NSN-Mitarbeiter demonstrieren: In der Schockstarre
München - Eiskalt hat der Winter am Mittwochmorgen München im Griff. Eiskalt erwischt hat es auch die 3600 Münchner Mitarbeiter von Nokia Siemens Networks (NSN): Der Standort des Telekommunikationsdienstleisters soll geschlossen, rund 2000 Mitarbeiter entlassen werden. Das verkündete NSN am Abend zuvor. Mehr als 2000 demonstrieren deshalb trotz klirrender Kälte vor dem Firmensitz in der Werinherstraße.
Die meisten können es gar nicht fassen. „Ich bin in einer Schockstarre“, sagt Eva Krug. 30 deutsche NSN-Standorte sollen dichtgemacht, die verbleibenden 1600 Mitarbeiter aus München auf die restlichen fünf Standorte verteilt werden. Für ihre Stelle im Marketing sieht die blonde Mittvierzigerin keine Zukunft. Die Standortschließung – für die Belegschaft ist sie nichts als ein schmutziger Trick, eine gute Möglichkeit, langjährige Mitarbeiter loszuwerden.
„Aber wir werden nicht kampflos untergehen“, sagt die 55-jährige Christina Sanders. Sie und ihren Mann träfe es besonders hart: Beide arbeiten für NSN. Jetzt hoffen sie auf eine gemeinsame Zukunft an einem anderen Standort. „Die Familie auseinanderzureißen wäre keine Option.“ Für Thomas Weislein hingegen kommt ein Umzug nicht in Frage. Er ist extra aus Augsburg angereist. Auch sein Standort soll geschlossen werden. Anderweitig beworben hat sich der 35-Jährige noch nicht, „es war ja nicht klar, wie’s weitergeht“.
Bereits im November 2011 hatte NSN angekündigt, weltweit 17000 Stellen zu streichen – angeblich eine „neue globale Strategie“. Seitdem sei jedoch Funkstille gewesen, sagt Clemens Suerbaum. Was jetzt passiere, sei „ein Armutszeugnis“, findet er. Der Kahlschlag zeige, „wie hilflos das Management ist“. Klein beigeben will der 47-Jährige nicht: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
NSN soll bleiben, ist sich die Belegschaft einig, nicht nur der Mitarbeiter, auch des Geschäfts wegen. Die, die gehen müssen, sollen fair behandelt werden. Siemens (2007 wurde Siemens Networks mit Nokia Networks Business zusammengeführt) solle Beschäftigte übernehmen, fordert Michael Leppek von der IG Metall. Er attackiert Siemens-Boss Peter Löscher frontal. Für den sei NSN zwar nur eine „nicht fortgeführte Aktivität“. „Aber diese nicht-fortgeführte Aktivität wird Sie verfolgen“, ruft Leppek, „auf Ihren Tennisplatz, in Ihr Restaurant, auf den Wittelsbacher Platz“.
Das Management müsse gehen, finden die NSN-Mitarbeiter – nicht fast ein Drittel der deutschen Belegschaft, 2900 von 9100 Mitarbeitern. Wie bei der Costa Concordia, schimpft ein Redner, habe bei NSN der Kapitän zuerst das Schiff verlassen. „Früher waren wir stolz auf unser Unternehmen“, erzählt auch Peter Koch, ein 58-jähriger Beschäftigter. Heute müsse er sich schämen. „Ich verstecke sogar meinen Firmenausweis“.
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