OB-Kandidatin Nallinger: Ärger über LiMux im Rathaus

Die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger will wieder weg von der offenen IT LiMux und erntet damit im Netz einen gewaltigen Proteststurm.
Willi Bock |
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Die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger  kritisiert LiMux - und wird dafür heftig gescholten.
Die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger kritisiert LiMux - und wird dafür heftig gescholten.

Die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger will wieder weg von der offenen IT LiMux und erntet im Netz einen gewaltigen Proteststurm.

München -  Eigentlich hat Sabine Nallinger mit vorsichtigen Worten das ausgesagt, was viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung viel drastischer ausdrücken: Der Unmut über das offene städtische IT-Programm „LiMux“. Die Stadt müsse ihren Kurs ändern, fordert die grüne OB-Kandidatin und hat damit einen Proteststurm entfacht.

Es war der Ärger über die Methoden von Microsoft, weshalb die Stadt 2003 beschlossen hat, rund 15.000 PC-Arbeitsplätze auf ein Linux-basiertes System umzustellen – genannt LiMux. Offiziell heißt es, das sei gelungen. In der Rathaus-Praxis wird viel über die teure Umstellung geschimpft.

Und jetzt der Sturm im Internet. Will die grünen OB-Kandidatin die Rolle Rückwärts?

Die grüne Jugend schlägt sich auf die Seite der LiMux-Befürworter: „LiMux steht für eine freie, offene und unabhängige IT-Infrastruktur und entspricht damit genau den grünen Vorstellungen des digitalen Zeitalters.“

Die FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch lästert: „Nach den ganzen NSA-Enthüllungen ist Nallingers Forderung nach einer Rückkehr zum unsicheren Microsoft absurder denn je!“ Auch die Piraten-Partei rebelliert. OB Christian Ude schüttete Häme über sie aus. Aber er schreibt nicht, was er selbst an Klagen hört.
Auf ihrer facebook-Seite stellt sich Nallinger der massenhaften Kritik: „Es hat sich gezeigt, dass die Stadt damit überfordert ist. Viele Mitarbeiter sind verzweifelt.“ Anforderungen würden nicht erfüllt oder nur mit Verzögerungen und voller Fehler. „ Ich sage: Nichts ist super. Ich will eine Lösung, die funktioniert, egal mit welcher Software.“ Dazu gehöre auch der „Mut, Fehleinschätzungen einzugestehen und den Kurs zu ändern“.

Die Diskussion:

 

Die Stadt schrieb zum Zehnjährigen des neuen Systems im Jahre 2003 selbst:

"Zehn Jahre nach dem Beschluss des Stadtrates, etwa 15.000 PC-Arbeitsplätze der Landeshauptstadt München auf ein Linux-basiertes Arbeitsplatzsystem umzustellen, ist dieser wichtige Meilenstein jetzt erreicht. Das Projekt LiMux ist erfolgreich abgeschlossen und geht in den Regelbetrieb über. Auf dem LiMux-Arbeitsplatz mit quelloffener Software zu arbeiten, ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung längst zur täglichen Routine geworden. Alles Wissenswerte über das Projekt können Sie auf den nachfolgenden Seiten nachlesen. Wenn Sie gezielte Fragen an uns haben, sind Sie gerne eingeladen, sich an die auf der Seite "Kontakte" angegebene Adresse zu wenden."

Auf ihrer facebook-Seite hat die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger mehrfach Stellung genommen. Sie schreibt dort unter anderem:

 "Was mir wichtig ist? Lösungen finden. Die Stadt braucht Software, die funktioniert. Und was nicht funktioniert, darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden. Hier muss was getan werden! Packen wirs an!

Wir Grüne stehen für freie Software und haben es geschafft, dass München mit LiMux weltweit Vorreiter auf dem Weg zu einer offenen und unabhängigen digitalen Welt ist. Doch Vorreiter zu sein, heißt auch erstmal den Weg frei zu kämpfen. Gerade als Politikerin muss ich darauf achten, dass das nicht auf Kosten einiger weniger geschieht. Das sind momentan die städtischen Angestellten in München. Warum? Weil zu wenige Städte freie Software nutzen und es deswegen viele Programme nur für nicht-freie Betriebssysteme gibt. Das Schnittstellenmanagement frisst viel Zeit, Geld und Nerven.

Ich fände es gut, wenn wir den Weg der freien Software weitergehen würden und nicht wieder umsteigen müssten. Aber dazu brauchen wir Hilfe. Hilfe von anderen Städten, die auch auf freie Software umsteigen müssten, damit wir die Entwicklungsschmerzen nicht allein tragen müssten; und natürlich von der IT-Branche, die Software für Kommunen derzeit kaum für freie Betriebssysteme wie Linux anbietet. Wenn wir diese Unterstützung erhalten, kann ich die Pressemitteilung unserer Grünen Jugend nur unterstützen: Anwenderfreundlichkeit ausbauen und möglichst unabhängig und frei bleiben.

