kerbholz haben – könnten.

Der vierte „Große“ im Bunde, der marktliberale Michael Mattar, gehört zu den geschliffensten Debattenrednern im Rathaus. Seine Umfragewerte sind bedeutungslos.

„Die Sensation ist möglich“, ruft Sabine Nallinger jedem zu. Sie kämpft zäh darum, in die Stichwahl zu kommen. Es schmerzt sie, wenn Grüne taktisch wählen – und den SPD-Kandidaten ankreuzen. Sie will alle grünen Stimmen.

Ein politischer Malkasten

Die großen Drei haben in endlosen 22 Podiumsdiskussionen fast bis zur Ununterscheidbarkeit ihre Litaneien heruntergebetet. „Wir kennen uns jetzt so gut, da kann jeder den anderen vertreten“, scherzt Dieter Reiter. Aber darin steckt auch ein großer Ernst: Denn Reiter, Schmid und Nallinger können und wollen auch sofort miteinander regieren – Rot-Grün, Schwarz-Grün, Schwarz-Rot. Ein politischer Malkasten.

Den Dreien glaubt man das – aber hinter jedem von ihnen steht auch eine Partei, die bei mancher Konstellation heftige Bauchschmerzen bekommt: Rot-Grün würde weiter regieren wollen – muss aber um die Mehrheit fürchten. Schwarz-Grün ist seit Monaten die Lieblings-Liaison der CSU – sagen die Offiziellen. Doch Grüne schütteln sich wenn die CSU plakatiert: „Grün ist, wenn der Verkehr unter der Erde fließt.“

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Konservative tun sich mit dem alten Feindbild schwer und den großen Differenzen: zweite Stammstrecke, dritte Startbahn oder Migrationspolitik. Schwarz-Rot: Da gibt es inzwischen große Gemeinsamkeiten, und so mancher konservative CSU’ler fühlt sich dort wohler, als bei den Grünen. Ein Flohzirkus: Wenn ein Großer viele Kleine an sich binden muss. Das hat es schon einmal gegeben, als Ude mit einer Stimme Mehrheit regieren musste. „Da wird es sehr schwer, eine stabile Mehrheit zusammenzuhalten“, sagt ein erfahrener Rathaus-Politiker.

Die Aussicht ist groß: Denn es ist möglich, dass alle 14 Gruppierungen in den Stadtrat kommen. Dann sind die Minis das Zünglein an der Waage. Es gibt eben keine Stimme zu verschenken

 

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