NSU-Prozess: Zelt steht, Start gekippt!

Statt am Mittwoch soll der Prozess nun am 6. Mai beginnen. Wie die Saal-Plätze im zweiten Anlauf vergeben werden, bleibt noch unklar. Das Gericht muss sich – wieder einmal – Kritik gefallen lassen
von  Natalie Kettinger

Statt am Mittwoch soll der Prozess nun am 6. Mai beginnen. Wie die Saal-Plätze im zweiten Anlauf vergeben werden, bleibt noch unklar. Das Gericht muss sich – wieder einmal – Kritik gefallen lassen.

München - Die Partie ist verschoben, die Karten werden neu gemischt – doch die Regeln für die nächste Runde bleiben vorerst: geheim. Das Oberlandesgericht München hat den Beginn des NSU-Prozesses vom 17.April auf den 6.Mai verschoben, um das Akkreditierungsverfahren für Journalisten zu wiederholen. Nicht mitgeteilt wurde allerdings, wann sich die Reporter wieder um einen Platz in Saal 101 bewerben können – und wie gewährleistet werden soll, dass diesmal auch türkische Medien zum Zuge kommen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Freitag dem Eilantrag der türkischen Tageszeitung „Sabah” stattgegeben und verfügt, das OLG müsse mindestens drei Plätze für ausländische Reporter bereithalten. Schließlich waren acht der zehn NSU-Mordopfer türkischstämmig, ein Ermordeter war Grieche.

"Der Senat hat das Wochenende dazu genutzt, sämtliche Möglichkeiten abzuwägen und nachzudenken”, sagte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel gestern. Noch am Montagmorgen habe der Senatsvorsitzende Manfred Götzl ihr gesagt, er wisse noch nicht, wie es weitergehe.

Wenige Stunden später war seine Entscheidung gefallen; auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz drängten sich Reporter aus der Türkei, aus Deutschland und mehreren anderen europäischen Ländern. Sie erfuhren nicht viel.

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„Der Senat hat über die Entscheidung des Verfassungsgerichtes beraten und sich entschlossen, die Akkreditierung neu durchzuführen”, sagte Margarete Nötzel. Die Schaffung von weiteren Plätzen im Saal sei ohne „einen nicht unerheblichen Aufwand” bis Prozessbeginn nicht mehr möglich gewesen. Das war’s.

Wie das Gericht die Sitze nun vergibt? „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich habe noch keine Informationen, wie das ablaufen wird”, so die Sprecherin, die über die Entscheidung nur eine Stunde vor der Pressekonferenz per E-Mail benachrichtigt worden war. Wie man diesmal mit türkischen Medien verfahre? „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Akkreditierungs-Kriterien werden vom Senat festgelegt.” Ob man zum neuen Termin womöglich in einen größeren Saal umziehe oder eine Video-Übertragung in einen anderen Raum erwäge? „Das kann ich dem, was mir schriftlich mitgeteilt wurde, nicht entnehmen.” Was wird aus dem Zelt vor dem Eingang zum Justizgebäude, das seit gestern steht? „Ich habe keine Ahnung, ob es bis zum neuen Termin stehen bleibt.”

Fest steht nur: Die Hinterbliebenen, von denen viele bereits nach München gereist sind, werden wieder heimfahren – und im Mai wiederkommen. Die Kosten tragen sie zunächst selbst. Auch die Reporter aus aller Welt beraten nun, ob sie bleiben oder zurückfliegen.

"Insbesondere die türkischen Medien haben hohe Reisekosten”, sagt Vural Ünlü, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Bayern, der die Pressekonferenz besuchte. Generell sei es eine gute Entscheidung, die Akkreditierung „sorgfältig und ohne Zeitdruck” neu durchzuführen. „Aber es ist unbefriedigend, wieder im Unklaren gelassen zu werden.”

"Die Ungewissheit geht weiter”, kritisiert auch Rahmi Turan von „Sabah”. „Trotzdem Freude wir uns über den gelungenen Kampf unserer Zeitung und die große Solidarität der deutschen Medien.”
Deutliche Worte fanden auch die Anwälte Stephan Lucas und Jens Rabe, die den Kindern des ersten NSU-Opfers Enver Simsek im Prozess zur Seite stehen: „Die Verschiebung des Prozessbeginns ist Ergebnis der seit Wochen starren Haltung des Gerichts, das sich jeder Kritik sperrte und konstruktiven Lösungsvorschlägen verweigerte. Es bleibt zu hoffen, dass es dem Gericht fortan gelingt, das Verfahren so zu moderieren und zu organisieren, dass es den berechtigten Interessen aller Beteiligten gerecht wird. Das war bislang nicht einmal im Ansatz der Fall.”

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