Nockherberg: Die Holzhammer-Rede

Skandal um Bruder Barnabas: Außenminister Guido Westerwelle ist empört, Charlotte Knobloch nennt den KZ-Vergleich in der Fastenpredigt auf dem Nockherberg eine "Schande". Auch die Brauerei zweifelt - wird Michael Lerchenberg jetzt gefeuert?
von  Abendzeitung
Michael Lerchenberg als Barnabas
Michael Lerchenberg als Barnabas © dpa

MÜNCHEN - Skandal um Bruder Barnabas: Außenminister Guido Westerwelle ist empört, Charlotte Knobloch nennt den KZ-Vergleich in der Fastenpredigt auf dem Nockherberg eine "Schande". Auch die Brauerei zweifelt - wird Michael Lerchenberg jetzt gefeuert?

Es ist ein Eklat, wie es ihn auf dem Nockherberg noch nie gegeben hat: Nach der Fastenpredigt von Michael Lerchenberg kündigt Aussenminister Guido Westerwelle seine Teilnahme auf dem Nockherberg - für immer. Lerchenberg hatte in seiner Predigt am Mittwoch Westerwelle mit einem KZ-Vergleich geschockt: "Alle Hartz IV-Empfänger sammelt er in den leeren, verblühten Landschaften zwischen Usedom und dem Riesengebirge, drumrum ein grosser Stacheldrahtzaun - hamma scho moi g'habt. Zweimal am Tag gibt's a Wassersuppn und einen Kanten Brot. Statt Heizkostenzuschuss gibt's zwei Pullover von Sarrazins Winterhilfswerk, und überm Eingang, bewacht von jungliberalen Ichlingen im Gelbhemd steht in eisernen Lettern: ,Leistung muss sich wieder lohnen'."

Westerwelle schrieb am Donnerstag einen Brief an Paulaner-Chef Andreas Steinfatt: "Mit einem KZ-Wächter verglichen zu werden, geht zu weit. Sie haben mich all' die Jahre zum Salvator-Anstich eingeladen. Mehrfach habe ich gern teilgenommen. Für die Zukunft bitte ich, von Einladungen an meine Person abzusehen."

Steinfatt zeigte sich betroffen. "Wir bedauern aufrichtig, dass eine Grenze überschritten und ein Tabu verletzt wurde." Er habe den Text vorab gekannt, "und die Passage als grenzwertig empfunden, aber ich hatte Vertrauen auf Lerchenbergs Sensibilität während des Livevortrags".

Das Vertrauen hat Lerchenberg missbraucht: Auf der Kanzel verschärfte er seine Rede, aus "Zaun" machte er "Stacheldrahtzaun" - und beschwor damit das Bild von Auschwitz. "Wir haben es einfach unterschätzt", sagt Steinfatt, "es tut uns sehr leid."

Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden, nannte die Rede "eine Schande". Bei aller künstlerischer Freiheit "ist eine Grenze überschritten worden, die nicht hinnehmbar ist. Die Äußerungen waren nicht bedacht", sagte Knobloch der AZ wenige Minuten nach der Predigt. "Seit Jahren besuche ich den Nockherberg, aber einen derartigen Ausrutscher habe ich bislang nicht erlebt."

Ähnlich geht es OB Christian Ude: "Dumm" findet er die Äusserung. "Jeder Vergleich mit dem Terrorregime läuft auf eine Verharmlosung hinaus", sagte er. "Durch die Passage gab es plötzlich ein spürbares Absacken der Stimmung."

BR-Wiederholung ohne umstrittenes Zitat

Auch der Bayerische Rundfunk zieht seine Konsequenzen: Die Predigt wird zwar am Freitag ab 19.45 Uhr gesendet - aber gekürzt. "Da hat sich jetzt die umstrittene Stelle angeboten", sagte Sprecher Rudi Küffner. Die komplette Rede stehe weiterhin auf der BR-Homepage.

Am Tag nach der Hammerrede entschuldigten sich Lerchenberg und sein Co-Autor Christian Springer: "Wir bedauern zutiefst, mit der Fastenpredigt die Gefühle anderer verletzt zu haben. Dies war nie in unserem Sinn.Wir haben versucht, den Stil barocker Predigen künstlerisch einzusetzen." Zuvor gab Lerchenberg sich noch kampfeslustig: Satire dürfe zuspitzen, er und Springer hätten sich die Rede genau überlegt.

Das Aus für Lerchenberg als Bruder Barnabas? Das Vertrauen der Brauerei hat er offenbar verspielt. Auf die Frage, ob Lerchenberg auch im nächsten Jahr derblecken wird, sagte Paulaner-Chef Steinfatt nur: "Dazu will ich mich erstmal nicht äußern." Noch am Freitag findet ein Krisentreffen mit den Autoren statt.

Auch der Chef der Polizeigewerkschaft DPolG Hermann Benker fragte "ob Lerchenberg als Fastenprediger noch tragbar ist". Als Barnabas hatte er gegen die Polizei gewettert: "Wenn ein Verrückter über ein Ansbacher Gymnasium herfällt, braucht die Polizei elf langsame Minuten. Ein Freiwilliger Feuerwehrler hat vor Ort gehandelt. In Solln braucht die Polizei 12 langsame Minuten. Wenn in Regensburg zwei überforderte Polizisten zwölf Mal auf einen Geisteskranken schiessen, davon vier Schuss wie einst beim Jennerwein von hinten, dann wird gaanz langsam ermittelt - wenn überhaupt!" Die Polizei-Spezialeinheit USK nannte er "Unidentifizierbare Schläger Korps". Lerchenberg: "Wenn ihr wollt, dass euch geholfen wird, dann ruft's besser gleich die Feuerwehr!"

Innenminister Herrmann meldete sich aus Peking und forderte eine Entschuldigung - die gab Paulaner-Chef Steinfatt: "Es tut uns leid. Das war scharf geschossen. Die Stelle wurde ebenfalls kritisch vorab diskutiert." Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer fand's auch nicht lustig: Der Witz gehe auf Kosten der Beamten, die mit Engagement ihre Arbeit verrichten. "Voraussetzung für Kritik ist, dass die Tatsachen wahr sind. Daran fehlt's." Beispiel: In Solln habe die Polizei sieben Minuten zum Tatort gebraucht.

"Satire hat ihre Grenzen"

Selbst in Regensburg sorgte die Predigt für Unruge: Anwalt Andreas Tronicsek vertritt die Mutter des Studenten Tennessee Eisenberg († 24), der 2009 von zwei Polizisten erschossen wurde. "Ihn als geisteskrank zu bezeichnen, ist nicht korrekt." Er überlege, juristisch gegen Lerchenberg und Springer vorzugehen. "Auch Satire hat ihre Grenzen."

N. Job, A. K. Koophamel

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