Nostalgie auf dem Markt

Jeden Freitag erzählt in der AZ ein bekannter Münchner von seinem Wochenende. Heute: der Kabarettist Hannes Ringlstetter.
Ich komme ja eigentlich aus der Provinz, bin zwar in München geboren, aber dann in Niederbayern aufge-wachsen. Und da auf dem Land geht das Leben immer sehr früh los – auch am Samstag. In München geht ja vor zehn eigentlich gar nix. Deswegen mag ich es, mich so um neun, halb zehn in ein Café zu setzen, ins Ringelnatz in der Haimhauserstraße zum Beispiel, und zu beobachten, wie das Treiben so langsam losgeht.
Vom Land bin ich es auch gewohnt, am Samstag auf den Markt zu gehen. Da kauft man dann was ein, isst vielleicht noch was. Deswegen verbringe ich den Samstagvormittag auch gerne auf dem Viktualienmarkt, den finde ich super. Für einen Wahlmünchner ist das ein Ort, der funktioniert – auch wenn ich die Abzocke, die da läuft, natürlich checke. Aber es fühlt sich eben so wie früher an – nur, dass es jetzt halt ein bisschen teurer ist.
Wenn man aus Niederbayern kommt, ist man auch überrascht über die gute Laune, die in Oberbayern herrscht. Der Niederbayer an sich ist vom Gemüt her ja eher schlicht. Diese Üppigkeit rund um München, dieses Geranien-Balkon-Feeling, der Umstand, dass es hier in der Gegend Tourismus gibt, dass Leute also echt freiwillig herkommen – das ist für uns Niederbayern total erstaun-lich. Es ist aber auch echt schön hier. Die ganzen Hügel mit den kleinen Kirchen drauf, der weiß-blauen Himmel, die Berge mit ihren Schneekrönchen. Ich finde das total irreal. Diese Idylle kenne ich aus Niederbayern nicht. In Straubing sind außen herum halt nur Weizen- und Zuckerrübenfelder.
Wir selbst fahren gerne Richtung Icking raus und gehen mit dem Hund an der Isar spazieren. Der Lou ist ein Straßenmischling aus Ungarn, ein richtiger Gangbang-Hund, sage ich immer. Mittlerweile ist er zwei und springt jetzt sogar schon ins Wasser. Natürlich gehen wir mt ihm auch mal in München Gassi. Aber in München hat man immer das Gefühl, dass ausgerechnet an dem Tag, an dem man diese oder jene Idee hatte, zehntausend andere Leute die auch hatten. Wenn ich mal mit dem Hund am Flaucher spazieren gehe, machen das zehntausend andere auch. Wenn man zum Grillen an die Isar will, stellen zehntausend andere auch einen Grill auf. Das ist irgendwie lustig.
Ich glaube, ich bin trotzdem kein Großstadtmench, zumindest kein reiner. Dass es in München so viele Kleinkunstbühnen gibt, vor allem das berühmte Bermuda-Dreieck aus Vereinsheim, Lustspielhaus und Lach- und Schießgesellschaft, das weiß ich schon sehr zu schätzen. Aber wenn ich was Kreatives machen muss, dann hau' ich mich aufs Land. Ich habe da in der Nähe von Regensburg eine alte Mühle. Da geht das Nachdenken besser, die Stadt ist mir dafür einfach zu schnell und hektisch. Aber wenn ich nur auf dem Land wohnen würde, wäre mir das auch zu langweilig.
Schade, dass München keine Stadt mehr ist, die jedermann offen steht. Das Leben hier muss manj sich erst einmal leisten können. Ich bin ja viel unterwegs nund habe festgestellt, dass die ganzen Städte so ein Selbstverständnis haben. Hamburg hält sich für weltoffen, weil's am Wasser liegt, Berlin ist cool, und München gibt sich schick. Das ist so eine Oase hier. Ich frage mich manchmal, ob die Leute meinen, dass das Leben wirklich so sorgenfrei ist – weil eigentlich ist's ja bloß in München so.
Protokoll: Florian Zick