Nur kurz aufgejault

Musst Du jetzt gerade gehen, Lucille: Die 85-jährige Blueslegende B.B. King zeigt auf dem Tollwood-Festival ein nicht einmal einstündiges Konzert
von  Michael Grill

Die Kirche war geschmückt fürs Hochamt: Ein knallvolles Tollwood-Zelt, eine exzellente Bluesrock-Lady namens Ana Popovic im Vorprogramm - alles war bereit für B.B. King, einen der letzten ganz großen Helden aus jener Zeit, in der Jazz, Blues und Rock entstanden. Zehn Minuten spielt sich seine Band warm, dann kommt der Meister, nimmt Platz auf einem Stühlchen, das er fortan nicht mehr verlassen wird, lässt sich seine geliebte Lucille reichen. Das Zelt steht schon Kopf als die Gitarre, seine einzigartige Gitarre, das erstemal kurz aufjault. Er sagt: „My name is B.B. King. And I’m 85 years old.”

Goldkettchen für die ersten Reihen

Er ist herzig und rührend, wie er im Sitzen hin und her swingt, scherzt und schäkert. Nur einmal lässt er den Gitarrenton wirklich lange stehen, wie nur er es kann, es ist Lucilles klagender Schrei, Gänsehaut. Schon nach einer Viertelstunde kommt „The Thrill Is Gone”, der wahrscheinlich zentrale Song seines Musikerlebens. Nach einer guten Dreiviertelstunde spielt B.B. King die auch bei ihm nicht so richtig gut erträgliche Polonäse „When The Saints...” Jetzt, so dachte man, geht's allmählich in den Hauptteil der Show. Doch der König fragt uns, ob er irgendwann mal wieder kommen solle. Er genießt den großen Jubel als Antwort, verteilt händeweise Gitarrenplektren und Goldkettchen an die ersten Reihen - und geht. Die Ausrede „I could go on and on”, aber der „Zapfenstreich” zwinge ihn zum Aufhören, glaubt man nicht – es ist nicht mal halb Zehn.

Es ist bewundernswert, dass eine Legende mit 85 überhaupt noch auf die Bühne geht. Und es ist schade, dass bei einem Eintrittspreis von fast 60 Euro letztlich doch der Eindruck von Kränklichkeit und Überforderung zurückbleibt.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.