Christian Ude ärgert sich, weil ich die Software-Problematik in der Verwaltung angesprochen habe. Die Grünen wollten die Stadt aus der Umklammerung von Microsoft befreien. Das Anliegen war richtig. Aber es hat sich gezeigt, dass die Stadt damit überfordert ist. Viele Mitarbeiter sind verzweifelt. Softwareanforderungen werden nicht erfüllt oder nur mit unendlicher Verzögerung und voller Fehler. Das führt zu Frust und zu langen Wartezeiten für die Bürger. Die Stadtspitze sagt: Alles super. Ich sage: Nichts ist super. Fragt doch mal Eure Mitarbeiter. Ich will die Verwaltung stark machen und Sand aus dem Getriebe nehmen. Ich will eine Lösung, die funktioniert, egal mit welcher Software. Dazu gehört auch der Mut, Fehleinschätzungen einzugestehen und den Kurs zu ändern, wenn es notwendig ist. Wie seht Ihr das?

Liebe Diskutanten, auch hier gehts hoch her. Ganz verbindlich: es geht nicht um die Rolle rückwärts. Es geht darum, dass wir erkennen müssen, dass die momentane Lösung nicht so funktioniert, wie sie soll. Und ich möchte, dass wir daran arbeiten, damit die Mitarbeiter nicht dauerhaft darunter leiden müssen."llinger

Die Piraten-Partei kontert:

In einer Pressemitteilung heißt es:

"Mit Nallinger zurück in die  Abhängigkeit"

Die OB-Kandidatin der Grünen, Sabine  Nallinger,  hält die in den letztenzehn Jahren betriebene Umstellung der Münchner Verwaltung auf freie Software für einen Fehler und möchte diese im Falle ihres Wahlsieges rückgängig machen.

"Die Stadt München ist durch den Einsatz von OpenSource Software wesentlich flexibler und unabhängiger. So kann die Software auf eigene Bedürfnisse angepasst werden, ist nicht an Vertragslaufzeiten und Lizenzen gebunden  und spart auf lange Sicht Geld."  erklärtFlorian Deissenrieder, Vorsitzender der Piraten München.

In der Stadtverwaltung werden sensible Daten von Bürgern verarbeitet. Wenn die Stadt nicht sicherstellen kann, dass diese Daten von Dritten  nicht  ausgelesen werden können,ist das Vertrauen der  Bürger  in  die  Verwaltunggebrochen.

Die NSA-Affäre hat gezeigt, dass die Abhängigkeit von geschlossenen Systemen ein Fehler ist:Solange  kein Außenstehender den Quellcode überprüfen kann, bleibt es ungewiss,ob  keine Abhörschnittstellen in den Rechnern  integriert sind.

"München bietet damit eine Vorreiterrolle und von den Erkenntnissen als auch von der offenen Software können auch alle anderen Verwaltungen bundesweit profitieren und letztendlich Kosten senken." soDeissenrieder  weiter.

"Dass München mit der Umstellung auf LiMux den richtigen Weg gewählt hat, zeigt alleine, dassandere  Stadtverwaltungen wie z.B.  Berlin ab Anfang April ohne Sicherheitsupdate für ihre Rechner da stehen  - obwohl das Ende des Supports für Windows XP seit Jahren bekannt war."  erklärt Thomas Mayer, Listenplatz 19 für die Stadtratswahl.

Mayer weiter:  "Ohne Frau Nallinger zu nahe treten zu wollen:Vielleicht hofftsie, dass die Kosten für die Softwarelizenzen indirekt durch höhere Gewerbesteuereinnahmen von Microsoft Deutschland wieder in die Stadtkasse gespült werden."

 

Die Europaabgeordnete Nadja Hirsch kritisiert:

"Nach den ganzen NSA-Enthüllungen ist Nallingers Forderung nach einer Rückkehr zum unsicheren Microsoft absurder denn je! Zudem scheint es, als müsse man der Grünen OB-Kandidatin den Begriff Nachhaltigkeit erklären. Es ist völlig normal, dass jedes System seine Tücken hat und bei einer Umstellung Schulungen und die Unterstützung der Mitarbeiter selbstverständlich sein müssen. 

Doch die langfristig gewonnene Unabhängigkeit und Sicherheit sowie die langfristigen Einsparungen sind gute Argumente gegen den US-Konzern. So argumentierten bislang auch die Grünen bei Monsanto. Doch hat Nallinger scheinbar noch nicht begriffen, dass Microsoft das Monsanto der IT-Welt ist."

 

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