Nilpferd vom Circus Krone - "Lasst Poppäa frei!"

MÜNCHEN - Während in der Manege die Zuschauer klatschen und jubeln, Clowns die Besucher zum Lachen bringen, liegt nebenan im Krone-Zoo die Nilpferddame Poppäa in ihrem Becken und schnaubt. Sie taucht ab, taucht nach zwei Minuten wieder auf. Pfffh! Es klingt wie ein Seufzen.
Poppäa, etwa drei bis vier Tonnen schwer, das linke Auge vom grauen Star milchig, ist in Rente. Sie tritt schon seit 2009 nicht mehr im Circus Krone auf. Seitdem liegt sie entweder in ihrer etwa sechs Meter langen und gut zwei Meter breiten Wanne, in der sie sich gerade so umdrehen kann, oder sie geht, meistens nachts, ein paar Schritte durch ihr Freigehege, das gut zehn Meter lang und so breit ist wie ihr Plantschbecken.
Jeden Sonn- und Feiertag kann man sie dort besuchen, ab 10 Uhr öffnet der Krone-Zoo. An diesem Vormittag steht eine Frau mit ihrer Tochter neben Poppäas Becken und sagt: „Die hat ja eine riesige Badewanne!“ Doch das sehen nicht alle so. Mehrere Leser haben sich wiederholt an die AZ gewandt und die beengten Verhältnisse beklagt. Tierschützer fordern schon seit Jahren, Poppäa brauche einen artgerechten Lebensraum.
Die Tierrechtsinitiative München e.V. hat gar eine Internetseite (http://freethehippo.wordpress.com) erstellt, um auf Poppäas Schicksal aufmerksam zu machen. Überschrift: „Freiheit für das Flusspferd Poppäa!“ Die Tierfreunde haben auch schon einen Platz für Poppäa gefunden. Die betagte Dame könnte nach Südafrika in das „SanWild Wildlife Rehabilitations-centre and Sanctuary“ überstellt werden. Dort leben schon zwei Zirkusnilpferde aus Frankreich.
„In unserer Obhut würde Poppäa die nötige Fürsorge in einer artgerechten Umgebung erhalten. Alles was noch fehlt, ist die Zustimmung des Zirkus“, wird Louise Joubert, die Gründerin des Rehabilitationszentrums, in einer Mitteilung der Tierrechtsinitiative zitiert. Selbst die Kosten für die Überführung und die lebenslange Versorgung wollen die Tierschützer übernehmen. Doch der Circus Krone will sein Nilpferd behalten.
„Das ist völlig sinnlos, besonders weil sie nicht mehr auftritt“, sagt Ruben Farkas von der Tierrechtsinitiative. Susanne Matzenau, Pressesprecherin von Krone, sagt: „Das ist eine Kampagne! Es geht nicht um das Wohl des Tieres, sondern um Ideologie.“ Poppäa habe einen „großen Swimmingpool und ein riesiges Auslaufgehege“, so Matzenau. Die Krone-Sprecherin befürchtet außerdem, dass das Rehabilitationszentrum in Südafrika Pleite gehen könnte und Poppäa dann verkauft oder zum Abschuss freigegeben werden könnte, wie es schon in anderen Fällen geschehen sei.
Völlig unbegründet seien diese Sorgen, findet wiederum Tierschützer Ruben Farkas. Allein der südafrikanischen Gesetzgebung zum Schutz von bedrohten Arten wegen könne das nicht passieren, argumentiert er.
Die Fronten sind verhärtet. Die Krone-Crew sagt: „Ein Flug in ein fremdes Land auf einem fremden Kontinent erscheint uns viel zu strapaziös.“ Die Tierschützer entgegnen: „Das Argument ist inkonsequent. Das Nilpferd musste jahrelang reisen.“ Ruben Farkas von der Tierrechtsinitiative räumt zwar ein, dass ein 15-Stunden-Flug „natürlich Stress“ wären. „Aber“, so der Student, „das wäre Stress, der sich lohnen würde.“
Rätselraten um das wahre Alter des Nilpferds
Doch beim Circus Krone wollen sie von solchen Gedankenspielen nichts wissen. „Einen alten Baum soll man nicht umziehen“, kramt Pressesprecherin Matzenau aus der Sprichwortkiste. Die Frage ist nur: Wie alt ist dieser Baum wirklich? Auf einem Hinweisschild im Kronezoo steht: „Poppäa 1971“. Doch Zoo-Chef Pietro Bento antwortet während der sonntäglichen Führung auf die Frage nach Poppäas Alter: „Fünfzig!“ Auch die Pressesprecherin schreibt und spricht von dem 50 Jahre alten Nilpferd, das 1962 im Karlsruher Zoo geboren sei und seit 1964 im Circus Krone lebe.
Die Altersfrage ist insofern nicht ganz unerheblich, als dass die Lebenserwartung für das pflanzenfressende Säugetier Hippopotamus amphibius in Freiheit bei 40, in Gefangenschaft bei 50 Jahren liegt. Für zehn mögliche Jahre würde sich eine Umsiedlung eher lohnen, als für ein paar Monate.
Im Karlsruher Zoo kann die Altersfrage nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Auf AZ-Anfrage sagt Dr. Clemens Becker, Zoologe des Karlsruher Tierparks: „Ich kann bestätigen, dass am 27.September 1971 ein Flusspferd geboren und später abgegeben wurde. An wen ist nicht ersichtlich.“ Ob auch 1962 ein Nilpferd in Karlsruhe geboren wurde und 1964 an den Circus Krone in München abgegeben wurde, wie die Kronesprecherin behauptet, kann vom Tierpark Karlsruhe weder bestätigt noch dementiert werden.
Der Münchner Tierschützer Farkas wundert sich jedenfalls nicht über derlei Zahlendreher. „Es darf daran gezweifelt werden, dass Poppäas Alter stimmt“, sagt Farkas. „Es ist nicht unüblich, dass Zirkusbetreiber ihre Tiere älter machen, um die jahrelange Schinderei im Zirkus zu kaschieren.“
Möglicherweise löst sich die Debatte auch von allein. Schon 2003 und zuletzt 2011 hat der Bundesrat einen Antrag gebilligt, demzufolge das Halten von Wildtieren im Zirkus generell verboten werden soll. Doch bislang hat sich keine Bundesregierung zu einer Gesetzesänderung durchgerungen, da eine solche Regelung ein Berufsverbot für Dompteure bedeuten würde und demzufolge möglicherweise verfassungswidrig wäre. So hängt Poppäas Schicksal auch an der Politik.
Bis in Berlin eine Entscheidung fällt, bleibt wohl alles beim Alten und Poppäa in ihrem Becken. Der Krone-Zoo-Chef Pietro Bento macht sich jedenfalls keine Sorgen um seinen Schützling. Als ein Kind ihn fragt, ob Poppäa noch auftrete, antwortet er mit breitem Grinsen im Gesicht: „Nö, die ist in Rente. Die liegt nur rum und genießt das Leben. Und wir müssen arbeiten.“