NSU-Prozess: War ein Opfer der Neonazis nur erfunden?

München – Bei der Verhandlung am 29. September attackierte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Kölner Anwalt Ralph Willms scharf. Der vertritt eine Frau, die bei dem NSU-Nagelbombenanschlag 2004 in Köln verletzt worden sein soll.
Richter Götzl beschwerte sich bei dem Anwalt, dass er mehrfach vergeblich versucht habe, die Geschädigte als Zeugin zu laden. Götzl warf Willms vor, ein Attest versprochen, aber nie geliefert zu haben.
Der Opfer-Anwalt Willms sagte auf mehrfache Nachfrage Götzls, seine Mandantin liege in der Türkei im Krankenhaus. Den Kontakt zu ihr halte er nicht direkt, sondern über einen Mann, der ebenfalls zu den Geschädigten des Anschlags in der Keupstraße gehöre. Das allerdings bestritt dessen Anwalt energisch.
Götzl drohte am Ende mit Ermittlungen und setzte Willms eine Erklärungsfrist von einem Tag.
Anwalt: Meine Mandantin ist "wahrscheinlich überhaupt nicht existent"
Diese Frist ist mittlerweile verstrichen und die eingeforderte Erklärung ist geradezu unglaublich: Laut Informationen von Spiegel Online hat Willms inzwischen eingeräumt, dass seine angebliche Mandantin wohl überhaupt nicht existiert!
Demnach habe Willms erst jetzt durch eigene Nachforschungen erfahren, dass er eine Person vertrete, die es nie gegeben hat und die dementsprechend auch nicht bei dem NSU-Anschlag mit einer Nagelbombe verletzt wurde. Diese haarsträubende Erklärung ließ er dem Gericht durch seinen eigenen Anwalt mitteilen.
Demnach habe sich der Fall wie folgt zugetragen: Willms soll von einem anderen Nebenkläger, also einem tatsächlich existierenden Opfer des NSU-Anschlags, auf seine spätere Mandantin Meral K. hingewiesen worden sein. Da das Vertreten von Nebenklägern in einem derart großen Prozess sehr lukrativ sein kann, hat Willms diesem Nebenkläger sogar eine Provision für die Vermittlung der Mandantin gezahlt. Tatsächlich getroffen hat der Anwalt Meral K. aber wohl nie.
Zwei gefälschte Dokumente bei Gericht eingereicht
Für die Zulassung von Meral K. als Nebenklägerin in dem Prozess reichte Willms ein Attest von einem Arzt ein, der sie unmittelbar nach dem Anschlag behandelt haben soll. Problem dabei: Das identische Attest, bloß mit einem anderen Namen, wurde auch von einem anderen (existenten) Nebenkläger eingereicht. Ein weiteres Dokument, das Willms bei Gericht einreichte, war eine angebliche Einladung des Bundespräsidenten, die an K. gerichtet gewesen sein soll. Tatsächlich handelte es sich aber um ein allgemeines Schreiben "an die Opferfamilien der rechtsextremen Mordserie", das der damalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude verschickt hatte.
Nachdem nun all diese Fakten auf dem Tisch liegen, gilt es, schnellstmöglich zwei Fragen zu klären: Wusste Willms wirklich nicht, dass seine Mandantin nicht existierte? Und: Wie konnte bei so einem wichtigen Prozess so schlampig gearbeitet werden, dass das Gericht zwei plumpe Fälschungen als Nebenklägerzulassung akzeptierte?