OB-Wahl: Die SPD sieht rabenschwarz

Es schaut derzeit nicht gut aus für den roten OB-Kandidaten, der nach neuen Erhebungen nur auf Platz zwei hinter Josef Schmid (CSU) rangiert. Das hat auch mit Ude zu tun. Eine AZ-Analyse
München - Der Vorstand der Münchner SPD ist schon ein sehr vertraulicher kleiner Kreis. Aber was der Vorsitzende Uli Pfaffmann dem Vorstand am Montagabend im Detail nicht sagen wollte, ist so geheim, dass es nur ein kleinster Zirkel erfahren durfte: Die Umfragen für den OB-Kandidaten Dieter Reiter und die Partei sind schlecht.
So schlecht, dass die roten Oberen damit auf dem linken Fuß erwischt wurden. Deshalb wurde diese Woche auch eine Jubel-Pressekonferenz der SPD abgesagt. Offiziell wegen Terminschwierigkeiten. Jetzt wird für die Öffentlichkeit noch das Positive in den Ergebnissen gesucht.
Für den OB-Kandidaten Dieter Reiter ist das Ergebnis frustrierend: Bei der Frage, wer bei der Rathauswahl im März 2014 OB werden solle, rangiert er hinter dem CSU-Herausforderer Josef Schmid. Nur Platz 2. Und das bei der „München-Partei“, wie die Genossen gerne für sich reklamieren. Reiter rettet sich auf eine kleine Insel: Seine Bekanntheit sei immerhin von 18 Prozent auf 30 Prozent gestiegen. Er sei der Einzige mit steigender Tendenz. Nur: Josef Schmid liegt schon seit Jahren oben.
Die neue Bekanntheit liegt daran, dass Reiter Wiesn-Chef geworden ist. Und er heimst mehr Sympathiewerte ein – er wirkt halt auf viele wie ein lieber Teddybär. Aber Umfragewerte sind keine Stimmen.
Viele sehen für die Zeit nach Ude: schwarz.. Der alles überstrahlende Über-Oberbürgermeister der vergangenen 23 Jahre ist seit Monaten bis in die tiefste schwarze Provinz nur noch für seinen eigenen Landtags-Wahlkampf unterwegs. Statt die Partei zu stützen, hinterlässt er ein großes Vakuum, und die müde gewordene SPD kann es auf keiner Ebene füllen. Dafür sind die CSU und die Grünen schon mit großem Selbstbewusstsein mitten im Wahlkampf.
Die stetig wachsenden Grünen gehen auf Konfrontationskurs zur SPD. Ein Bündnis mit der CSU ist für manche Jüngere nicht mehr undenkbar.
Die Grünen haben die SPD bei den Europawahlen 2009 und 2004 hinter CSU und Grünen auf Platz drei deklassiert. 2009 gewannen sie sogar sechs Stadtviertel für sich und 2004 vier – die SPD kein einziges. Bei der Bundestagswahl 2008 eroberten die Grünen drei Stadtviertel – die SPD wieder keines. Sie kamen mit 17,5 Prozent sogar hauchdünn an die SPD (19,3 Prozent) heran.
Uli Pfaffmann gibt Mutparolen aus: „Es ist nicht dramatisch überraschend, da Dieter Reiter ein neuer Kandidat ist. Wir haben noch ein Jahr Zeit.“ Für ihn sei Platz 2 „nicht beunruhigend“. Jetzt müsse die Partei „mit Hochdruck an die Arbeit gehen“.
Aber wer soll das tun? Eine Wahlkampfmannschaft der SPD gibt es bisher noch nicht.
Da sucht Dieter Reiter immer noch seinen Weg. Parteifremde hatten ihm geraten, einfach das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen. Seine knappe, klare Antwort: „Ich will nicht lügen!“
Die Kandidaten der drei großen Parteien:
Dieter Reiter (54) muss in der SPD regelrecht um Unterstützung betteln. Schützenhilfe aus der Stadtrats-Fraktion: fast Fehlanzeige. Er hat dort als ehemaliger Außenseiter auch kein Nest gefunden. Zudem ist die Fraktion hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt, kampfschwach, müde und setzt schon lange keine eigenen Themen mehr. Reiter ist gelernter Beamter. Das merkt man. Und er hat vorher nie in der Münchner SPD gearbeitet. Das merkt man mitunter auch. Ein Wahlkampfteam für den Kandidaten? Dazu hat sich der Vorstand ernannt – Aktivitäten erkennt man keine. Dabei gibt es allein in der Fraktion elf Fachsprecher. „Ich mache hier außer der OB-Kandidatur noch einen Referentenjob“, wendet Reiter ein: „Das mag falsch sein, aber ich bin so gestrickt.“
Josef „Seppi“ Schmid (43): Im Gegensatz zu Reiter wird Josef Schmid seit Monaten von einer hochprofessionellen Agentur gemanagt: Das agile „Team M&M“ aus Augsburg hat dort schon einen OB-Wahlkampf für die CSU gewonnen. Die CSU sieht ihre einmalige Chance, nach Erich Kiesl (1978 bis ’84) wieder einen CSU-OB zu stellen. Dafür ackert er seit sechs Jahren und ist unermüdlich an der Basis auf Tour. Der anfangs noch spröde Anwalt lernt enorm dazu. Nach dem Motto „Die CSU bin ich“ bringt er die Münchner Christsozialen auf seinen großstädtischen Kurs. Manch Konservativer kann ihm da nicht folgen: Zum Beispiel bei seiner Annäherung an Muslime. Oder wenn er sich bei der Homo-Ehe sogar offen gegen die offizielle Parteimeinung stellt.
Sabine Nallinger (49) hat sich als Senkrechtstarterin zwischen die Männer geschoben. Sie kämpft um den Sieg und geht unerschrocken auch auf Konfrontationskurs zum Bündnispartner Dieter Reiter, den sie Stimmen kosten wird. Sie kanzelt ihn auch unverhohlen ab: Er sei „kein wirklich profilierter Nachfolger“ für Ude: „München braucht keinen Oberbürgermeister, der sich vor allem mit der Wiesn auskennt und bei dem man sich fragt, was er die 50 Wochen zwischen zwei Oktoberfesten macht.“ Sie hat auch den Frauen-Bonus in der Männerriege. Und sie kann Anhänger begeistern: Die lagen ihr enthusiastisch zu Füßen, als Sabine Nallinger vor wenigen Wochen offiziell zur OB-Kandidatin gewählt wurde. Dabei hatte sie inhaltlich nur eine dünne Rede gehalten.