OB-Kandidat Reiter hält seine erste Rede
Die SPD legt sich fest: Dieter Reiter soll der nächste Oberbürgermeister in München werden. Der Kandidat hält seine erste Rede – mal brav und mal kämpferisch.
München - Vor zwei Jahren – da war Dieter Reiter (nur) ein sympathischer und ehrgeiziger Beamter in der trockenen Stadtkämmerei. Solche Fachleute kennen nur Spezialisten. 2009 wurde er Udes Wirtschaftsreferent – und nur ein Jahr später stieg er schon in die begehrte Runde der roten OB-Kandidaten auf. Gestern Abend hoben ihn die Genossen einstimmig auf den Schild, auf dass er für sie 2014 die OB-Wahl gewinnt: der Kronprinz des Bürger-King. Vor kurzem hieß es noch: „Reiter wer?“ Heute will der Mann zum erlauchten Kreis der SPD-OB von Wimmer, Vogel, Kronawitter und Ude gehören.
„Mit den rhetorischen Qualitäten und den kabarettistischen Fähigkeiten“ Udes könne er noch nicht mithalten, gestand Reiter in seiner Jungfernrede vor dem SPD Parteitag. Aber dafür kann er schon Berti Vogts. „Der Star ist die Mannschaft“, sagte Reiter wie der kleine, fußballernde Rheinländer: Nur die Mannschaft gewinnt. Also nicht nur ein Super Ude, hinter dem eine ganze Partei verblasst. Vogts hat damit übrigens als Bundestrainer den bisher letzten Titel eines Bundestrainers geholt: Europameister 1996.
Reiter (53) will erstmal „nur“ OB werden – und das wird für ihn sportlich genug: „Dieser Wahlkampf wird ein Marathon sein, wie keine und keiner von uns ihn je erlebt hat.“ Reiter: „Die größte Herausforderung lautet: Wie schaffen wir es, dass die normalen Leute noch in München leben können?“ München sei nicht nur die Heimat „für Menschen mit dicker Brieftasche“. Zweite Hürde: Die Macht zu erhalten – also den CSU-Herausforderer Seppi Schmid erneut zu verhindern. Davor zittern die Genossen. Da wird Reiter an seinem bieder braven Slogan noch feilen müssen: „Was gut war, wird auch gut bleiben!“
Und was genau war das? Reiter ist Teil der Stadtregierung. Da war in seiner ersten programmatischen Rede keine Revolution zu erwarten. Er wird sein politisches Profil schärfen müssen und aus dem Beamten Reiter den Politiker machen. Einen Trost hat er: Ude hat auch Jahre gebraucht, um zum Star aufzusteigen.
Reiters Rede, die immer wieder von Applaus unterbrochen wird, hat oft Witz und Schärfe. Da ätzt er gegen die Münchner CSU und ihre „Strategie der kalkulierten politischen Impotenz“. Er wettert gegen Finanzhaie – und die Grünen (mit denen er regieren mag). Reiter sagt zu:
SOZIALES
„Wir werden die miese Sozial und Arbeitsmarktpolitik im Bund und in Bayern nicht hinnehmen. Bei uns stehen die Menschen im Vordergrund, nicht bürokratische Regeln.“ Dazu gehören Wohnungsbau und billige Mieten. BILDUNG „Bei diesem Thema sind wir zum Erfolg verdammt.“ Da müsse die SPD „noch mehr Anstrengungen“ leisten.
WIRTSCHAFT
„Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die hilft, dass die Menschen eine Chance haben, wieder gute Arbeit zu finden. Fragt mal die entlassenen Arbeitnehmer, was sie von der aktuellen ,Anti-Wachstums- Debatte’ halten!“ Die SPD müsse ihren Wachstumsbegriff überprüfen.
ROTER SELBSTWERT
„Wir sind eine Partei, die nicht erst die Angst vor den Wählern oder eine Katastrophe wie die in Fukushima als Denkanstoß braucht, um aus der Atomenergie auszusteigen. Wir sind auch keine Seehofer- Partei, die erst dann kritische Worte zum internationalen Finanzkapital findet, wenn sie mit heruntergelassenen Hosen vor den Bürgern steht, weil die von CSU-Ministern kontrollierte Landesbank deren Geld verzockt hat.“
GRÜNE „Wir stehen – im Gegensatz zu den Grünen – für die gesamte Münchner Bevölkerung. Vom Arbeiter bei Krauss Maffei bis zum Siemensianer. Das ist viel mehr als nur etwas Nymphenburg und die Hälfte vom Glockenbachviertel!“
CSU
„Sie möchte sich mit möglichst wenig Aufwand, wie im Schlafwagen, in die Verantwortung hineinschnarchen. Mit ihrer völligen Ideen-, Konzept und Phantasielosigkeit.“
Am Ende gibt es stehende Ovationen für Reiters Rede – und Christian Ude ihr die Note „1 bis 2“. Eine „1 mit Sternchen“ sei es nicht, meint der OB, „was ich aber sehr sympathisch finde, weil er dadurch authentisch rübergekommen ist“. Bürgermeisterin Christine Strobls euphorischer Kommentar: „Diese Stadt wird Dieter Reiter lieben!“