Nur schauen, nicht kaufen
In der Fußgängerzone geht's zu wie selten. Die Händler sind trotzdem nicht glücklich. Denn viele schauen nur, lassen sich beraten – und kaufen dann im Internet
MÜNCHEN Wahnsinn. So voll.
So geht es vielen, die in diesen Tagen durch die Innenstadt bummeln. Hier Weihnachtslieder. Dort Glühweinstände. Überall Menschen. Bloß beim Geldausgeben herrscht Zurückhaltung: Die Bilanz des bayerischen Einzelhandels sieht zwei Wochen vor Weihnachten eher durchwachsen aus. Einzig bei Pullovern, Schuhen und Winteraccessoires laufe es bestens. „Viele Kunden haben bisher nur geschaut und nicht gekauft“, sagt Verbandssprecher Bernd Ohlmann. „Von Weihnachtsgeschenkefieber kann nicht die Rede sein.“
Nur schauen.
Dieses Phänomen macht Geschäften nicht nur in der Vorweihnachtszeit zu schaffen. Denn oft kommt gleich nach dem Schauen und Vor-Ort-Testen das Surfen – und der Einkauf per Mausklick. Dank Smartphone und mobilem Internet geht das sogar noch in der Umkleidekabine. Hauptsache, ein Onlinehändler bietet das Paar Schuhe um vielleicht fünf Euro billiger an und liefert es an die Haustür.
„Natürlich ist das ein großes Ärgernis“, sagt Bernd Ohlmann vom Bayerischen Handelsverband. „Kunden, die so einkaufen, dürfen nicht übersehen: Der Geschäftsinhaber muss sein Personal und die Miete bezahlen.“ Besonders häufig trifft es Verkäufer von Spielwaren und Büchern. Im schlimmsten Fall, so Ohlmann, müsse ein Laden schließen.
Fest steht: Handelt man nicht gerade mit Lebensmitteln, ist kaum ein Geschäft vor dem so genannten „Beratungsklau“ sicher. Mehr als jeder zweite Einkäufer, so rechnet es die Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Uni Bamberg vor, hat sich bereits einmal im Laden beraten lassen, das Produkt dann aber online gekauft. Einige Geschäfte haben auf diesen Trend reagiert: In Brautläden zum Beispiel werden Kundinnen freundlich darauf hingewiesen, dass Fotos von den Kleidern nicht erlaubt sind. Wer nachfragt, erfährt: Zu oft schon hätten sich Frauen beraten lassen und dann ihr Traumkleid zu einem günstigeren Preis im Internet bestellt.
Wohin soll das führen? „Man wird keine Schutzmauer errichten können“, sagt Wolfgang Fischer, der sich als Geschäftsführer von City Partner für eine lebendige Münchner Innenstadt engagiert. Er tendiert zu Gelassenheit: „München ist so attraktiv, dem kann der Onlinehandel nichts anhaben.“ Viele Menschen aus dem Umland würden deswegen extra nach München fahren, um hier einzukaufen. Und auch ausländische Touristen sorgen dafür, dass sich der ein oder andere Internetkauf ausgleicht. Kleinere Kommunen könnten das nicht so leicht verkraften. Fischer glaubt außerdem, dass kaum ein Kunde ganz ins Internet abwandert. Immer nur Pakete abholen, sei keine Lösung. „Ich glaube an den hybriden Kunden“, sagt Fischer. „Der kauft mal bei Aldi ein und mal beim Dallmayr.“ Oder eben mal im Netz und dann wieder in der Fußgängerzone.
Und noch eine weiter Besonderheit hat der Münchner Markt laut Fischer: Onlinehändler, vor allem aus dem Elektronikbereich, eröffnen nun auch reale Shops. „Die Händler merken, dass die Kunden etwas Greifbares, Erfahrbares haben wollen“, sagt Fischer. „Das bietet das Internet nicht.“ Unbesorgt zurücklehnen darf sich dennoch niemand, der auch in Zukunft gute Geschäfte in München machen will. Das World Wide Web biete jedem eine Chance. „Die Läden müssen im Internet ein zweites Standbein haben“, sagt Fischer. Ist der entsprechende Artikel nicht auf Lager, könnten Verkäufer einfach auf die Unternehmenshomepage verweisen. Wie gut das funktioniert, sieht man laut Fischer in München an den zahlreichen Flagshipstores und im Bereich der großen Sportartikelhändler. Die Kunden gehen zwar ins Netz und kaufen online, aber nicht bei anderen Händlern. Doch wie steht es um die kleinen Läden? Fischer ist sicher: „Für jede Unternehmensgröße gibt es im Internet die richtige Lösung.“
Für die Läden, deren Weihnachtsgeschäft bislang schleppend läuft, ist die gute Gesamtschau in München kein Trost. Sie könnte die Prognose von Bernd Ohlmann vom Einzelhandelsverband positiv stimmen: „Es gibt auch viele Kunden, die sich ausgiebig im Internet informieren und dann beim Fachhändler vor Ort kaufen“, sagt er. Was Service und Garantien angeht, vertrauen eben doch viele Menschen auf das direkte Verkaufsgespräch. Außerdem entscheiden sich die meisten erst kurz vor Weihnachten. Hauptsache, das Geschenk pass ezum Beschenkten.
Insgesamt wird es für den bayerischen Einzelhandel jetzt in jedem Fall ernst. Es braucht einen kräftigen Schlussendspurt, damit das hoch gesteckte Ziel erreicht wird: 13,6 Milliarden soll der Weihnachtsumsatz im Freistaat heuer betragen. So viel wie nie zuvor. Es bleiben immerhin zwölfeinhalb Einkaufstage bis zur Bescherung. Und spätestens am Tag vor Weihnachten könnten volle Fußgängerzonen auch für jeden volle Kassen bedeuten. Bernd Ohlmann: „Wir glauben, dass der 23. Dezember der umsatzstärkste Tag wird.“
- Themen:
- Aldi Gruppe
- Bernd Ohlmann
- Weihnachten