"Ob das im Stadtrat mehrheitsfähig ist": In dieser Debatte stellt sich Münchens OB Reiter gegen seine Fraktion
München - In der Fahrdienstbranche ist die Nachricht eingeschlagen wie eine Bombe: Die grün-rote Rathauskoalition will für Uber, Bolt und Co. einen Mindestfahrpreis einführen (AZ berichtete). Damit soll der laut den Grünen "ruinöse Wettbewerb" zwischen Taxis und den rein rechtlich als Mietwagen einsortierten Fahrdienstleistern entschärft werden.
Uber und Bolt mobilisieren gegen Mindestpreis in München
Die Fahrdienstleister rüsten sich nun zur Gegenwehr: Uber verschickt Studien und Statistiken, der Lobbyverband "Wirfahren" hat eine Online-Petition gestartet, die unter anderem auch der Fahrdienstleister Bolt unterstützt.
Die Preise von Uber-Fahrten würden mit einem Mindestpreis "um durchschnittlich 45 Prozent und somit drastisch" teurer, rechnet der Fahrdienstleister vor.
Kostenexplosion durch Mindestfahrpreis? Beispiele von Uber und Bolt
Ein Beispiel, laut Uber: Eine Fahrt von Moosach zur Allianz Arena koste im Schnitt aktuell 25,79 Euro. Mit neuem Mindestfahrpreis und Mindestkilometerpreis wären es 36,62 Euro (plus 10,93 Euro).
"Gerade Nutzern, die aus eigener Tasche erschwingliche individuelle Mobilität benötigen, zum Beispiel für Arzttermine, wird so das Leben unnötig und zusätzlich erschwert", sagt Christoph Weigler, der Chef von Uber Deutschland. Wer auf individuelle Mobilität angewiesen ist, wechsle dann eben nicht zum Taxi, sondern öfter zum privaten Auto, zeigt sich Uber überzeugt.
Der Fahrdienstleister Bolt, den man auch von den türkisgrünen E-Rollern kennt, die in der Stadt überall stehen, wehrt sich auch gegen die Pläne der Stadt. Ein Beispiel: Eine Fahrt vom Gärtnerplatz zum Olympiapark kostet laut Bolt aktuell 15,84 Euro, mit Mindestpreis würde sie 26,93 Euro kosten.

Anders als Taxis: Fahrdienstleister haben Rückkehrpflicht
Diese Argumentation lässt laut Jürgen Hartmann, ehemaliger Taxiunternehmer und aktuell Herausgeber der Branchenzeitung "Taxi Times", einen wichtigen Punkt außer Acht. Die Fahrdienstleister haben, anders als Taxis, eine Rückkehrpflicht und dürfen nicht am Zielort auf neue Kundschaft warten.
Wenn sie nicht zufällig auf der Rückfahrt einen Passagier mitnehmen können, stimmen die vorgerechneten Beispiele laut Hartmann nicht. "Damit schaffen sie sich einen gravierenden Wettbewerbsvorteil", findet er.
Heidelberger Studie: Uber-Fahrten sind "substanziell alimentiert"
Und Hartmann weist auf ein Gutachten hin, das die Stadt Heidelberg in Auftrag gegeben hat, im Zuge der dortigen Diskussion um einen Mindestpreis. Dieses Gutachten hat gezeigt, dass Uber-Fahrten in Heidelberg im Schnitt 38 Prozent günstiger sind als Taxifahrten. Die Analyse zeigt aber: Das geht nur, weil Uber jede Fahrt "substanziell alimentiert", wie es in der Studie heißt. Anders formuliert: Sie werden von Uber bezuschusst, um die Taxipreise zu unterbieten.
Ein weiterer Anbieter, der in München laut eigenen Angaben über 3500 Taxis vermittelt, ist Free Now. Bis vor kurzem war Free Now wie Uber und Bolt ein Taxi-Konkurrent, hat sich aber aus dem Geschäft mit Mietwagen-Fahrten zurückgezogen.
Jetzt kämpft Free Now an der Seite der Taxiunternehmen für den Mindestpreis, "weil nur so die Taxi-Unternehmen geschützt werden, die tagtäglich eine verlässliche und wichtige Mobilitätsleistung erbringen", so Alexander Mönch, der Präsident von Free Now Deutschland und Österreich.

Mindestpreis für München: Uber erwägt, gerichtlich dagegen vorzugehen
Uber zweifelt daran, dass der Mindestpreis in München vor Gericht Bestand hat. "Dass wir uns anschauen, wie wir gerichtlich dagegen vorgehen können, ist nicht ganz unwahrscheinlich", sagt ein Uber-Sprecher zur AZ.
Leipzig hat bereits 2021 einen Mindestpreis eingeführt. Ein Chauffeurservice klagte dagegen. Das Gericht entschied zwar, dass der angesetzte Preis zu hoch war, sagte aber auch, dass Mindestpreise ein zulässiges Instrument seien, um das Taxigewerbe zu schützen.
In München entscheidet Ende April der Kreisverwaltungsausschuss, ob er den Mindestpreis für Mietwagen einführen wird. Dann würde gelten: Ein Mindestfahrpreis von 5,42 Euro und ein Kilometerpreis von 2,60 Euro – also immer noch weniger, als bei Taxis gilt.
Mindestpreis für Uber & Co.: OB Reiter gegen eigene Rathauskoalition
Auch der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich nun in die Debatte um Uber & Co. eingeschaltet – und stellt sich gegen die eigene Partei. Die SPD hat gemeinsam mit den Grünen im Stadtrat den Antrag für einen Mindestpreis eingereicht.
Er halte es für den falschen Weg, "Uber künstlich zu verteuern", so Reiter in einem Interview mit Radio Gong. Er "verstehe die Intention, das Taxigewerbe zu unterstützen", so Reiter weiter. Das unterstütze er auch. Aber: "Unsere Stadt ist teuer genug. Ich bin gespannt, ob das im Stadtrat mehrheitsfähig ist."
Demo auf der Theresienwiese: Lobbyverband "Wirfahren" gegen Mindestpreis
Der Lobbyverband "Wirfahren - Initiative Mietwagen Services" hat für Mittwoch (16. April) in München eine Demonstration gegen den Mindestpreis angekündigt. Um 11 Uhr soll die Demo an der Theresienwiese starten und entlang des Altstadtrings, vorbei an den Geschäftsstellen der SPD und der Grünen bis zum Rathaus gehen.
"Staatlich verordnete Zwangspreise haben noch nie geholfen", sagt der Verbandsvorsitzende Thomas Mohnke in einer Mitteilung. "Es ist erschreckend, dass eine moderne Stadt wie München im Bereich Mobilität lieber wettbewerbsfeindlichen Forderungen einer reformunwilligen Taxibranche nachgeht, anstatt die Zukunft mitzugestalten", so Mohnke weiter.
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