Notunterkunft in der Lerchenau: Kein Klopapier, kaltes Essen
In der Notunterkunft in der Lerchenau leben 170 Flüchtlinge mit vielen Kindern unter menschenunwürdigen Bedingungen. Niemand kümmert sich um sie. Ein Besuch vor Ort.
LERCHENAU Ein kleines Mädchen steht frierend am Zaun. Es hat keine Jacke an, in der geballten Faust hält es eine trockene, angebissene Semmel. Es ist eine Aufbacksemmel – aber sie ist nicht aufgebacken. Seit elf Tagen lebt das Kind aus Mazedonien mit seinem Bruder, seinen Eltern und weiteren etwa 170 Flüchtlingen in einem Container-Verschlag in der Waldmeisterstraße im Gewerbegebiet in der Lerchenau. Um die Ecke gibt es ein Spielcasino, einen Puff und verschiedene Baufirmen. Das nächste Geschäft ist etwa zehn Gehminuten entfernt, ein teurer Lebensmittelmarkt.
Das Mädchen hat seit Tagen nichts Warmes mehr gegessen. Warmes Essen wird in der Notunterkunft nicht ausgeteilt. Und die Küchen sind so miserabel ausgestattet, dass sich nicht einmal alle Bewohner ihre Semmeln aufbacken können. Es gibt keine Kühlschränke, keine Waschmaschine, keine Mikrowelle, kein Geschirr, kein Besteck und nur einen kleinen Ofen mit zwei Herdplatten – für 170 Menschen.
Männer und Frauen müssen sich die Duschen teilen
Die Familien bewahren das Wenige, das sie zum Essen bekommen, auf den schmalen Alublechen vor ihren Containerfenstern auf. Jeden Morgen zwischen 9 und 11 Uhr werden die Essenpakete verteilt. Die Pro-Kopf-Ration besteht aus einer Tüte Milch, einer Flasche Wasser, Konservenkost (etwa Mais oder Fisch), sechs Semmeln, einer Portion Butter, einer Portion Nutella, zwei Beuteln Tee und zwei Stückchen Zucker. Das berichten mehrere Flüchtlinge übereinstimmend.
Männer und Frauen müssen sich die wenigen Duschen miteinander teilen. „Bis man an die Reihe kommt, vergehen drei Stunden“, berichtet ein Kurde. Ein Landsmann ergänzt: „Wir haben auch kein Toilettenpapier und keine Seife.“ Die Zustände, warum die Unterkunft im Februar 2009 nach einem Landtagsbeschluss geschlossen wurde, waren menschenunwürdig – daran hat sich nichts geändert.
Der Mazedonier Emine F. (36) ist mit seiner Frau und drei Töchtern im Alter von 5 bis 15 Jahren hier untergebracht. Er berichtet, dass es für die Kleinkinder und Babys keine Windeln gibt. Ein Kind habe keine Schuhe – „niemand kümmert sich darum“. Die Eltern wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen.
Die Flüchtlinge sind sich selbst überlassen. Eine Mutter, der in ihrem Heimatland bereits ein Kind starb, muss mit ihrem Sohn zum Arzt. Sie weiß nicht, wie sie in die Praxis kommen soll. „Es ist niemand vor Ort, kein Ansprechpartner, es gibt nur drei russisch sprechende Sicherheitsleute“, sagt Gisela Köllinger von der Initiative „Asylsuchende und wir“. Sie hatte sich sehr dafür eingesetzt, dass die Unterkunft geschlossen wird. „Es hat sich nichts verändert und nun werden hier wieder Flüchtlinge untergebracht. Es ist unfassbar!“
Alle Missstände, von denen die Flüchtlinge der AZ berichtete, werden vom Flüchtlingsrat bestätigt. „Da bleibt einem die Spucke weg“, kommentiert Monika Steinhauser.
Am Freitag machte sich die FDP-Abgeordnete und Kultursprecherin Julika Sandt selbst ein Bild vor Ort. Journalisten dürfen Asylbewerberheime ohne explizite Erlaubnis nicht betreten. Nach der Besichtigung des Heims ging Julika Sandt in den nächsten Supermarkt. Sie kaufte für die Kinder aus der Notunterkunft Lebensmittel. „Viele müssen wegen der schlechten Ernährung erbrechen, sind krank.“ Sie kaufte vorwiegend Zwieback. Nina Job
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